In den Fragen, die Ihnen in Ihrem Blog gestellt werden, geht es oft um Sparmöglichkeiten bei Beerdigungen. Zum Beispiel: "Darf ich mir meinen Sarg selber bauen?" oder "Kann ich den toten Opa mit dem Kombi zum Friedhof fahren?" Finden Sie, bei Beerdigungen sollte man sparen dürfen?
Peter Wilhelm: Natürlich, man soll ruhig die Preise von Bestattern vergleichen und über Rabatte sprechen. Immerhin ist das eine Ausgabe in Höhe eines Kleinwagens. Den Sarg selbst zu bauen, ist für jemanden, der etwas davon versteht, eigentlich eine ganz ordentliche Idee. Das kann ja sogar eine sehr individuelle Form der Abschiednahme sein. Den Opa mit dem Kombi zum Friedhof zu fahren, ist in vielen Ländern durch die Landesbestattungsgesetze schlichtweg verboten. Da herrscht Leichenwagen-Zwang, auch aus hygienischen Gründen.
###mehr-links###Sie wurden unter anderem gefragt: "Darf ich meine Oma selbst verbrennen?" Glauben Sie wirklich, dass das eine ernstgemeinte Frage war?
Wilhelm: Ja, das war voller Ernst! Der Mann wollte nicht einsehen, für das Krematorium rund 700 Euro zahlen zu müssen, wo er das zu Hause viel billiger haben kann. Er hatte nämlich einen Brotbackofen im Keller mit 1,20 Metern Tiefe. Da die Oma sehr klein war, wollte er sie in diesem Ofen einfach selbst verbrennen und bares Geld sparen.
Was war der ungewöhnlichste Bestattungs-Wunsch an Sie?
Wilhelm: Einer wollte eine tibetanische Vogelbestattung. Da wird die Leiche auf einem Hochplateau mit einem scharfen Beil in kleine Stückchen gehackt und dann den Geiern zum Fraß vorgeworfen. Das konnte ich nicht leisten. Auch nicht in Holland oder der Schweiz, wo die Gesetze ja etwas liberaler sind.
"Ich finde, früher war es wesentlich persönlicher und man konnte intensiver Abschied nehmen."
In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie sich ein Paar von Ihnen eine nudistische Beisetzung wünschte. Sollten wir bei Beerdigungen mehr Individualität zulassen?
Wilhelm: Solange die Würde und die Pietät gewahrt bleiben, durchaus. Man führt ja heute auch schon Bestattungen durch, wo die Trauergäste Fußballtrikots des bevorzugten Vereins tragen oder Karnevalisten am Ende alle "Helau" statt "Amen" rufen. Warum sollte man nicht das, was jemand Zeit seines Lebens gerne gemacht hat, auch in der Trauerfeier fortführen? Aber ob es sein muss, dass alle Beteiligten nackt sind und so dann auch über den Friedhof laufen – da habe ich doch gewisse Bedenken.
###mehr-info###Sie führen Ihren Blog, weil Sie meinen, der Tod und das, was nach dem Tod mit dem Körper passiert, sei ein Tabuthema. Woran liegt das?
Wilhelm: Das liegt an dem Ekel vor dem toten Körper, der in unserer Gesellschaft regelrecht anerzogen wird. Und natürlich daran, dass die meisten sich nicht mit ihrer eigenen Endlichkeit beschäftigen wollen. Viele Menschen haben eine riesige Angst davor, was mit ihrem Körper passiert, wenn sie tot sind. Mir sind da wirklich hanebüchene Befürchtungen zu Ohren gekommen: von Zähnen, die die Bestatter den Toten rausreißen, Knochen, die sie ihnen brechen, und Organen, die sie ihnen entreißen. Solchen Unfug will ich aufklären.
Sind die Menschen denn früher anders mit dem Tod umgegangen?
Wilhelm: Früher ist man mit dem toten Körper wesentlich entkrampfter und lockerer umgegangen. Da war es durchaus üblich, die Leiche noch zu Hause aufzubahren, sie selbst zu waschen und anzukleiden und sie im Familienkreis zu verabschieden. Heute gibt man das alles den Bestattern in die Hände, die sich dann um eine relativ zügige und schnelle Entsorgung der Leiche kümmern. Ich finde, früher war es wesentlich persönlicher und man konnte intensiver Abschied nehmen. Wer am Bett des Verstorbenen steht und fühlt, dass er kalt wird, der kann den Tod leichter begreifen. Stattdessen bekommen viele Angehörige heute den Leichnam noch nicht einmal mehr zu Gesicht.
Ist ein Trend zu erkennen, welche Rolle die Religion in der Trauer spielt?
Wilhelm: Es ist erschreckend, mit welcher Rasanz die Menschen der Kirche in den Hintern treten. Ich bedaure das sehr. Gerade die Gemeinschaft in einer Kirche kann einem ja bei der Trauerarbeit unglaublich viel helfen. Stattdessen flüchten sich die Menschen in irgendwelche Trauercafés und nehmen ganz teure Trauerbegleiter für Geld in Anspruch. Dabei könnten sie das viel besser und tragfähiger in der Kirche haben.
"Bestatter haben ein recht hohes Ansehen – sie selbst bringen ja niemanden um"
Den Beruf des Bestatters stellt man sich recht traurig vor. Außerdem müssen sie immer pietätvoll sein. Wie wirkt sich diese Berufsaura auf das Privatleben aus?
Wilhelm: Bestatter haben in den örtlichen kommunalen Gemeinschaften ein recht hohes Ansehen, weil sie finanziell meistens auch ganz gut gestellt sind und ein Gewerbe ausüben, das ja keinem schadet – sie selbst bringen ja niemanden um. Von daher muss man auch im Privaten nach außen eine gewisse Seriosität wahren. Man kann jetzt nicht nebenbei ein Bordell oder eine Spielhölle betreiben. Und man muss mit seiner Außenwirkung vorsichtig sein. Schnell heißt es: "Sehe ich wirklich so schlecht aus? Der Bestatter hat mich so freundlich begrüßt!" Es wird einem negativ ausgelegt, wenn man in jedem Verein ist und zu allen freundlich. Dann heißt es: "Der will ja bloß überall einen Fuß in der Tür haben."
Hätten Bestatter das denn wirklich nötig? Ist die Konkurrenz so groß?
Wilhelm: Ja. Hier gönnt wirklich keiner dem anderen das Schwarze unterm Fingernagel. Das fängt bei übler Nachrede an und endet bei Bestechung und Korruption. Es gibt kaum ein Altenheim, in dem nicht schon ein Bestatter dafür gesorgt hat, dass er von dort alle Aufträge bekommt. Was aber nicht stimmt, ist die Legende, dass Bestatter den Polizeifunk abhören und sich dann am Unfallort um eine Leiche prügeln.
Was war das ungewöhnlichste Erlebnis, das Sie als Bestatter hatten?
Wilhelm: Einmal haben wir einen Verstorbenen abgeholt, der schon 14 Tage lang tot am Küchentisch gesessen hatte. Er und seine Frau haben nicht mehr viel miteinander geredet und der Mann hat sowieso oft dort gesessen. Da ist es seiner sehr alten Frau gar nicht aufgefallen, dass ihr Mann längst gestorben ist. Als wir ihn abholten sagte sie nur: "Und ich hab mich schon gewundert, dass der so lange nichts mehr essen wollte."