Foto: Diakonie Katastrophenhilfe
Wegen der Dürre wird es immer schwieriger, im Niger Wasser oder etwas zu Essen zu finden.
Hunger im Sahel: "Das Schlimmste verhindern"
In der afrikanischen Sahelzone sind 18 Millionen Menschen von Hunger bedroht. Eine lang andauernde Dürre raubt den Bewohnern des Niger, des Tschad und Burkina Fasos die Nahrungsgrundlagen, dazu kommt eine Heuschreckenplage. Flüchtlingsströme aus Nachbarländern, vor allem aus Mali, verschärfen das Problem. Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni startet die Diakonie Katastrophenhilfe eine Kampagne für den Westsahel unter dem Motto "Die größte Katastrophe ist das Vergessen".
20.06.2012
evangelisch.de, dpa

Zwischen der Sahara und dem nördlichen Rand des afrikanischen Regenwaldes liegt die Sahelzone. Hier ist das Klima besonders trocken. In sieben Jahren wird das Gebiet schon zum dritten Mal von einer Hungerkatastrophe bedroht. Ausbleibender Regen, schlechte Ernten und ein Ausfall von 2,5 Millionen Tonnen Nahrungsproduktion sind Ursachen für die schlimme Lage der Bevölkerung. "Wir stehen vor einer wirklichen menschlichen Tragödie", sagte die für Katastrophenhilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa.

Niger: Familien verlassen ihre Dörfer

Im Niger beginnen die Menschen, vor dem Hunger zu fliehen. An einer Hauptstraße am Rande von Niamey, der Hauptstadt des Niger, haben sich mehr als 200 Familien niedergelassen. Auch Hama Harouna gehört dazu. Wegen der anhaltenden Dürre hatte der 36-Jährige - wie die meisten anderen - vor einem halben Jahr mit seiner Frau und sechs Kindern sein Dorf verlassen.

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"Wegen der Trockenheit ist das Getreide auf den Feldern vertrocknet. Wir konnten nichts mehr ernten", sagt Harouna, der als Kleinbauer auf die Ernte angewiesen war. Als die letzten Vorräte zu Ende gegangen waren, zog die Familie los. Nun leben sie in Hütten aus Ästen und Stoff. Die Kinder können nicht mehr zur Schule gehen. Die Männer leben vom Verkauf von Trinkwasser, die Frauen versuchen mit Hausarbeit etwas Geld zu verdienen.

Burkina Faso: Tuareg flüchten vor dem Chaos

Auch Mustaph Ag Mohammed ist ein Flüchtling. Er stammt aus dem Mali, ist Bürgermeister eines Dorfes - und hat gleich alle Bewohner mitgenommen. Sie sind vor den Kämpfen in dem westafrikanischen Land geflohen und leben nun in Burkina Faso, wo die Zahl der Flüchtlinge in drei Monaten auf über 60.000 angewachsen ist. Mustaph ag Muhammed lobt die große Hilfsbereitschaft von Regierung und Bevölkerung in Burkina Faso. Doch im Norden des Landes ist wegen der extremen Dürre die Versorgungslage ohnehin gefährdet.

Sie seien von Armee und Milizen unterdrückt worden, berichtet Mustaph Ag Mohammed. Junge Männer seien verschleppt worden. In Mali herrschen nach einem Militärputsch, dem Vormarsch der Tuareg-Rebellen, der Spaltung des Landes und Kämpfen zwischen Rebellen und islamistischen Gruppen zum Teil chaotische Verhältnisse. "Wir haben uns nicht mehr sicher gefühlt und hatten Angst um unser Leben", erläutert der Bürgermeister. Er distanziert sich ausdrücklich von den Tuareg-Rebellen. "Wir sind friedliche Tuareg und wollen keinen Konflikt."

Tschad: Die Menschen kochen Brei aus Blättern

Im Tschad haben sich die Frauen aus dem Dorf Katambargui mit Hacken und Körben aufgemacht. Sie suchen den Boden in der Umgebung des Dorfes ab. Wenn sie einen Ameisenbau entdecken, hacken sie die Erde auf und plündern die Vorratskammern. Die Samen, die die Tiere gesammelt haben, werden zu Mehl gemahlen. Die Ausbeute ist nicht groß. Oft dauert es über einen Tag, bis sie etwas finden. Die Menschen ernähren sich inzwischen auch von Brei, den sie aus Blättern kochen, oder von Heuschrecken.

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Heuschrecken gibt es zurzeit mehr als genug: Schwärme aus Ägypten und Syrien haben die Region erreicht. Wegen der jüngsten Konflikte in den arabischen Ländern wurden die Heuschrecken dort nicht wie bisher bekämpft. "Wir sind durch einen Heuschrecken-Sturm gefahren", berichtet Simon Herten, Leiter des regionalen Büros der Diakonie Katastrophenhilfe im Westsahel, aus dem Tschad. Die Tiere kämen in unglaublichen Massen und hätten schon Gemüsebeete vernichtet.

Die Weltgemeinschaft gibt 940 Millionen Euro

Um den Hunger leidenden Menschen in der Sahelzone zu helfen, haben die EU und andere reiche Staaten am Montag rund 940 Millionen Euro versprochen. Die EU-Kommission erhöhte ihren Beitrag zur internationalen Hilfsaktion um 40 auf 337 Millionen Euro. Die 940 Millionen Euro werden zudem von den EU-Staaten sowie anderen Ländern wie Norwegen, Japan, Australien und den USA aufgebracht. Benötigt werden insgesamt etwa 1,3 Milliarden Euro.

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Die Hilfsorganisationen Save the Children, Oxfam, World Vision und Action Contre la Faim mahnten zur Eile bei der Hungerhilfe. "Die Familien brauchen dringend Hilfe, und die Geldgeber reagieren viel zu langsam", erklärte die Chefin von Save the Children, Jasmine Whitbread. Marius Wanders von World Vision wies darauf hin, dass Dürre in Afrika südlich der Sahara keine Seltenheit mehr sei: Nötig seien langfristige Investitionen in eine bessere wirtschaftliche Entwicklung.

Nothilfe und langfristige Projekte werden verknüpft

Die Diakonie Katastrophenhilfe liefert im Rahmen ihrer Nothilfe vor allem Saatgut und Nahrungsmittel, damit die Menschen die Zeit bis zur nächsten Ernte überbrücken können. Außerdem versorgt sie mangelernährte Kinder, die oft auch unter Malaria oder Durchfallerkrankungen leiden, mit Nährstoffen und Vitaminen. Die akute Nothilfe hat auch zum Ziel, dass die Erfolge der langfristigen Arbeit von Brot für die Welt, der Schwesterorganisation der Diakonie Katastrophenhilfe, nicht gefährdet werden. Die Verknüpfung von langfristiger Hilfe und Nothilfe gehört zur Sahelstrategie beider Organisationen.

"Uns geht es darum, durch rechtzeitiges Eingreifen den Menschen großes Leid zu ersparen. Unsere Vorsorge soll den Menschen ermöglichen, weiterhin selbstständig in ihrer Heimat leben zu können", betont Martin Kessler, der Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe. "Noch haben wir die Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern."