SAT.1/Guido Engels
Frau Dr. Schlüter-Monheim (Anke Engelke, rechts) hat einen Auftrag: Sie ist von der Märchenwald AG mit der Prozessoptimierung betraut worden. Das bedeutet: Hansel und Gretel müssen sich mit der Globalisierung auseinandersetzen, Schneewittchen muss wegen Personalkosteneinsparungen auf die sieben Zwerge verzichten und Rotkäppchen kann nicht mehr auf ein Happy End für Ihre Großmutter hoffen.
Anke Engelke: "Im Alltag bin ich grundentspannt"
Sie gilt als Deutschlands ulkigste Fernsehfrau: Anke Engelke. Vor zehn Jahren flimmerte zum ersten Mal ihre Sketchshow "Ladykracher" über den Bildschirm, in der sie mit schöner Regelmäßigkeit in zahlreiche verschiedene Rollen schlüpft – sei es die Ökotante Ruth, das Promiluder Onka oder die russische Millionärsgattin Ludmilla. Jetzt zeigt Sat.1 neue Folgen der vielfach preisgekrönten Sketchshow, und auch in der siebten Staffel von "Ladykracher" (ab Freitag, 20.4., 22.10 Uhr, Sat.1) dürfen neue Figuren nicht fehlen – so rationalisiert Engelke als Unternehmensberaterin diverse Abteilungen des Märchenwalds und streicht Schneewittchen kurzerhand die sieben Zwerge. Engelke, die in zweiter Ehe verheiratet ist, hat drei Kinder und lebt in Köln. Die 46-Jährige ist auch als Synchronsprecherin gefragt, unter anderem ist sie die deutsche Stimme der Trickfigur Marge Simpson.

Frau Engelke, vor zehn Jahren startete Ihre Sketchreihe "Ladykracher", jetzt sind neue Folgen zu sehen. Welche von all den Figuren, die Sie verkörpert haben, ist Ihnen die liebste?

Anke Engelke: Eine einzelne herauszupicken, fällt mir schwer, ich betrachte sie alle mehr in ihrer Gesamtheit – als wäre das Ganze so eine Art Wartezimmer zur Frauenhölle. Sind diese Charaktere nicht alle irgendwie Monster?

Einerseits ja. Andererseits kann man sich als weiblicher Zuschauer noch in den schrägsten Figuren selber erkennen...

Engelke: Das ist verrückt, aber so geht es mir auch. Wenn ich gefragt werde, welche Figur mir am nächsten ist, kann ich nur sagen: Das ist alles irgendwie in mir drin, es ist also nicht nur so, dass ich Frauen um mich herum beobachte und mir ein paar Sachen merke, um die am Set wieder auszupacken. Ich glaube ja, dass jede Frau dieses Potenzial in sich hat: Wir können innerhalb einer Minute sowohl verständnisvoll als auch ungerecht zickig sein, gestresst und ängstlich, aber auch klar Schiff machen wollen – und im Zweifel sogar rationalisieren.

Wie die Unternehmensberaterin, die in der neuen Staffel auf einem Elektrogefährt durch den Märchenwald düst und Rotkäppchen wegrationalisiert...

Engelke: Das mit dem Segway-Fahren war eine sportliche Leistung, möchte ich mal kurz betonen, das ist ja so was von schwer! Den Rotkäppchen-Sketch haben wir nachts gedreht, wir waren alle schon völlig im Eimer. Es war dunkel, ich war hundemüde, und wir haben mit der Maschine so viel Nebel produziert, dass ich auf dem holprigen Waldweg die ganzen Wurzeln nicht gesehen habe. Da habe ich doch ziemlich gezittert, weil es neben dem Weg steil runterging in einen breiten Bach. Da hatte ich natürlich gar keine Lust drauf, da runterzustürzen. Ich dachte: Ich werde diese Nacht nicht überleben (lacht).

"Es ist wie die Biographie nicht nur einer Frau oder einer Familie, sondern fast einer ganzen Generation"

Sind die Frauenfiguren aus "Ladykracher" eigentlich in all den Jahren mit Ihnen gereift?

Engelke: Extrem! Ich habe mir neulich ein paar Sachen aus der Anfangszeit angeguckt, weil ich als Gastprofessorin an der Kölner Kunsthochschule für Medien mit Regiestudenten das Lustigsein übe. Der Reifungsprozess, der sich in der Zwischenzeit abgespielt hat, ist enorm. Als wir mit "Ladykracher" angefangen haben, waren wir alle, ob vor oder hinter der Kamera, mehr oder weniger frisch liiert oder Single. Später wurde geheiratet oder getrennt, man zog zusammen und bekam Kinder, und das wurde alles zum Thema in der Sendung. Es ist wie die Biographie nicht nur einer Frau oder einer Familie, sondern fast einer ganzen Generation.

