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TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Die verlorene Tochter" (RBB)
TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Die verlorene Tochter", 18. Juni, 22.15 Uhr auf RBB
Natürlich ist es dem dicken Polizeihauptmeister Krause nicht egal, wer unter ihm bei der Potsdamer Kripo das Sagen hat. Auch wenn er mittlerweile schon drei weibliche Vorgesetzte kommen und gehen gesehen hat: Respekt muss sein. Deshalb nimmt er sich die junge neue Kollegin auch kräftig zur Brust, bildlich, weil ihm ihre Methoden nicht gefallen. Später tut er das dann auch buchstäblich, allerdings auf ihren ausdrücklichen Wunsch, schließlich ist sie die Chefin.

Horst Krause, der Schauspieler, ist längst nicht mehr nur der stille Star der "Polizeiruf"-Beiträge aus Potsdam; und das nicht bloß, weil Bernd Böhlich schon einige Extratouren für ihn geschrieben hat ("Krauses Fest", "Krauses Kur"). Nach Katrin Saß, Jutta Hoffmann und Imogen Kogge ist Maria Simon bereits die vierte Partnerin für Krause, der den gleichnamigen Polizeihauptmeister bereits seit 17 Jahren so unnachahmlich verkörpert.

Der RBB zeigt in seinem dritten Programm noch mal das Debüt des neuen Teams; auch dieser Film stammt erneut von Böhlich. Der hat Krause (die Filmfigur) erfunden und einige der besten Potsdamer Krimis inszeniert (Grimme-Preis für "Totes Gleis"). Mit Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski, die aus Heimweh nach Brandenburg auf eine BKA-Karriere verzichtet hat, bekommt Krause endlich eine Partnerin, die auch Widerpart ist: Alt gegen jung, korpulent gegen schlank, pedantisch gegen spontan, bodenständig gegen weltläufig. Auch schauspielerisch agieren die beide trotz des Altersunterschieds (Krause, man glaubt es kaum, wird im Dezember siebzig) auf Augenhöhe. Maria Simon, exakt halb so alt, muss sich ohnehin nicht mehr beweisen und hat bereits in "Kongo" gezeigt, dass sie dem üblichen Bild der TV-Kommissarin neue Seiten abgewinnen kann.

Keine Zeit, sich aneinander zu gewöhnen

Bei der anlässlich des letztjährigen "Polizeiruf"-Jubiläums ausgestrahlten Premiere der neuen Ermittlerin kann es sich Böhlich (Buch und Regie) sogar leisten, die gegenseitigen Brüskierungen zwischen Krause und Lenski eher beiläufig abzuhandeln: Die Ermittlungen lassen ihnen gar keine Zeit, sich aneinander zu gewöhnen, zumal sich der Fall unvermutet in eine völlig neue Richtung entwickelt. Die Geschichte beginnt mit der Flucht des Gefangenen Felix Diest (Tom Schilling), der vor Jahren bei einer Verkehrskontrolle einen Polizisten überfahren hat. Zur gleichen Zeit verschwindet ein kleines Mädchen aus einem Kindergarten. