Am Reformationstag hat die evangelische Kirche zu mehr sozialer Gerechtigkeit aufgerufen. Christen sollten sich dafür aktiv in der Welt engagieren, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, am Mittwoch in einem Festgottesdienst in Leipzig. Gerade in Krisenzeiten dürfe man sich das Vertrauen nicht durch "Negativprognosen zerstören lassen".
###mehr-links###
Schneider erinnerte an die zentrale Botschaft Martin Luthers (1483-1546) von der Gnade Gottes. Diese befreie "Menschen zu allen Zeiten von Leistungsdruck und Größenwahn", sagte Schneider in der Thomaskirche. Mit dem Festgottesdienst in Leipzig wurde zugleich die Jubiläumswoche zum 800-jährigen Bestehen der Thomaskirche eröffnet.
Bischof Fischer: Reformationstag ist kein Fest "gegen andere"
Luther-Botschafterin Margot Käßmann sagte in einem Gottesdienst zum Reformationstag in Hamburg: "Gebete können Menschen verändern und auch die Welt - 1989 haben wir das in Deutschland selbst erlebt." Beten sei "der einfachste Zugang zu gelebter Frömmigkeit" und damit "das Herzstück christlicher Spiritualität". Auch Luther habe das Gebet geschätzt und daraus oft mehr gelernt, als er "aus viel Lesen und Nachsinnen hätte kriegen können".
Reformationsbotschafterin Margot Käßmann sagte beim Gottesdienst in Worms, häufig werde der evangelischen Kirche vorgehalten, ihre Haltung sei vor allem in ethischen Fragen nicht eindeutig genug. Doch sei gerade dies die Stärke des reformatorischen Glaubens. Es gebe eben kein Dogma, was der einzelne evangelische Christ zu glauben habe. "Das einzelne Gewissen soll geschärft werden", sagte Käßmann laut Redemanuskript: "Ich soll selbst denken." Dazu gehöre auch, verschiedene Positionen und Streit um die Wahrheit auszuhalten: "Das ist Bestandteil evangelischer Lehre." Zuvor hatte sie bei einem Gottesdienst in Hamburg daran erinnert, dass Luther das Gebet geschätzt habe: Beten sei "der einfachste Zugang zu gelebter Frömmigkeit" und damit "das Herzstück christlicher Spiritualität".
In Wittenberg warb der badische Landesbischof Ulrich Fischer für die Ökumene. In einem Gottesdienst in der Schlosskirche sagte er, das Gedenken an den Thesenanschlag Luthers im Jahr 1517 an die Türen des Gotteshauses sei kein Fest "gegen andere". Mit der vor fast 500 Jahren von Wittenberg ausgehenden Botschaft der individuellen Freiheit rüsteten sich die Protestanten nicht gegen Menschen anderen Glaubens. Beim Reformationsfest der Stadt verzeichnete der Verein WittenbergKultur mehr als 30.000 Besucher.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte die Kirchen auf, Impulse für mehr Toleranz im Zusammenleben der Religionen zu geben. "Nur zu akzeptieren, was nicht geändert werden kann, ist kein Akt der Toleranz", sagte Friedrich dem Evangelischen Pressedienst. Wirkliche Toleranz auch im christlichen Sinn bedeute eine aktive Haltung: "Den anderen verstehen wollen, sich um ihn bemühen."
Martin-Luther-Medaille für Helmuth Rilling
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) würdigte die Reformation als historisches Ereignis. Die Idee, den Reformationstag im Jahr 2017 zum 500. Jahrestag des legendären Thesenanschlags durch Martin Luther zu einem bundesweiten Feiertag zu machen, halte er "zumindest für prüfenswert", sagte Henkel dem epd. "Martin Luther und die Reformation haben auch für mich als Katholiken eine Bedeutung", fügte er hinzu. Als katholischer Christ verbinde er mit der Reformation die Bedeutung, dass sich die Christenheit immer wieder neu auf Jesus Christus besinne.
Übergabe der Martin-Luther-Medaille der EKD an den Kirchenmusiker Helmuth Rilling. Foto: epd-bild / Andreas Pöge
Mit dem Festgottesdienst in Leipzig wurde zugleich die Jubiläumswoche zum 800-jährigen Bestehen der Thomaskirche eröffnet. Auch wurde auch die Martin-Luther-Medaille der EKD an den Stuttgarter Kirchenmusiker Helmuth Rilling (79) verliehen. Der Dirigent ist weltweit als Interpret des Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750) bekannt. Das Jubiläum ist ein Höhepunkt der Lutherdekade, die in diesem Jahr dem Schwerpunkt "Reformation und Musik" gewidmet war.
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber, unterstrich das ökumenische Miteinander der verschiedenen Kirchen. "Was wir zusammen tun können, tun wir zusammen, was wir nicht gemeinsam tun, haben wir zu begründen", sagte Weber in einem Festgottesdienst im Kaiserdom Königslutter bei Braunschweig. Durch die Reformation im 16. Jahrhundert habe sich die Kirche lediglich ausdifferenziert, ähnlich wie eine Familie, die sich auseinanderlebe.
Eröffnung des Themenjahrs "Reformation und Toleranz"
Der christliche Glaube ist nach Ansicht des Schleswiger Bischofs Gerhard Ulrich keine reine Privatsache, sondern beruft die Menschen zum gesellschaftlichen Einsatz gegen soziale Missstände, Fremdenhass und Ungerechtigkeiten. Christen würden nicht ihre Augen verschließen etwa vor Werftenkrise und Arbeitslosigkeit, die die Menschen insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern ängstigten, sagte der evangelische Theologe in Rostock.
###mehr-artikel###
In Worms soll am Mittwochabend das neue Themenjahr "Reformation und Toleranz" der Lutherdekade eröffnet werden. Damit ist zugleich Halbzeit der Dekade, mit der die evangelischen Kirchen sowie Bund, Länder und Gemeinden das Reformationsjubiläum 2017 vorbereiten.
In der Lutherdekade, die 2008 in Wittenberg startete, steht jedes Jahr ein anderes Thema im Mittelpunkt. Im Jahr 2017 jährt sich der legendäre Thesenanschlag Luthers an die Wittenberger Schlosskirche zum 500. Mal. Das Ereignis gilt das Ausgangspunkt der Reformation, aus der die evangelischen Kirchen hervorgegangen sind.
Am Reformationstag wurden zudem rund 100.000 vor allem junge Gäste zu ChurchNight-Aktionen und Luther-Partys erwartet. Damit setzt die evangelische Kirche einen Kontrast zu den verbreiteten Halloween-Events.