Es geht um die Leute, die Mitte der 60er Jahre geboren und im Schlagschatten der 68er-Ära aufgewachsen sind...

Engelke: Wenn ich an meine Sozialisierung an der Schule denke – ich glaube, wir waren nicht mehr so politisch, nicht mehr so verbissen und zwanghaft kritisch. Als ich in der achten, neunten, zehnten Klasse war, hatten die Großen ihre "Stoppt Strauß"-Buttons und sind demonstrieren gegangen, da bin ich dann zwar auch mal mit, aber mir fehlte so ein bisschen der Unterbau. Das war dann auch ein ganz guter Crashkurs im Schlaumeiersein, dass ich mir überlegen musste, warum ich da eigentlich mitlatsche.

Wie geht es mit "Ladykracher" weiter?

Engelke: Ich könnte das ein Leben lang machen! Ich würde nur eventuell das Format gerne ein bisschen aufbrechen, vielleicht mal eine ganze Episode nur einem Thema widmen, nur eine Geschichte verfolgen. "Ladykracher" ist ja sowieso nichts, was man nebenbei laufen lässt, das ist ja kein Hiphop-Video, sondern Erwachsenen-Drama zum Lachen, das die Leute gezielt schauen. Vielleicht kann man die auch mal mitnehmen auf eine etwas andere Reise.

In ein paar Jahren können Sie in den Sketchen dann ja die junge Großmutter spielen...

Engelke: Genau, dann bin ich die Oma. Das sind ja alles so spannende Fragen: Wie lange spielt man die scharfe Mutti, die scharfe Ehefrau, wie sehr kann man sich auseinandersetzen mit Krisen, die mit dem Alter kommen, wie fies kann man da werden und wie ehrlich? Ich kann mir vorstellen, die von all diesen Showfrauen verteufelte Grausamkeit des Alterns bei "Ladykracher" verstärkt zu zeigen. Ich habe ja jetzt schon keine Angst, mich zum Doof zu machen, ganz im Gegenteil.

"Eine peinliche Situation schafft man am besten aus der Welt, indem man sie offen thematisiert"

Je peinlicher es wird, desto besser?

Engelke: Im Alltag bin ich grundentspannt und finde, eine peinliche Situation schafft man am besten aus der Welt, indem man sie offen thematisiert. Aber wenn ich am Set bin, habe ich auch Bock darauf, grenzwertig zu sein, das ist fast zwanghaft. Ich provoziere dann gerne solche unangenehmen Situationen, wenn alles kurz erfriert und jeder denkt: Oh Gott, das ist doch jetzt nicht gerade wirklich passiert? Dafür ist Schauspielerei so gut geeignet, einfach mal verbal oder im Spiel Grenzen des Geschmacks zu überschreiten, ohne dass einer beleidigt ist – das ist traumhaft.

Sie gelten als Deutschlands einflussreichste Komikerin. Was raten Sie jungen Frauen, die Comedy machen wollen?

Engelke: Ich kann keine Tipps geben, ich mache einfach mein Ding. Das angebliche Fehlen lustiger Frauen in Deutschland oder besser gesagt die Suche nach ihnen ist unglaublich zäh und ermüdend. Bekannt sind jetzt natürlich Martina Hill und Monika Gruber, also es gibt schon komische Frauen, aber eben nicht viele, die vor die Kamera wollen. Man müsste mal all die lustigen Frauen fragen und dann die Schnittmenge bilden, dann würde man vielleicht herausfinden, dass das alles Menschen sind, die keine Angst haben oder die mit ihren Ängsten sehr offen umgehen, wenn sie welche haben.

Apropos Ängste: In den vergangenen Wochen haben Sie in Interviews mehrmals über Ihre 2004 gescheiterte Sendung "Late Night" gesprochen. Liegt Ihnen das echt noch so auf der Seele?

Engelke: Nein, aber ich werde immer danach gefragt. Mich interessiert das schon lange nicht mehr.

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Und wie geht es mit Wolfgang und Anneliese weiter, dem lustigen Moderatorenpaar, das Sie mit Bastian Pastewka verkörpern?

Engelke: Das hängst ein bisschen von Bastis Terminplan ab, ich würde es am liebsten schon dieses Jahr wieder machen, aber spätestens im nächsten Jahr wird es wieder was geben. Wir beide lieben diese Figuren einfach.

In den Medien wurden Sie zuletzt vorübergehend als Nachfolgerin von Thomas Gottschalk bei "Wetten, dass..?" gehandelt. Wurden Sie vom ZDF eigentlich wirklich gefragt?

Engelke: Nein, wurde ich nie.