Foto: IOC/Wikipedia
Der Karlsruher Torjäger Gottfried Fuchs (im Bild der Dritte von links) mit der deutschen Fußballnationalmannschaft am 1. Juli 1912 vor der Olympia-Partie gegen Russland, die Fuchs und seine Mitspieler haushoch gewannen.
Endstand 16:0 für Deutschland – vor 100 Jahren
1912 erzielte die deutsche Elf gegen Russland das höchste Ergebnis ihrer Geschichte - allein zehn Tore gingen auf das Konto des heute fast vergessenen Spielers Gottfried Fuchs.

"Gerd Müller", antwortet wohl jeder Fan auf die Frage nach dem Rekordtorschützen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Einerseits stimmt das: Der kleine, runde Münchner müllerte stolze 68 Mal den Ball in des Gegners Netz, ein gewisser Gottfried Fuchs erzielte dagegen in seiner gesamten Laufbahn "nur" 13 Tore mit dem Adler auf der Brust.

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Andererseits: Zehn Tore in einem einzigen Spiel, das gelang Gerd Müller nie. Diese zweistellige Leistung vollbrachte nur einer, nämlich Gottfried Fuchs – vor genau 100 Jahren bei den Olympischen Spielen in Stockholm beim 16:0 gegen Russland am 1. Juli 1912. Der bis heute höchste Sieg einer deutschen Mannschaft war zugleich die höchste Trefferzahl, die je ein deutscher Spieler in einem Spiel schoss.

Der unerwünschte Jude wurde aus dem Gedächtnis getilgt

Fuchs gilt als einer der besten Spieler seiner Zeit. 1910 hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass sein Karlsruher FV Deutscher Meister wurde. Er war das Idol einer ganzen Generation, mithin auch von Nationaltrainer Sepp Herberger, als der noch ein kleiner Junge war. Dennoch ist Fuchs heute nur noch wenigen Fußballhistorikern ein Begriff.

Gottfried Fuchs. Foto: Wikipedia

Das liegt vor allem daran, dass Gottfried Fuchs Jude war. Deshalb wurde sein Name auf Bestreben der Nazis aus den Fußballannalen gestrichen. Im Kicker-Jahrbuch von 1941 liest sich das folgendermaßen: "Der Halblinke ließ wieder das Feuerwerk seiner Schießkunst steigen."

Gemeint war in diesem Falle Julius Hirsch, der kongeniale Sturmpartner von Fuchs im Verein und beim DFB. Die Leistungen der beiden Männer jüdischen Glaubens ließen sich nicht eliminieren, ihre Namen indes schon. Fuchs emigrierte 1937 nach Kanada, Hirsch blieb in Karlsruhe, wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich dort ermordet.

Herberger allerdings hat sein Jugendidol Gottfried Fuchs auch Jahrzehnte nach dessen großer Zeit nicht vergessen. Im Jahr 1955 schickt der Weltmeistertrainer eine Postkarte vom ersten Nachkriegsländerspiel gegen die UdSSR an Godfrey E. Fochs - so nennt sich Fuchs zu dieser Zeit in Kanada - mit den Autogrammen der Weltmeister. "Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mich Ihr natürlicher und herzlicher Brief gefreut hat", antwortet Fuchs. Seitdem verbindet die beiden Männer eine Brieffreundschaft.

Abfuhr vom DFB

1972 soll das Münchner Olympiastadion mit einem Spiel gegen die Sowjetunion eingeweiht werden. Sepp Herberger - längst selbst zur Legende avanciert - will den DFB dafür gewinnen, Gottfried Fuchs als Ehrengast zu dem Spiel einzufliegen. Das könne "als ein Versuch der Wiedergutmachung willfahrenen Unrechtes sicherlich nicht nur im Kreis der Fußballer und Sportler, sondern überall in Deutschland ein gutes Echo finden", begründet Herberger sein Anliegen.

Doch 27 Jahre nach Ende des braunen Staatsterrors antwortet der DFB knapp, es bestehe "keine Neigung, im Sinne Ihres Vorschlages zu verfahren". Das Präsidium sei der Ansicht, "dass ein Präzedenzfall geschaffen würde, der auch für die Zukunft noch erhebliche Belastungen mit sich bringen könnte". Im Klartext: Schwamm drüber, lasst uns die Vergangenheit vergessen. Wen wundert's: Mehrere Präsidiumsmitglieder dieser Zeit haben eine NSDAP- oder gar SS-Vergangenheit.

Mit solch einer niederschmetternden Antwort scheint Sepp Herberger nicht gerechnet zu haben, denn er informiert Gottfried Fuchs bereits vor der Anfrage an die Sportfunktionäre von seinem Plan und bittet ihn, sich den Termin der Stadioneinweihung in München freizuhalten. Wie durch einen Wink des Schicksals bleibt es Fuchs immerhin erspart, die eiskalte Absage des DFB-Präsidiums lesen zu müssen: Vier Wochen bevor ihn Herbergers Brief erreichen kann, stirbt er in seiner neuen Heimat an einem Herzinfarkt.

Unerreichbarer Rekord

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Der Rekord von Gottfried Fuchs aber steht wohl für die Ewigkeit. Zehn Tore in einem Länderspiel, das macht ihm vermutlich nie jemand nach. Bedrohter ist da schon Gerd Müllers Torrekord: Nur noch fünf Treffer hinter den 68 Länderspieltoren des einstigen "Bombers der Nation" lauert Miroslav Klose. Kürzlich erst hat der 34-jährige in einem Interview betont, sich noch lange nicht zur Ruhe setzen zu wollen: "Die WM in Brasilien ist durchaus ein fernes Ziel von mir."

Aber die Rekordtorquote von Gottfried Fuchs wird selbst Klose nicht mehr knacken können: 2,17 Tore schoss der im statistischen Durchschnitt pro Länderspiel. Dagegen ist Gerd Müllers Quote von 1,09 eher bescheiden - und Fuchs bleibt der größte unbekannte Star des deutschen Fußballs.