Foto: epd-bild/Andrea Enderlein
Erziehungstipps aus dem Fernsehen: Sendungen wie die "Super Nanny" liefern Rezepte für Familienkrisen.
Hilfe per Knopfdruck - TV-Beratung verändert die soziale Arbeit
"Super Nannys" bringen Familien in Ordnung, TV-Berater helfen "Raus aus den Schulden", und ein Sozialpädagoge versucht medienwirksam, jugendliche Ausreißer wieder auf die Spur zu bringen. Das Fernsehen ist voll von Sendungen, die ähnliche Fragen aufgreifen wie die professionelle Beratungsangebote und verändert so deren Arbeit.
02.07.2012
epd
Anke Sauter

Vielleicht haben die Sendungen ihren Zenit schon überschritten: Formate wie "Die Super Nanny" oder "Erwachsen auf Probe" sind wieder vom Bildschirm verschwunden. Doch immer wieder gibt es neue TV-Beiträge, in denen Menschen ihre persönlichen Probleme auf dem Bildschirm ausbreiten - ob es sich um Familien mit desolaten Wohnverhältnissen handelt oder um erwachsene Männer, die endlich aus dem "Hotel Mama" ausziehen sollen.

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Das Thema treibt Träger und Beschäftigte von Beratungsstellen um. Der Hamburger Soziologieprofessor Michael Lindenberg betont, das Fernsehen mache das genaue Gegenteil von professionellen Einrichtungen: "Da es sich um sehr persönliche Probleme handelt, mit denen die Klienten in die Beratung kommen, ist in Beratungsstellen Diskretion selbstverständlich." Im Fernsehen dagegen würden die Menschen und ihre Probleme an die Öffentlichkeit gebracht. Gewiss geschehe das in der Regel mit deren Einverständnis. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sei jedoch fraglich, wie gut sie die Folgen absehen könnten.

Kritik von Kinderschützern

Ein weiterer Punkt verstärkt das Unbehagen: Während die Beratungsstellen gemeinnütziger Sozialträger nicht gewinnorientiert arbeiten, haben die Privatsender kommerzielle Interessen. Je publikumswirksamer ein Format ist, desto höher die Einschaltquote, desto höher die Werbeeinnahmen. Publikumswirksamkeit und Wahrheitstreue aber ließen sich oft schwer unter einen Hut bringen, sagt Lindenberg.

Der Deutsche Kinderschutzbund hat Sendungen wie "Die Super- Nanny" oder "Erwachsen auf Probe", wo Jugendliche mit Kleinkindern das Elternsein testen konnten, stets heftig kritisiert. "Bei den Privaten wird rezeptartig vermittelt, wie man mit Kindern umgeht und Erziehungsprobleme löst", sagt Friedhelm Güthoff, Geschäftsführer des Kinderschutzbundes in Nordrhein-Westfalen. "Wenn die Lösung sozialer Problemlagen so einfach wäre, könnten wir unsere Beratungsstellen schließen." Die Kindererziehungsberatung im Privatfernsehen erschwere seriöse, professionelle Beratung: "Die Leute kommen in die Beratungsstellen und wollen einfache Tipps, damit die Erziehung morgen besser funktioniert. Das gibt es aber gar nicht."

Ex-Super-Nanny Katia Saalfrank sieht das naturgemäß anders: Ihre Sendung habe dazu beigetragen, dass Menschen zunehmend akzeptierten, dass sie sich bei Bedarf Beratung holen sollten. "Ich freue mich darüber, denn das ist ein Teil meines Anliegens", sagt sie.

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"Unser Ruf hat nicht gelitten"

Petra Köpping, Referentin für Schuldnerberatung bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, bestätigt, dass der Gang zur Schuldner- und Insolvenzberatung enttabuisiert worden sei. "Wir haben einen konstruktiven Umgang mit solchen Formaten entwickelt", sagt sie. Und: "Egal, wie schlecht eine Sendung gemacht ist: Unser Ruf hat nicht gelitten."

Da die mediale Beratung aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken sei und auch das Verhalten der Klienten beeinflusse, müsse man den Blick auf die Chancen lenken, meint Soziologe Lindenberg. Soziale Arbeit und Fernsehen müssen nicht auf Kriegsfuß miteinander stehen, sagt auch Kinderschützer Güthoff. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen zeige mit Formaten wie "37 Grad" im ZDF, dass es durchaus auch anders gehe. Güthoff: "Das Fernsehen kann für bestimmte Themen sensibel machen und zeigen, welche seriösen Stellen einem bei Problemen weiterhelfen können."