Auch Jesus war beschnitten
Foto: epd-bild/Raier Oettel
Die Bauernmalerei von Gottfried Scheucker und Johann Georg Walter von 1711 zeigt, wie Maria und Josef Jesus zur Beschneidung in den Tempel bringen.
Beschneidung: "Das Zeichen des Bundes zwischen mir und euch"
Die Beschneidung, also die operative Entfernung der Vorhaut des männlichen Gliedes, war zu biblischer Zeit ein weit verbreiteter Brauch in Israel und den Nachbarvölkern. Sie ist in der Bibel zu finden und wird von Juden und Muslimen auch heute praktiziert.

"Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch", heißt es im 1. Buch Mose (17,11). Der ursprüngliche Sinn dieses Brauches lässt sich jedoch nicht mehr genau nachvollziehen. Möglicherweise spielten hygienische Gründe eine Rolle oder durch das Opfer der Vorhaut sollte die männliche Fruchtbarkeit gesichert werden.

Heutige Beschneidungsrituale im Judentum und im Islam gehen auf alttestamentliche Überlieferungen zurück. Den Israeliten galt die Beschneidung damals als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Völkern, die den Brauch langsam aufgaben, und als Zeichen des Bundes mit Gott. Für Christen dagegen gilt die körperliche Beschneidung nicht als heilsnotwendig.

Judentum: "Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden" (1. Mose 17,10)

"Jedes Knäblein, wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen" (1. Mose 17,12), heißt es im Alten Testament. Und noch heute wird jeder jüdische Junge am achten Tag nach der Geburt beschnitten. Obwohl sich die Zugehörigkeit zum Judentum traditionell danach richtet, ob man von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder nicht, gilt dieser Brauch auch als sichtbares Zeichen der Aufnahme in die Gemeinschaft.

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Die Beschneidungsfeier findet Zuhause oder in der Synagoge statt. Man begrüßt das Kind mit den Worten "Gesegnet sei, der da kommt", der Beschneider fragt den Vater, ob das Kind beschnitten werden soll und schneidet vor den Augen der Anwesenden einen Teil der Vorhaut ab. Es folgen Segenswünsche und das Kind bekommt seinen Namen.

Mit der Beschneidung wird an Abraham und seinen Bund mit Gott erinnert. Im ersten Buch Mose sagt Gott zu Abraham: "Eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch" (1. Mose 17,11). Nach biblischer Vorstellung bedeutet der Bund zwischen Gott und seinem Volk, dass Gott den Menschen immer hilfreich zur Seite steht, wenn sie ihm treu bleiben und seine Gebote halten.

Islam: "Folge dem Weg Abrahams" (Sure 16,123)

Auch im Islam wird das Beschneidungsritual auf Abraham zurückgeführt, der zu den wichtigsten Propheten gezählt wird. Obwohl die Beschneidung im Koran nicht direkt erwähnt wird und obwohl sie keine unbedingte religiöse Pflicht darstellt, gilt sie für viele Moslems als unverzichtbar. Denn der Koran fordert die Gläubigen dazu auf, dem Vorbild Abrahams zu folgen: "Folge dem Weg Abrahams, des Lautern im Glauben, der kein Götzendiener war" (Sure 16,123).

Abgesehen davon, dass nicht am achten Tag nach der Geburt beschnitten werden soll, um sich vom Judentum abzusetzen, gibt es für die Beschneidung ("khitan") im Islam kein festes Datum. Oft wird sie entweder am siebten Tag nach der Geburt oder im Alter von etwa sieben Jahren als Übergangsritual in die Männerwelt durchgeführt und aufwändig gefeiert. Die kleinen Jungen werden festlich gekleidet und mit Geschenken und Süßigkeiten über die Schmerzen hinweggetröstet.

Ein eindeutiges Zeichen für die Zugehörigkeit zum Islam, wie etwa die christliche Taufe, ist die Beschneidung im Islam nicht, denn der Eintritt in den Islam erfolgt durch das Sprechen des Glaubensbekenntnisses vor zwei Zeugen. Die Beschneidung gilt den Moslems aber auch nicht wie den Juden als Zeichen des Bundes Gottes mit seinem Volk. Dennoch ist sie für die meisten Moslems unverzichtbarer Bestandteil der rituellen Reinheit, von der unter anderem die Gültigkeit der Gebete abhängt. Schließlich habe auch der Prophet Mohammed die Beschneidung, wie das Rasieren oder Nägelschneiden, zu den natürlichen Veranlagungen des Menschen gezählt.

Christentum: Beschneidung des Herzens

Im Christentum spielt die Beschneidung – außer in einigen orthodoxen afrikanischen Kirchen, in denen vorchristliche Traditionen Aufnahme fanden – heute keine Rolle mehr. Natürlich war auch Jesus Jude und er ist am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten worden (vgl. Lukas 2,21). Als sich das Christentum aber auszubreiten begann, begannen sich auch immer mehr unbeschnittene ehemalige Heiden für die neue Religion zu interessieren. Einige Judenchristen forderten daraufhin: "Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetzt des Mose zu halten" (Apostelgeschichte 15,5). Doch es war kaum möglich, die ehemaligen Heiden davon zu überzeugen, dass eine Beschneidung notwendig sei.

Letztendlich setzte sich dann auch der Apostel Paulus durch, der sich entschieden gegen eine Pflicht zur Beschneidung aussprach. Für ihn stand fest: Mit Jesu Tod und Auferstehung ist eine neue Zeit angebrochen. "So beschneidet nun eure Herzen und seid hinfort nicht halsstarrig" (5. Mose 10,16), habe es schon im Alten Testament geheißen, meint er. Und er betont: Nicht mehr das unbedingte Einhalten äußerer Vorschriften spielt eine Rolle, sondern vor allem der Glaube und die innere Einstellung. Allein durch körperliche Beschneidung sei nichts gewonnen, denn "die Beschneidung nützt etwas, wenn du das Gesetz hältst; hältst du aber das Gesetz nicht, so bist du aus einem Beschnittenen schon ein Unbeschnittener geworden" (Römer 2,25).

Entscheidend seien keine äußeren Merkmale, sondern allein der Glaube: "Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist." (Galater 5,6) Auf einer Apostelversammlung in Jerusalem einigte man sich schließlich darauf, dass die Beschneidung für Christen nicht mehr heilsnotwendig sei und "dass man denen von den Heiden, die sich zu Gott bekehren", mit der Forderung nach der Beschneidung "nicht Unruhe mache" (Apostelgeschichte 15,19).