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Islamkonferenz verurteilt Salafismus - Erklärung gegen Zwangsehe
Das Thema stand gar nicht auf der Tagesordnung, aber die Islamkonferenz kam an den Aktivitäten radikaler Salafisten nicht vorbei. Unions-Fraktionschef Kauder sorgte für zusätzlichen Zündstoff: Der Islam gehöre doch nicht zu Deutschland, meint er.

Die Islamkonferenz hat mit Besorgnis und scharfer Kritik auf die Aktivitäten der radikalen Salafisten in Deutschland reagiert. "Der Absolutheitsanspruch der Salafisten ist nicht vereinbar mit unserem Grundgesetz", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Donnerstag in Berlin. Diese Position sei von der Konferenz bekräftigt worden. Auch die muslimischen Verbände hätten sich überwiegend "sehr eindeutig" gegen den Salafismus positioniert. Einhellig verabschiedete die Konferenz zudem eine Erklärung gegen häusliche Gewalt und Zwangsheirat.

Zum radikal-islamischen Salafismus sagte Friedrich während der jährlichen Plenarsitzung der Islamkonferenz: "Das Thema macht uns große Sorgen." Nicht jeder Salafist sei ein Terrorist, aber viele potenzielle Terroristen und Gewalttäter hätten salafistische Bezüge. Salafisten hatten am vorigen Wochenende in deutschen Städten kostenlos Koran-Exemplare verteilt und mit ihrer Missionierungs-Aktion "Lies!" eine heftige Debatte ausgelöst. Hinter den Debatten um Salafismus und die Rolle des Islam in Deutschland waren die eigentlichen Themen der Konferenz in den Hintergrund gerückt. Hauptthema war "Geschlechtergerechtigkeit als gemeinsamen Wert leben".

"Kauder ist der letzte Kreuzritter der Union"

Die Islamkonferenz war 2006 ins Leben gerufen worden. Vertreter muslimischer Verbände und Einzelpersonen treffen dort mit Politikern aus Bund, Ländern und Kommunen zusammen. Für die nächsten Monate habe die Konferenz dem Thema Prävention und Verhinderung extremistischer Gewalt Priorität eingeräumt, sagte Friedrich.

Salafismus ist ein Oberbegriff für verschiedene sunnitische Bewegungen, die sich am Ur-Islam orientieren. Eine einheitliche Struktur oder Ideologie haben sie nicht. Salafisten erkennen nur den wörtlich zu verstehenden Koran und die Überlieferung der Taten und Äußerungen Mohammeds (Sunna) als verbindlich an. Andere Muslime sind in ihren Augen keine wahren Gläubigen. Der Begriff geht auf die arabische Bezeichnung "as-salaf as-salih" zurück. Damit werden die "frommen Altvorderen" bezeichnet, die mit oder kurz nach dem islamischen Propheten Mohammed lebten. Sie gelten als Vorbilder für einen Islam, der nicht von Einflüssen der Moderne korrumpiert sei. Die Bewegung wurde von intellektuellen Muslime im 19. Jahrhundert angestoßen, die sich als Reformer verstanden. Die Rückbesinnung auf die Altvorderen schloss für sie eine Vereinbarkeit von Islam und moderner Technik ein. Ziel war, eine in ihren Augen wahrhaft islamische Gesellschaft zu errichten. Im Westen steht der Begriff Salafismus heute meist für eine rückwärtsgewandte Minderheitenströmung, die mit Demokratie und Menschenrechten unvereinbar ist. (epd)
 

Vorbeugende Maßnahmen müssten sich aber nicht nur mit Islamismus und Antisemitismus unter Muslimen befassen, sondern auch mit der Islamfeindlichkeit in Teilen der Gesellschaft. Ausdrücklich verurteilte Friedrich auch den Rechtsextremismus, der nach der Neonazi-Mordserie mit zehn Toten vielen Muslimen Angst macht. "Die Botschaft muss sein: Alle Menschen in unserem Land sollen in Sicherheit und Freiheit leben können."

Unmittelbar vor der Konferenz sorgte Unionsfraktionschef Volker Kauder mit Äußerungen zum Islam für heftige Reaktionen. Der CDU-Politiker widersprach erneut der Aussage des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, wonach auch der Islam zu Deutschland gehöre. "Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu Deutschland", sagte Kauder der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag).

Innenminister Friedrich war erkennbar bemüht, die Äußerung Kauders nicht zu einer Belastung der Islamkonferenz werden zu lassen. Er sagte dazu: "Lassen Sie uns die Themen, die ausdiskutiert sind, nicht immer wieder neu aufwärmen." Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Natürlich gehört der Islam heute zu Deutschland." SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann meinte: "Volker Kauder ist der letzte Kreuzritter der Union."

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte: "Volker Kauder macht einen auf Kulturkampf." Damit wolle er Konservative in der Union mobilisieren."Der Islam war nicht Teil unserer Tradition und Identität, inzwischen ist er es aber", erklärte er. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte, Kauder disqualifiziere sich damit auch für den Diskurs um Religionsfreiheit. "Wer in Deutschland den Islam mit aller verbaler Gewalt bekämpft, hat keine Argumente mehr, wenn im Ausland Christen diskriminiert werden", sagte Beck.

Muslimisches Leben in den Medien

Weitere Schwerpunkte der Konferenz waren am Donnerstag die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Verbesserung der Chancen für Muslime auf dem Arbeitsmarkt. Dazu wurde eine Broschüre vorgestellt, die unter anderem Tipss gibt, wie religiöse Praxis von Muslimen mit dem beruflichen Alltag vereinbart werden kann. Der Integrationsbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Frieser (CSU), forderte in dem Zusammenhange eine stärkere Aufklärung der Arbeitgeber. Eine interkulturelle Öffnung von Unternehmen biete auch wirtschaftliche Chancen.In einer Erklärung verurteilte die Konferenz häusliche Gewalt und Zwangsehen. Friedrich betonte, diese Erscheinungen seien nicht Ergebnis der islamischen Religion, sondern von traditionalistischen und patriarchalischen Strukturen.

Die Diskussion über muslimische Frauen darf aus Sicht von Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) nicht auf die Themen Zwangsheirat, Ehrenmord und Unterdrückung reduziert werden. Vielfach seien muslimische Frauen in Deutschland bereits weitaus emanzipierter als gedacht, sagte die Ministerin in Berlin.

Friedrich würdigte die Fortschritte, die die Islamkonferenz in den letzten Jahren erzielt habe. Vor allem nannte er die Verankerung des islamischen Religionsunterrichts in den Schulen sowie die Ausbildung von Imamen. Das Interesse der Kommunen an dem Thema sei groß, Pilotprojekte in einigen Städten seien beispielhaft. "Es bewegt sich was", sagte er.

Delegierte der "Jungen Islam Konferenz" übergaben der Plenartagung zehn Empfehlungen, in deren Mittelpunkt Themen wie Schule und Darstellung muslimischen Lebens in den Medien stehen. Die "Junge Islam Konferenz" soll künftig jährlich auf Bundes- und Länderebene stattfinden. Sie wird in den kommenden vier Jahren mit zwei Millionen Euro aus Stiftungsgeldern gefördert.