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Wie schön hätten Sie Ihre Geistlichen gern?
Hand aufs Herz und Schwurfinger in die Luft: Wie hübsch hätten Sie Ihre Pfarrerin gern, und wie attraktiv soll Ihr Pfarrer aussehen? Wenn Ihre erste Reaktion ist, dass es darauf doch gar nicht ankommt, sind Sie sicherlich in guter und großer Gesellschaft. Geistliche sind eben keine Körperlichen, es kommt bei ihnen in besonderem Maße auf die "inneren Werte" an. Geistliche sollen gut zuhören können, einfühlsam sein, sie sollen die frohe Botschaft verkündigen und ihr am besten nicht im Wege stehen. Aber an diesem Punkt beginnt das Problem für uns Pfarrerinnen und Pfarrer.

Wie unterstützen wir das, was wir zu sagen haben, durch unser Auftreten und Aussehen am besten? Wie treten wir so auf, dass unsere Gemeinden sich nach dem Gottesdienst oder dem Seelsorgebesuch nicht über unser Aussehen unterhalten, sondern über die Predigt, respektive das Gespräch? Denn – in der Hoffnung, dass Ihre Hand immer noch auf dem Herzen ruht – egal ist es niemandem, wie wir aussehen und uns kleiden, schließlich sind wir „öffentliche Personen“. Uns wird nicht nur zugehört, wir werden auch angeguckt, und auch wenn "Gott das Herz ansieht", "der Mensch sieht, was vor Augen ist.“ (1Sam 16,7).

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Wie schön sollen wir uns also machen für unsere Gemeinden? Wie sollen wir uns kleiden? Wie viel Make-up verträgt der Gottesdienstbesucher im Gesicht einer Pastorin und wie viele Haare verträgt die Patientin in der Nase ihres Krankenhausseelsorgers? Ein viel beschrittener Ausweg ist die Unauffälligkeit. Der Talar ist ein Beispiel für diese Lösungsidee. Er ist eine Uniform, zeigt also das Amt an, ist gleichzeitig weit und schwarz, man schaut ihn nur kurz an, dann hat das Auge auch schon genug und kann sich anderem zuwenden. Doch eben das tut das Auge auch: Die Pfarrerin hat unpassend hohe Schuhe unter dem Talar an, der Pfarrer hat eine gewagte Frisur. Alles wird wahrgenommen und – bewertet. Wir können uns eben nicht vollständig unauffällig machen, um hinter unseren Worten zu verschwinden. Wenn wir uns aber tatsächlich hübsch machen, laufen wir Gefahr, dass gerade das als Eitelkeit wahrgenommen wird.

Es kommt auf das Herz an, aber das Äußere wärmt

Ich habe mich mit drei verschiedenen Geistlichen unterhalten, die eines gemein haben: Sie legen Wert auf ihr Äußeres. Ich wollte von ihnen wissen, was sie zum Thema Pfarramt und Schönheit zu sagen haben. Mein erster Gesprächspartner ist Thomas Stahlberg. Er ist Auslandspfarrer in Mexiko Stadt. Ich kenne ihn seit 25 Jahren, und immer war er ausgesprochen gut gekleidet. Von ihm möchte ich wissen, was für einen Eindruck ein gut gekleideter Pfarrer auf seine Gemeinde macht und ob nicht allzu gutes Aussehen unserer Botschaft im Wege steht. "Nein,“ bemerkt Stahlberg, "es ist eine Frage des Anlasses, wie man sich kleidet. Neulich war ich zu einem Empfang im Goethe-Institut eingeladen. Da war ein eleganter Anzug absolut angemessen. Und ich mag elegante Anzüge. Allerdings: Wenn ein Pfarrer sich im Alltagsleben zu teuer anzieht, wird darüber geredet.“ Seiner Meinung nach sind Geistliche noch immer eher zu schlecht als zu gut angezogen, auch wenn sich das derzeit verändere. Ist gutes Aussehen also eher eine Hilfe im Pfarrberuf? Stahlberg: "Jesaja schreibt, dass der Mensch zuerst aufblüht wie eine Blume und dann wieder verwelkt. Aber er blüht eben auch auf – das soll man sehen dürfen. Als David von Samuel zum König über Israel gesalbt wird, sagt Samuel: Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an. Das hebt auf die inneren Werte ab. Aber trotzdem wird später betont, dass David schön ist: Es heißt, er war von guter Gestalt, hatte bräunliche Haut und schöne Augen. Also: Es kommt natürlich auf das Herz an, aber das Äußere wärmt und bringt auch Inneres zum Ausdruck. Die implizite Botschaft eines schönen Pastors ist: Ich mache mich schön auch für euch und würdige euch damit auch. So wird eine Kultur etabliert, die allen Spaß macht.“

