Als sie vor Jahren beim "Wort zum Sonntag“ anfing, gingen die Wellen hoch, weil sie von manchem als zu schön und zu frech für den Bildschirm angesehen wurde. Pfarrer Frank Muchlinsky hat sich mit Mechthild Werner darüber unterhalten, wie die kirchliche Öffentlichkeit und auch die Geistlichen selbst mit dem Thema Schönheit umgehen.
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Liebe Kollegin, ist es eigentlich für uns Geistliche unangenehmer als für andere Menschen, über das eigene Aussehen zu sprechen?
Mechthild Werner: (Lachend) Es ist zumindest auf Pfarrkonventen selten ein Thema. Aber ohne Spaß: Nomen est Omen. Geistliche sind eben keine Körperlichen. Das zeigt bereits das Dilemma.
Würden Sie sagen, dass Protestanten ein generelles Problem mit körperlicher Attraktivität haben?
Werner: Ein Problem, weiß nicht. Wollen Sie damit sagen, es gäbe nur wenige attraktive Pfarrerinnen und Pfarrer? Vielleicht. Denn dieser Beruf gehört ja – glücklicherweise – zu denen, die nicht zunehmend Wert auf Attraktivität legen. Und besonders die Kirche des Wortes war nie die Kirche des Auges. Da beginnen wir erst wieder zu lernen. Denn das Auge hört schließlich mit.
Wie viel Wert legen Sie denn selbst auf die Auswahl Ihrer Garderobe, wenn Sie als Pastorin, aber nicht im Talar auftreten?
Werner: In der Gemeinde tritt man immer als Amtsperson auf. Selbst wenn ich im Pfälzer Dorf zum Einkaufen unterwegs war, hieß es "Ui, die Pfarrerin, in Grün!“. Bei uns Augentieren zählt nun mal der erste Eindruck. Angemessen kleiden heißt, sich nicht verkleiden. Aber wie viel Jeans oder kurzer Rock darf es sein, im Familiengottesdienst oder auf der Straße? Auf die Kanzel schlurfende Birkenstocks sind ein Signal. Kein gutes...
Aber lenkt die Schönheit einer Pastorin nicht vielleicht auch ab von dem, was sie zu sagen hat? Oder ist es vielleicht so, dass man einem attraktiven Menschen lieber zuhört?
Werner: Es stimmt sicher beides. Als ich mit knapp 30 in meine erste Gemeinde kam, sagte mein erster Besucher: "Kind, is dein Papa dehääm?“ Jung sein und halbwegs attraktiv, das ist schon eine gewisse Bürde und Hürde. "Sieht gut aus. Ob die ach redde kann uff de Kanzel?“ Aber letztlich ist es Jammern auf hohem Niveau. Wer ein Hingucker ist, hat erst mal die Blicke auf sich gezogen. Wer allerdings nix zu sagen hat, wird auch kein Hinhörer. ###mehr-artikel###
Gilt das für schöne Männer und Frauen in gleichem Maße?
Werner: Spätestens seit Dornenvögel wissen wir: schöne Männer in Soutane sind gefährlich und gefährdet! Das gilt sicher auch für schöne Frauen im Talar. Selbst diese liturgische Burka macht ja nicht völlig geschlechtslos. Aber eins ist klar: Wenn ich mit Kollegen talarlos gemeinsam auftrete, ob in der Kirche oder vor der Kamera, ist stets mein Outfit Thema. Das Kostüm zu kurz, zu lang oder zu farbig. Der graue Anzug mit braunen Sandalen samt weißen Sportsocken wird dagegen Gottgegeben hingenommen. Sprich: Der Herr Pfarrer darf aussehen wie er will. Wenn auch eine aussterbende Spezies, genießt er schlicht die Attraktivität des Amtsträgers.
Wie gehen Sie damit um, wenn man Ihnen Komplimente wegen Ihrer Schönheit und einmal nicht wegen Ihrer Worte macht?
