Die Uefa, der Fußball und die Macht
Kontrolle, Monopol, Privilegien: Während der EM in Polen und der Ukraine greift der europäische Fußballverband Uefa tief in die Souveränität der Veranstalterstaaten ein - und behält am Ende das meiste Geld für sich.

Marcin Herra, Hauptbeauftragter des polnischen Sportministeriums für die Fußball-EM, lächelte die polnischen und ausländischen Journalisten im Warschauer "Host Country Media Center" stolz an. Seine Hand zeigt auf die Leinwand der Overhead-Projektion mit den Zahlen – 92 Prozent der ausländischen Fans würden Polen als Reiseland empfehlen, 81 Prozent kämen wieder, so eine unabhängige Untersuchung.

Die Zuversicht kann Polen, zusammen mit der Ukraine Gastgeberland der gerade laufenden EURO 2012, gut gebrauchen. Beide Länder investierten für das Turnier rund 30 Milliarden Euro, davon sollen knapp 20 Milliarden auf das wirtschaftlich gesündere Polen entfallen.

Polen steht vor hartem Sparkurs

In Polen zeigen sich nun neben dem Rausch um das runde Leder, erste Symptome eines Katers. Und dies ist nicht allein dem frühzeitigen Ausscheiden der heimischen elf geschuldet. So erreichten die Verschuldung der drei Austragungsorte Posen, Breslau und Danzig Dank der Investitionskosten über zwei Drittel der Einnahme der Städte. Den Bewohnern, die sich nun an neuen Flughäfen, Bahnhöfen und Stadien erfreuen können, droht ein harter Sparkurs.

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Diktiert wurden Art und Umfang der Investitionen und somit die Ausgaben von der Uefa, der "Vereinigung Europäischer Fußballverbände" mit Sitz im Schweizer Städtchen Nyon. Der Mitorganisator der EM, als eingetragener Verein organisiert, und auf dem Papier als "non-profit" ausgewiesen, hat viel zu sagen. Er bestimmt unter den Bewerbern das Austragungsland oder die Austragungsländer, nimmt während der Spiele Stadien und Fanzonen in Besitz, beschneidet die Souveränität des entsprechenden Staates, lässt diesen die Uefa-Urheberrechte überwachen und behält am Schluss das meiste Geld für sich.

Auf etwa 2,5 Milliarden Euro werden die Uefa-Einnahmen in Polen gerechnet, davon zahlt die Uefa allein Verbrauchs- und Umsatzsteuern sowie den Zoll. Mit der damaligen Regierung unter Jaroslaw Kaczynski konnte die Fußball-Organisation einen für sie weitaus günstigeren Vertrag aushandeln als vor vier Jahren mit der Schweiz und Österreich. Dort beglich die Organisation noch die Einkommenssteuern aller Teilnehmer an den Spielen. Warum das so ist, darüber lässt sich spekulieren. Sicher ist, dass Michel Platini, der der Uefa seit 2007 vorsteht, den Verband noch stärker auf Vermarktung ausrichtet, ebenso wie derzeit die FIFA unter Sepp Blattner, die bei der WM 2014 in Brasilien gar keine Steuern zahlen wird.

Der Vertrag regiere und nicht mehr die Gesetze, kritisierte die polnische Jura-Professorin Ewa Letowska jüngst diese Praxis. Etwa 30 Garantien mussten die Vertreter Polens unterschreiben. Viele behandeln die Alleinansprüche des Verbands.

Marktwirtschaft wird ausgeschaltet

In  seiner Einflusssphäre - Stadion und Fanzone - schaltet die Uefa die Marktwirtschaft aus und tritt als Monopolist auf, der die Rechte der Sponsoren und ihrer Marken vertritt. Dem Austragungsland wird die Rolle zugewiesen, jegliche Konkurrenz auszuklammern und das Uefa-Monopol zu schützen. Dies bedeutet auch Polizeikontrollen in Läden, die Uefa-Artikel verkaufen, sowie in Kneipen, die für die Übertragung zwischen umgerechnet 35 bis 65 Euro pro Match als Lizenz an den Fußball-Verband abgeben müssen.

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In der Ukraine ist die Regelung noch strikter, dort darf beispielsweise während der Austragung gar keine Werbung gezeigt werden, die in irgendeiner Weise Fußball assoziiert, wenn keine Abgaben an die Uefa gezahlt wurden. In Kiew ist zudem ein ganzer Terminal nur für Uefa-Flugzeuge frei gehalten. In den polnischen Austragungsstädten gibt es zumindest einen Extra-Bustreifen, der den Uefa-Mitgliedern den Weg vom Flughafen zum Stadion reserviert. Der Kontrollwille der Uefa betrifft neben dem Ausblenden ungünstiger Fernsehbilder auch die freie Meinungsäußerung im Kleinen - Volontären, die entgeltlos für einen reibungslosen Ablauf rund um den Fußball sorgen, ist es verboten, mit Journalisten zu sprechen.

