Foto: dpa/Abir Sultan
Einwanderungspolizisten in Tel Aviv fragen eine Afrikanerin nach ihrem Ausweis.
Israel schickt afrikanische Flüchtlinge nach Hause
Israel will seine illegalen Einwanderer aus Afrika loswerden. An diesem Sonntag startete die "Operation Heimkehr" mit der Abschiebung von Südsudanesen. Wer trotz Flüchtlingsstatus freiwillig geht, bekommt 1.000 Euro Prämie.
18.06.2012
epd
Von Susanne Knaul

Die ersten rund 120 Einwanderer aus Südsudan wurden am Sonntag, 17. Juni, von Tel Aviv aus nach Hause geflogen. Mehr als 60.000 Afrikaner sind in den vergangenen fünf Jahren illegal, häufig mit Hilfe von Schlepperbanden über die ägyptische Grenze nach Israel eingereist. Der Zustrom sorgte in den Armenvierteln im Süden von Tel Aviv, aber auch in anderen israelischen Städten für Konflikte.

Der 30-jährige Silab Bangola aus Guinea ist Opfer der aufgeheizten, ausländerfeindlichen Stimmung in Israel. Vorläufig entging er zwar einer Abschiebung, dafür verlor er aber seinen Job. "Sie haben meinem Arbeitgeber gedroht und gesagt, dass er mich nicht mehr beschäftigen soll", sagt er. "Jetzt kann ich kein Geld mehr verdienen und weiß nicht wohin." Seit gut zwei Jahren ist Bangola in Israel, die meiste Zeit davon verbrachte er im Auffanglager Saharonim. Im Februar schließlich fand er eine Stelle und baute Unfallwagen auseinander, bis ihn sein Chef Anfang Juni entließ.

Abgeordnete hetzen gegen das "wachsende Krebsgeschwür"

Der Unmut der Israelis, die in den zumeist armen Wohnvierteln in enger Nachbarschaft mit den Flüchtlingen leben, entlud sich mit einen Schlag, als zwei Männer aus Eritrea in den Verdacht der Vergewaltigung kamen. Hunderte Anwohner gingen auf die Straße, angeheizt von rassistischen Abgeordneten, die gegen Flüchtlinge als "wachsendes Krebsgeschwür" hetzten. Sie fordern auch die Bestrafung von Arbeitgebern, die illegale Einwanderer beschäftigen, was vermutlich zur Entlassung Bangolas führte.

Ohne Arbeit und Geld ist er gezwungen, wieder im Levinski-Park zu schlafen, unweit des zentralen Tel Aviver Busbahnhofs. Der Park ist meist die erste Station für frisch aus dem Saharonim-Lager entlassene Migranten. "Mir reicht es", sagt Bangola erschöpft. "Ich kann mich selbst nicht mehr ernähren, die Polizei verfolgt und durchsucht mich." Obschon der Gedanke an die Heimat düstere Erinnerungen weckt, sei er "schon fast entschlossen, freiwillig zu gehen". Mutter und Schwester wurden vor seinen Augen erschossen, als er in seinem Heimatland vor der Zwangsrekrutierung floh.

"Es gibt aber auch viele, die Mitleid mit uns haben"

Der Zorn der Israelis leuchtet ihm ein. "Als ich von der Vergewaltigung hörte, wusste ich, dass es jetzt Pogrome gegen die Westafrikaner geben wird." Tatsächlich macht sich der Unmut gegen alle Zuwanderer Luft, gleichgültig wo sie herkommen. Randalierer in Tel Aviv und Jerusalem setzten mehrere Wohnungen in Brand. Immer öfter kommt es auch zu Handgreiflichkeiten.

"Es gibt aber auch viele, die Mitleid mit uns haben", sagt Bangola.  Die private Facebook-Initiative "Suppe für Levinski" mobilisiert jeden Abend Freiwillige, die den arbeitslosen Migranten in Tel Aviv zu Essen bringen. "Ich bin froh über jeden, der kommt", sagt der 40-jährige Israeli Oran Harel, der mit seinem Fahrrad durch den Levinski-Park radelt. Seine Nachbarn sind Afrikaner, oft säßen sie an Abenden zusammen, kochten und redeten gemeinsam. Harel findet, dass die Medien die Probleme mit den Einwanderern aufblasen, wenn sie "nur die extremen Stimmen" wiedergäben. Die Migranten, so sagt er, "sind doch Leute wie du und ich".

Wer freiwillig geht, bekommt 1.000 Euro

Ungeachtet der "Operation Heimkehr" müssen sich die Israelis auf eine länger währende Nachbarschaft mit schutzsuchenden Afrikanern einstellen. Denn die große Mehrheit der "Infiltranten", so die offizielle Bezeichnung, kommt aus Eritrea und aus dem Nordsudan. Sie dürften laut Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeschoben werden. Vorerst werden nur die rund 1.500 Südsudanesen nach Hause geschickt, vorausgesetzt sie haben eine Freiwilligkeitserklärung unterzeichnet. Israel belohnt jede Unterschrift mit 1.000 Euro für Erwachsene und 400 Euro für Minderjährige.

Der Abschiebung afrikanischer Zuwanderern gingen andere Aktionen voraus. In den vergangenen Jahrzehnten wurden bis zu 13.000 äthiopische Juden in der "Operation Moses" und der Militäroperation "Salomon" nach Israel gebracht. 

Zu den rund 60.000 illegal eingereisten Migranten kommen 75.000 Ausländer, die mit einer Arbeitserlaubnis in Israel sind. Anstatt neue Arbeiter zu rufen "sollte Israel besser die Menschen arbeiten lassen, die hier Schutz vor Verfolgung suchen", meint Sigal Rosen, Aktivistin des "Hilfezentrums für ausländische Arbeiter". Würde man im Bau, in der Industrie, Landwirtschaft und der Krankenpflege Flüchtlingen und "Infiltranten" Jobs geben, dann wäre das Problem weitgehend gelöst. Für Silab Bangola wäre es ideal. Er möchte "nur irgendwo leben, wo es Frieden gibt".