Foto: epd/Norbert Neetz
Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht die EKD-Synode in Timmendorfer Strand. Hinter ihr im roten Blazer Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen).
Merkel auf der Synode: Eine Stunde Kirche statt Koalition
Der Auftritt war kurz, aber herzlich: Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht erstmals eine Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland.
05.11.2012
epd
Thomas Schiller

Nach der Nachtsitzung der Koalition erlebte die Bundeskanzlerin eine entspannte Stunde der Konfession: Am Montagnachmittag besuchte Angela Merkel die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Erstmals in ihrer Amtszeit sprach sie vor dem Kirchenparlament, das in diesem Jahr im Ostseebad Timmendorfer Strand über das 500. Reformationsjubiläum berät. "Eine missionarische Komponente" erhofft sich Merkel von den Feiern, die im Jahr 2017 in Wittenberg und anderswo anstehen - ein Gedanke, der bei den mehr als 120 Synodalen auf Beifall stieß.

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Die Kanzlerin, die in einem protestantischen Pfarrhaus aufgewachsen ist, wies die versammelten Kirchenmänner und -frauen darauf hin, dass sich das Tagungsmotto "Am Anfang war das Wort" nicht nur im Johannes-Evangelium findet, sondern auch von Vaclav Havel aufgegriffen wurde - schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, als noch nicht denkbar war, dass der tschechische Dichter und Bürgerrechtler einmal Präsident seiner Landsleute wird. Bibel und Politik - für die Chefin der Christdemokraten kein Widerspruch. Ebensowenig, dass Staat und Kirche in Deutschland getrennt sind, aber dennoch in vielen Bereichen zusammenarbeiten.

Der Dank für das kirchliche Engagement etwa bei Kindergärten und zum Schutz der Umwelt traf die Erwartungen der Synode ebenso wie ihre Bitte, die Kirchen mögen sich auch weiterhin kritisch zu Wort melden. In guter protestantischer Sitte teilte sie aber auch Kritik aus: Die Wortmächtigkeit, mit der die Vertreter der "Amtskirche" aufträten, vermittele gelegentlich eine Unnahbarkeit.

Eine Stunde Pause von den Alltagssorgen der Koalition

Dabei hätte sie in Timmendorfer Strand trotz der Kürze ihres Besuchs eigentlich einen anderen Eindruck mitnehmen sollen. Zwei Wortmeldungen standen noch an, bevor sie selbst vor dem Plenum zu Wort kam. In der ersten Reihe des Auditoriums hörte sie zunächst einen launigen Vortrag vom Vizepräsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Peter Schmid. Der erinnerte die deutschen Glaubensbrüder daran, dass die Reformation auch eine helvetische Komponente besitze und es neben Martin Luther auch Huldrych Zwingli und Johannes Calvin gegeben habe.

Als Gastgeschenk hatte der Schweizer für Merkel eine CD mitgebracht - die Kanzlerin konnte herzlich darüber lachen: "Ich schau' mal, was drauf ist", sagte sie in Anspielung auf den Steuerdaten-Streit. Und dann durfte ihr noch der jugendliche Synodalvertreter Steve Kennedy Henkel seine drei Thesen zur Entwicklung der Kirche präsentieren - samt eines Animationsfilms über den Reformator Luther.

Ganz traditionell stimmten die Synodalen dann wieder den Reformationschoral "Ein feste Burg ist unser Gott" an, um die Kanzlerin nach ihrer Rede zu verabschieden. Eine Stunde hatte die Kanzlerin bei der EKD verbracht, dann startete ihre Wagenkolonne wieder zum Flughafen Lübeck, und das Kirchenparlament setzte seine Tagesordnung fort. Noch bis Mittwochabend dauern die Beratungen der Synode. Bis dahin plagen die Kanzlerin längst wieder die Alltagssorgen der Koalition.