Diese Strenge des Kontinentalfußballverbands machte schon im Vorfeld so von sich reden, dass die Nationalkatholiken der auflagestarken "Gazeta Polska Codziennie" befürchteten, die Uefa könne das Tragen des Kreuzes in ihrem Einflussgebiet verbieten; schließlich gehört die römisch-katholische Kirche nicht zum Kreise der Sponsoren.

Wer jedoch im Stadion ein T-Shirt mit dem Emblem einer anderen Bier-Marke zeigt, als die der bekannten dänischen Brauerei, die der Uefa seit 1988 die Treue hält, muss mit einem Prozess rechnen. Auch Nicklas Bendtner, der Stürmer der dänischen Nationalmannschaft konnte nicht auf den Humor der Uefa-Juristen bauen. Falls er mit seiner Berufung nicht durch kommt, muss er 100.000 Euro Strafe zahlen – nach seinem Torschuss gegen Portugal hatte er das Oberteil seiner Unterhose gezeigt und dabei den Namen einer irischen Wettfirma entblößt.

Mit seinem Abstrafen von Fußball-Nationalmannschaften erscheint der Verband wie ein allmächtiges Gerichtswesen, das übrigens nach Schweizer Recht der eigenen Strafbarkeit unterliegt. Somit blieben Korruptions- und Dopingskandale bislang folgenlos.

1954 in der Schweiz gegründet

Angefangen hatte die Uefa, die formal dem Weltfußballverband FIFA unterstellt ist, im kleinen Maßstab –  am 15. Juni 1954 wurde sie in Basel von Fußballfunktionären unter dem Eindruck der gerade anlaufenden Weltmeisterschaft gegründet. Dem europäischen Fußball sollte mehr Gewicht zu verliehen werden. Als damalige wie heutige Maxime gelten "Einheit und Solidarität innerhalb der europäischen Fußballfamilie".

Der Verband ist in der Tat bestrebt, die EM als ein Fußballfest erscheinen zu lassen, an dem alle teilnehmen können. So sponsert sie die Initiative "CAFE" (Centre for Access to Football in Europe, Zentrum für Zugang zu Fußball in Europe), dass Behinderten das Fußball-Erleben im Stadion ermöglicht. Dank Gelder der Uefa wird sich vielleicht nach der EM die Audiodiskription, die Beschreibung des Spielgeschehens von professionellen Sprechern für Sehbehinderte durchsetzen. Die Initiative "Respect Inclusion" setzt sich wiederum gegen Rassismus und die Diskriminierung Homosexeller ein.

Dennoch gibt es innerhalb der Fußballfans im Stadion sehr wohl "Unterscheidungen", die sich nicht allein auf den Sitzplatz beziehen. Wenn auch nach eigenen Angaben nur "mehr als 340 Menschen" für die Uefa arbeiten, so ist die "Uefa-Family", die Gruppe der Begünstigten, weitaus umfangreicher. Etwa 27.000 Karten, das sind vier Prozent, hat sich dieser Kreis (Spieler-Umfeld, Sponsoren und Funktionäre) reserviert. 

Kliniken: Vorzugsbehandlung für Uefa-Patienten

Zwar lobt die Uefa auf ihrer Webseite den Standard des Sanitätsdienstes in Stadien, der für Spieler und Zuschauer vom medizinischen Standpunkt aus "eine hochklassige EURO" garantiere, so der Vorsitzende der Medizinischen Kommission der Uefa, Michel D'Hooghe. Bei gesundheitlichen Schwierigkeiten, die nicht ambulant zu behandeln sind, teilen sich jedoch die Wege zwischen Masse und Begünstigten. Letztere werden in besondere Krankenhäuser mit Uefa-Vertrag transportiert. Diese müssen eine nicht genannte Anzahl von Betten und englischsprachige Spezialisten frei halten und einen Uefa-Begünstigten sofort behandeln.

Für diesen Standby-Service zahlt der Fußballverband jedoch nichts, sondern allein für die tatsächliche Behandlung. Darauf haben sich glücklicherweise nur private Spitäler eingelassen, die sich eine Werbewirksamkeit versprechen. Dennoch kommt zum Beispiel in Warschau, wo sich ein Viertelfinale und ein Halbfinale abspielen wird, ein "Uefa-Patient" bei einem Notfall in das gut ausgestattete, staatliche Militärkrankenhaus, während der normale Fan ins Brodnowski-Spital muss, das zwar über zehn Operationssäle verfügt, aufgrund einer juristischen Spitzfindigkeit jedoch keine Etat- und Personal-Aufstockung für die EM-Zeit von der Stadt Warschau bekam.

Bleibt zu hoffen, dass eine Zweiklassen-Notfall-Situation nicht eintritt. Die Massen der Fans werden übrigens in vier Jahren größer sein. Bei der EM 2016 in Frankreich sind 24 teilnehmende Mannschaften statt bisher 16 vorgesehen, dies bedeutet mehr Übertragungszeiten, mehr Zuschauer, mehr Sponsoren und mehr Umsatz. Und hoffentlich auch einen soliden medizinischen Notfallplan.