Die Haltung macht den Unterschied

Woran aber kann ich als Pfarrer merken, ob ich mich tatsächlich angemessen kleide? Ich spreche mit Annegrethe Stoltenberg. Sie ist Landespastorin, also Chefin der Diakonie in Hamburg. Ihrem Amt entsprechend tritt sie häufig öffentlich auf. Dabei bevorzugt sie oft Kleidung in starken, auffälligen Farben. Darauf angesprochen betont sie: "Unauffälligkeit hilft da nicht weiter. Ich nehme immer wahr, wie sich andere kleiden, und ein ungepflegtes Äußeres wird mindestens so wahrgenommen wie gepflegtes. Ich achte also auf ein auffallend gepflegtes Äußeres, weil ich durch meine Erscheinung keine Debatte auslösen will. Es geht mir darum, mich angemessen anzuziehen.“ Und was sind die Kriterien für eine angemessene Kleidung für eine Pastorin, die Wert auf ein auffallend gepflegtes Äußeres legt? Stoltenberg: "Vor allem muss es sowohl der Situation wie auch mir persönlich angemessen sein. Ich selbst zum Beispiel liebe einfach Farben. Aber den eigentlichen Unterschied macht die eigene Haltung aus. Man merkt Menschen recht schnell an, welche Botschaft sie durch ihre Kleidung transportieren wollen. Entweder sie wollen sich selbst und ihre Wirkung durch ihr Auftreten verstärken, oder sie wollen ihrer Botschaft dienen. Eine Pastorin mit einem guten und gepflegten Aussehen kann die Botschaft vermitteln: Ich bin bereit mich um dich zu kümmern, wie ich mich auch um mich selbst kümmere. Das ist, was ich ausdrücken will, weil es meiner Haltung entspricht. Oder aber sie sagt dadurch: Ich bin mir selbst am wichtigsten. Die innere Haltung bricht sich Bahn, und wir erkennen durch die Art, wie sich Menschen – eben auch Pastoren – in ihrer schönen Kleidung geben, worum es ihnen geht. Es gibt eben auch diejenigen, die möchten mit ihrem Auftreten so etwas vermitteln wie: Ich könnte dein verständnisvoller Liebhaber oder Schwiegersohn sein.“

Hab Freude an dir selbst – auch an deiner Wirkung!

Diese Botschaft wollen wir Geistlichen aber doch gewiss nicht senden. Oder doch? Geht es uns einzig um das Evangelium, oder schlummert in jedem Geistlichen auch ein Selbstdarsteller? Ich wende mich an Thomas Hirsch-Hüffell. Er arbeitet im Gottesdienstinstitut der Nordkirche und kleidet sich gern in legere Eleganz. Außerdem bringt er angehenden Geistlichen bei, wie sie sich in ihren Talaren bewegen können und sollten. Hirsch-Hüffell ist sich sicher: "Wer Pfarrer wird, will predigen und auftreten. Man muss aber auch zugeben, dass man öffentlich sein will. Dann kann diese öffentliche Frömmigkeit zum Treibsatz für die eigene Verkündigung werden. Es wird vor allem dann schwierig, wenn die Freude an der eigenen Darstellung fehlt oder nicht zugegeben wird. Denn eine bestimmte Aura führt auch dazu, dass bestimmte Leute kommen. Wer wird heutzutage Pastor? Wer ist interessiert daran, vor 30 Damen und ein paar Konfirmanden aufzutreten? Die Kirche hat eine begrenzte und abnehmende Wirkung. Das zieht Leute an, die weniger am Glanz interessiert sind. Solchen angehenden Pastoren sage ich: "Hab Freude an dir selber – auch an deiner Wirkung.“ Ohne Freude an uns selbst ist auch die Botschaft nur halb.“

###mehr-info### Nach Hirsch-Hüffell steckt im Doppelgebot der Liebe ("Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, 3.Mo 19,18 bzw. Mt 22,39 und öfter) auch die Aufforderung an jeden, die Gabe der eigenen Schönheit anzunehmen und mit ihr umgehen zu lernen. Wie jede Gabe Gottes ist sie uns geliehen und steht uns nicht zu. Das kann zu einer angemessen bescheidenen Haltung führen. Wenn man sich allerdings der eigenen Wirkung bewusst ist, kann man sie auch verbessern, theologisch gesprochen kann man die eigene Schönheit läutern, sie rein machen von Eitelkeit und gerade für die Verkündigung des Evangeliums einsetzen. Hirsch-Hüffell: "Nicht zuletzt muss sich jeder darüber im Klaren sein, dass er so oder so wirkt. Ungepflegtheit fällt ebenso auf wie Uneinheitlichkeit in der Kleidung.“

###mehr-artikel###Nehmen Sie die Hand gern wieder vom Herzen und lassen Sie die Schwurfinger sinken. Wir Geistlichen werden und mehr uns mehr bewusst, dass wir angeschaut werden, und wir lernen, mit dieser Erkenntnis umzugehen. Sie können sicher sein, dass es uns auch weiterhin darum gehen wird, die Frohe Botschaft zu verkündigen, die ja unter anderem auch lautet: "Ich danke dir(Gott) dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele.“ (Ps 139,14)