Foto: epd-bild/Norbert Neetz
Eine Kerze auf dem Podium der EKD-Synode im Timmendorfer Strand. Die Kerze stammt von der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung (EÖV3), die im Jahr 2007 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) stattfand.
Den Reformationsgeist in die Gemeinden tragen!
2017 erinnern die Protestanten an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren. Wie lässt sich der Geist der Veränderung in die Gemeinden und zu den Gläubigen bringen? Die Jahrestagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat dafür wichtige Anregungen gegeben. Aber es gibt noch viel zu tun.
08.11.2012
evangelisch.de

Eine Kerze wird entzündet, Stille breitet sich aus, Innehalten: Traditionell unterbricht die EKD-Synode, deren jährliche Tagung am Mittwoch in Timmendorfer Strand zu Ende ging, in der Mittagsstunde ihre Beratungen für einen geistlichen Impuls. Es ist ein Moment der Vergewisserung, der besonderen Nähe zu Gott. Einen solchen Moment wünscht sich die Kirche auch für das bevorstehende 500-jährige Reformationsjubiläum – die Vorbereitung auf 2017 war diesmal Schwerpunkt der Beratungen.

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Dabei gibt es noch viel zu tun. Die Arbeit hat erst angefangen. Es geht darum, den Geist der Reformation in die Kirchengemeinden und zu den knapp 24 Millionen evangelischen Christen in Deutschland zu tragen. Was Luther, Zwingli oder Calvin dachten und wollten, soll neu veranschaulicht werden. Mehr noch: Auch enttäuschte, zweifelnde, kirchenferne oder gänzlich glaubenslose Menschen wollen angesprochen sein. Denn die Reformation steht nicht nur für die Neubelebung und Schärfung des christlichen Glaubens, sondern bildet auch das Fundament für das moderne, ethisch geprägte Menschenbild.

"Wir brauchen eine theologische Sprache von Gott, die elementarisiert, ohne zu simplifizieren", sagte EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider. Ob man dies Neuevangelisierung oder missionarischen Aufbruch nenne, sei zweitrangig. Auch Kanzlerin Angela Merkel, die erstmals ein evangelisches Kirchenparlament besuchte, wünscht sich bei den Festlichkeiten von 2017 eine missionarische Komponente. Die Pfarrerstochter weiß, wovon sie spricht: In Ostdeutschland, auch im "evangelischen Kernland" zwischen Wittenberg und Eisenach, sind die Christen heute nur noch eine kleine Minderheit.

Nur behutsam überarbeitet

Mit Blick auf das Reformationsjubiläum hat die Synode ein Papier beschlossen, das einige theologische und praktische Leitlinien festhält. Der Entwurf für die sogenannte Kundgebung wurde im Plenum zunächst scharf kritisiert, allen voran von den Bischöfen Heinrich Bedford-Strohm und Ralf Meister, die für die Nachfolge von EKD-Ratschef Schneider gehandelt werden. Zu verkopft, zu wenig konkret, zu wenig gesellschaftspolitisch angelegt, hieß es. Gemessen an den harschen Reaktionen wurde der Text nur behutsam überarbeitet, aber er bietet dennoch eine Grundlage für die Diskussionen der kommenden Jahre.

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Dabei wird es vor allem auf das rechte Abwägen zwischen der Begeisterung für die reformatorischen Anliegen und einem nüchternen Blick auf das Geschehene und Erreichte ankommen. Eine der Grundfragen lautet: Verstehen sich die Protestanten als neue Kirche, oder sind sie – mit Altbischof Wolfgang Huber – die katholische Kirche, die durch die Reformation gegangen ist? Diese Frage wird vor allem auf ökumenischer Ebene eine große Rolle spielen und verspricht deutlich mehr Ertrag als die leidige Diskussion, ob 2017 als "Reformationsjubiläum" oder "Reformationsgedenken" anzusehen ist.

Gerade mit Blick auf die damals von Luther heftig befehdete Papstkirche wäre es allerdings zu wenig, nur die katholischen Vorbehalte gegen 2017 mildern zu wollen. Vielmehr gilt es, das Gemeinsame herauszustellen: Ablasswesen, Rechtfertigung, das Verständnis von Freiheit und Gottesbeziehung – nahezu alle reformatorischen Grundfragen gelten heute nicht mehr als kirchentrennend. Luther wollte die Trennung nicht, sie war eine politische und keine theologische Folge der Umstände. Man kann dieses Argument stark machen, ohne die bestehenden Unterschiede (dazu nur ein Stichwort: Priestertum aller Gläubigen) zu verschweigen.

Die Ablassthesen ein "vorreformatorischer Text"

Auslöser der Reformation waren die 95 Thesen gegen den Ablasshandel, die Martin Luther am 31. Oktober 1517 veröffentlichte. Die Bußthesen seien indes ein "vorreformatorischer Text", sagte der Hamburger Propst bei der Einbringung des Synoden-Kundgebungsentwurfs. Eine frappierende Bemerkung. Doch sie schärft den Blick auf den katholischen, den mittelalterlichen Luther: Auch die Frage des Reformatoren nach dem gnädigen Gott beruht ja auf einer Teufelsfurcht, die heute von kaum jemandem mehr verstanden, geschweige denn als Glaubensinhalt betracht wird. Gleichwohl führt die Frage zu den Ängsten und Sorgen des 21. Jahrhunderts.

Was ist nun konkret für 2017 geplant? Es wird einen Kirchentag in Berlin geben, mit einem abschließenden Gottesdienst in Wittenberg. Das Jubiläum soll klein und groß begangen werden, in den Gemeinden, aber auch in der Öffentlichkeit. "Wenn wir es nicht schaffen, die großen Scheinwerfer anzuwerfen, ist es eine vertane Chance", so Synodenchefin Katrin Göring-Eckardt. Der Staat wird sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, eine große Feier zu veranstalten. Ob Angela Merkel dann noch dabei ist, wird sich zeigen. Ihr Sparringspartner des kommenden Jahres, Peer Steinbrück (SPD), schaute vorsorglich schon mal bei der Synode vorbei. Das Wort 2017 kam ihm dabei nicht über die Lippen.