?erife Özbek-Sa??r mag sich mit Kopftuch. Ja, sie findet sich damit sogar "sehr hübsch". Doch das allein ist nicht der Grund dafür, dass sie ein Kopftuch trägt. Einem religiösen Gebot folgen und dabei auch ästhetische Akzente setzen: Für die junge Muslima ist das kein Widerspruch.
###mehr-links###Gerade mal elf Jahre alt war ?erife, als sie erstmals ein Tuch um ihren Kopf band." Ich ging damals regelmäßig zum Religionsunterricht in die Moschee und erfuhr, dass muslimische Mädchen und Frauen ihr Haar bedecken sollten", berichtet die Tochter türkischer Einwanderer. Als fromme Muslima wollte auch sie sich verhüllen. Inzwischen ist ?erife 27 Jahre alt und hat sich so sehr an das Kopftuch gewöhnt, dass es "ein Teil" von ihr geworden ist.
Eingeschränkt fühlt sich ?erife mit verhülltem Haupt keineswegs. Die junge Frau erzählt davon, dass sie Tennis spielt und auch sonst "alles machen kann", was ihr wichtig ist und wozu sie Lust hat. ?erife ist eine selbstbewusste Muslima, die in Hannover geboren und aufgewachsen ist und Urlaub im europäischen Ausland macht. Sie arbeitet stundenweise als pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke und studiert parallel dazu Pharmazie.
Das Shooting soll Freude bereiten
Sie habe es sich angewöhnt, kritische Kommentare zu überhören und verächtliche Blicke zu ignorieren, sagt ?erife. Mit dem weit verbreiteten negativen Image von Kopftuch tragenden Frauen möchte sie sich aber nicht abfinden. "Wir sind keine armen bemitleidenswerten Wesen." Und deswegen hat ?erife spontan zugesagt, als ihre Schwägerin sie fragte, ob sie nicht bei einem "Shooting" für eine Ausstellung mitmachen wolle. "CultureCommunication" lautet der Titel des Projekts, das der Fotograf Christoph Ehleben und seine Partnerin Julia Kokke initiiert haben.
###mehr-artikel###Der Hannoveraner Künstler, dessen jüngste Ausstellung dem VW-Käfer gewidmet war, richtet nunmehr seine Kamera auf Frauen mit Kopftuch. Seine "Modelle" müssen nicht stillhalten, sie dürfen, ja sollen sich bewegen und kreativ einbringen – "in High Fashion, in Alltagsgarderobe oder auch in Berufskleidung". Nicht der Fotograf bestimmt also die Pose, sondern die Frauen präsentieren sich vor der Kamera so, wie sie sich selbst wahrnehmen und auch von anderen wahrgenommen werden möchten. Fürs "Warming-up" wiederum sorgt Kokke. Sie schafft mit Tee, Gebäck und Gesprächen eine entspannte Atmosphäre im Studio. Denn es soll vom Anfang bis zum Ende, vom Sich-Herrichten bis zum Shooting, allen beteiligten Freude bereiten.
Ehleben beschreibt seine Arbeit als "poetische Annäherung an ein ideologisch überfrachtetes Thema". Als Künstler richte er den Blick vom Allgemeinen auf das Besondere - auf das Individuum. Und deswegen belichtet er für die geplante Ausstellung die Fotos in Schwarz-Weiß. "Farben lenken ab und verfälschen", sagt der 49-Jährige.
Selbstbewusst und lebenslustig
Kopftuchträgerinnen ins rechte Bild rücken: Das ist der Wunsch des Fotografen und auch das seiner Modelle. "Ich konzentriere mich auf die ästhetische Dimension", erklärt Ehleben. Den Frauen wiederum, als Leidtragende des negativen Images, liegt die gesellschaftliche Dimension am Herzen; deswegen machen sie mit bei diesem Kunstprojekt. "Wir wollen zeigen, dass wir selbstbewusst und lebenslustig sind", erklärt ?erife Özbek-Sa??r.
Ay?e kennen sie nämlich nur mit langen schwarzen Haaren. Denn die Tochter türkischer Eltern hat schon vor einigen Jahren - "weil es sich so ergeben hat" – das Kopftuch abgelegt und trägt es nur noch bei religiösen Zeremonien oder wenn sie in die Moschee geht. Die 36-Jährige hat aber sehr viele Freundinnen, die ein Kopftuch tragen und weiß um ihre Probleme in der hiesigen Gesellschaft. Ay?e hat Frauen aus ihrem Umfeld direkt angesprochen und auch in ihrem Programm beim Lokalsender LeineHertz für das Kunstprojekt geworben.
Nicht ohne meine Mutter
Anfangs hatten Ehleben und Kokke keine konkrete Vorstellung davon, wie sich ihr Projekt entwickelt und ob sich Kopftuchträgerinnen überhaupt fotografieren lassen. Mit Kritik bombardiert wurde das Künstlerduo von einigen "Hardcore-Muslimas", die den beiden vorwarfen, dass sie mit der Zurschaustellung von Kopftuch-Frauen das herrschende "Klischee" bestärkten. Doch die positiven Reaktionen überwiegen, und keine zwei Monate nach dem ersten Shootings sind es die "Modelle" selbst, die Werbung machen für "CultureCommunication" - über Mund-zu-Mund-Propaganda und über Soziale Netzwerke. Angefangen hat alles mit Modellen aus Hannover, inzwischen haben sich auch Frauen aus Hamburg und andere Städten zum "Shooting" angemeldet.
Kokke und Ehleben beschreiben ihr Projekt als ein "sinnliches Experiment" und betonen, dass sie offen für Anregungen der Teilnehmerinnen sind. Eine davon kam von der Juristin Selma Öztürk: Sie möchte auch mit ihrer Mutter fotografiert werden. "Die Frauen der ersten Generation sind unsere Trümmerfrauen, sie haben hier viel eingesteckt und hatten nicht die Sprache, sich zur Wehr zu setzen", sagt die 33-jährige Tochter türkischer Arbeitsmigranten.
Seine Bilder möchte Ehleben nicht als Dokumentation "irgendwelcher Statements" verstanden wissen. "Fotografie ist Kunst", sagt Ehleben, "ein Foto wiederum ein Kommunikationsmedium." Über eben dieses Medium haben er und seine Partnerin Kokke "sehr interessante, spannende Menschen kennen gelernt". Bei den Gesprächen im Studio haben sie festgestellt, "dass uns sehr viel verbindet, aber auch, wie erschreckend wenig wir voneinander wissen." Daher wünschen sie sich, dass CultureCommunication Stoff für gute Gespräche bietet wird – nicht aber Zündstoff für hitzige Diskussionen um ein Stück Stoff und über den Islam.