Foto: epd-bild/Jörn Neumann
Szene aus einem Seminar für muslimische Notfallseelsorger in Köln-Buchheim.
Muslim, Buddhist oder Christ - jeder braucht Seelsorge
Der Rat der Religionen in Frankfurt stellte die Broschüre "Seelsorge interreligiös" vor
Für die Seelsorge in Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen gibt es bislang fast nur christliches Personal. Doch natürlich brauchen auch Muslime, Juden oder Buddhisten in Krisensituationen seelischen Beistand. Der Frankfurter "Rat der Religionen" hat zusammengetragen, worauf Seelsorger unbedingt achten sollten.
08.11.2012
Lieselotte Wendl

Wenn ein Mensch krank ist, im Krankenhaus liegt und Schmerzen leidet oder gar dem Tod entgegensieht, dann braucht er Beistand. Nicht immer könnten Verwandte und Freunde das leisten, zumal sie selbst von dem Leid betroffen seien, sagte die Frankfurter Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg am Donnerstag. Sie stellte eine Broschüre für die Seelsorge in Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen vor, die der Rat der Religionen in Frankfurt herausgegeben hat.

Die Frankfurter Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg mit der Broschüre. Foto: Lieselotte Wendl

Kliniken bekommen damit klare Richtlinien an die Hand, damit Menschen, die dort betreut werden, auch angemessene seelsorgerliche Begleitung erwarten können - egal, welcher Religion sie angehören. "Wir kümmern uns in unserem Gesundheitssystem oft nur um den Körper und vergessen leicht die seelischen Bedürfnisse", beklagte Nargess Eskandari-Grünberg.

Professionalisierung und verbindliche ethische Standards seien wichtig, damit angemessene Seelsorge angeboten werden könne. Die Dezernentin ist dem Rat der Religionen dankbar, weil dieser solche Standards im Zusammenspiel verschiedener Glaubensgemeinschaften entwickelt hat. "Vorbildhaft" für ganz Deutschland sei dieses von der Stadt Frankfurt unabhängige Gremium, das "mit Herzblut" und viel Engagement die Broschüre erarbeitet habe.

Der Auslöser, eine Arbeitsgruppe zu diesem Zweck einzusetzen, war nach Angaben von Winfried Hess, evangelischer Pfarrer und Ausbilder von Seelsorgern, die Anfrage einer Buddhistin, die die vom Ökumenischen Arbeitskreis Seelsorgeausbildung für Ehrenamtliche (ÖAKS) angebotene Ausbildung absolvieren wollte.

Schweigepflicht und Glaubenstraditionen achten

Bisher war die Seelsorge in Frankfurter Kliniken eine Domäne der christlichen Kirchen. Im vergangenen Jahr hatten erstmals in Zusammenarbeit mit dem Grünen Halbmond auch zehn Muslime diese Ausbildung absolviert und sind seitdem in verschiedenen Kliniken stundenweise ehrenamtlich tätig.

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Die Seelsorge-Broschüre richtet sich an Einrichtungen wie Krankenhäuser oder soziale Einrichtungen, in denen ein Bedürfnis nach Seelsorge durch die jeweils eigene Religion besteht. Will ein Seelsorger über den Besuch von Gemeindemitgliedern oder Angehörigen hinaus tätig werden, sollte er sich auf bestimmte Prinzipien verpflichten, so die Empfehlung. Dazu gehören allgemeine ethische Prinzipien wie die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen und der Respekt vor den jeweiligen Glaubenstraditionen und Überzeugungen. Auch müssten die kulturelle und ethnische Vielfalt berücksichtigt und Geschlecht und sexuelle Orientierung auch von Mitarbeitenden geachtet werden.

Daneben werden konkrete Prinzipien in der seelsorgerlichen Arbeit benannt wie etwa die Schweigepflicht. Auch sollten Seelsorger niemals eigene Werte oder Überzeugungen aufdrängen, sondern in Gesprächen das Beste des Klienten suchen, das Heilung und Stärkung unterstützt. Außerdem müssten sie sich des Machtgefälles bewusst sein, das in der Beziehung zwischen dem Kranken und dem Seelsorger entstehen könne, und dürften es nicht ausnutzen.

Darüber hinaus sollten Seelsorger gut in ihre jeweilige Glaubensgemeinschaft eingebunden sein und gleichzeitig die ethischen und anderen Richtlinien (etwa Hygienestandards) befolgen, die in den jeweiligen Institutionen gelten.

"Es geht um den Menschen"

In jedem Fall müssten Seelsorger in Gesprächsführung ausgebildet sein und den verantwortlichen Umgang mit den begleiteten Menschen sowie den Mitarbeitenden beherrschen. Eine fürsorgliche Haltung und professionelle Integrität müssten in der Ausbildung ebenso entwickelt werden wie Reflexionsfähigkeit und persönliche Identität. Der Rat nennt ausdrücklich keine theologischen Standards. Diese zu erarbeiten, sei Aufgabe der jeweiligen Religionsgemeinschaften. Regelmäßige Fortbildung, Austausch mit Kollegen und Supervision seien ebenso wichtig.

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An der Arbeitsgruppe waren evangelische und katholische Christen, Juden, Muslime und Buddhisten beteiligt. Über zwei Jahre hat sich die Gruppe regelmäßig getroffen und auch manche Themen kontrovers diskutiert. So sei etwa die Frage der Homosexualität besprochen worden, die in allen Religionen traditionell diskriminiert werde, sagte der Vorsitzendes des Rates der Religionen, Athenagoras Ziliaskopoulos. Bei den Diskussionen sei es vor allem darum gegangen, dass nicht die sexuelle Orientierung im Mittelpunkt stehen dürfe. "Es geht um den Menschen und nicht um seine Bewertung."