Werner: Schon im Studium wurde ich ungläubig gefragt: "Du, Theologie?“ mit Blick auf mich und meine roten Robin-Hood-Stiefel. Im Zweiten Examen haben die Prüfer nach Absatzhöhen gefragt. Schönheit bedeutet entdeckte Sinnlichkeit, versteckte Sexualität. Noch immer ein heikles Thema. Nicht nur bei den katholischen Geschwistern. Wer mit seiner Körperlichkeit natürlich umgeht, kann da sicher Signale setzen.
Anfangs war das recht frustrierend, nach einer gefühlten Superpredigt oder einem Wort zum Sonntag zu hören: "Sahst toll aus in dem Kleid!“ Inzwischen nehme ich's gelassen. Beim Hörfunk geht’s oft auch nur um die "ach, so schöne Stimme“. Ich bin ja nun mit 50 in dem Alter, da es heißt "sie ist noch schön.“ In dem "noch“ schwingt mit, es gibt auch andere Qualitäten. Und ich muss mich nicht mehr beweisen. Denn das Gefühl hatte ich schon teilweise: Besser sein zu müssen als andere, die nicht mit dem Vorurteil leben, zu schön, um wahr zu reden.
Es gab ja auch öffentliche Diskussionen über Ihr Aussehen.
Werner: Immer wieder. Die heftigste Debatte gab es, als ich ins Wort zum Sonntag-Team kam. Einige Jahre zuvor hat man mir nach einem Casting zu verstehen gegeben: "Ganz gut, aber Sie sind zu jung und zu wenig mütterlich.“ Dann war ich, unter anderem nach einem Publikumsvoting plötzlich dabei und ging durch die Presse als "die Jüngste, die Schönste.“ Mein Vikarinnen-Job als Model wurde thematisiert. Und nach dem ersten, auch inhaltlich reizenden Auftritt zum Thema Schwangerschaftsabbruch gab’s natürlich noch mehr Schlagzeilen. "Eine Sünde, diese Fernsehpfarrerin.“ Oder "zu schön für den Schirm?“ Dazu noch klare Worte sagen, das war zu viel.
Aber geht’s für uns Geistliche nicht doch hauptsächlich darum, einen schönen Geist zu haben?
Werner: Nein. Die gnostische, griechische Teilung in Körper und Seele feiert ja gerade wieder fröhliche Urständ. Der Köperfitnesskult einerseits und die Klosterwellness kurz vor dem Burnout. Der Glaube des Juden Jesus ist mir da näher, sieht Körper, Geist und Seele als Einheit. Auch die paulinische Rede der "leiblichen Auferstehung“ ist wunderbar sinnlich und noch längst nicht zu Ende gedacht. Auch nicht für unser irdisches Leben.
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Andererseits kann man theologisch korrekt und schön formulieren: "In Gottes Augen sind wir schön! Egal wie wir aussehen." Könnten Pfarrerinnen sich damit nicht zufrieden geben?
Werner: Mit dieser richtigen Aussage lässt sich Manches auch schön lügen. Als sei das Äußerliche eben reine Äußerlichkeit... Ich habe dieses offenbar noch immer exotische Kirchenthema öfter aufgegriffen, auch in Radioandachten oder dem Wort zum Sonntag. Schließlich sind die Medien voller Supermodelschönheitserotikdiskussionen. Nur wir Pfarrers reden öffentlich meist lieber über Schwachheit, Sterben und Tod. Oder lieber noch über Banalitäten.
Ist Schönheit also ein Thema für die Kirchengemeinde?
Werner: Ja, klar! Künftig kommen nur noch schöne Menschen ins Presbyterium! Wir sollten auch mal über die Attraktivität der Gemeindeglieder sprechen! (lacht) Nein, im Ernst: Es ist wesentlich, in Zeiten von Magersüchtigen Konfirmandinnen und Fitnessfixierten Konfirmanden das Thema aufzunehmen, nicht im Stundenplan verordnet, sondern ganz selbstverständlich. Gegen diesen kranken Schönheitswahn, für ein gesundes Körper- und Seelenbewusstsein, für mehr Sinnlichkeit. Das ist ja schon fast eine Predigt. Aber ich denke, da gibt´s noch Einiges mehr zu sagen und zu tun. In manch tristen Gemeindehäusern und trockenen Gottesdiensten.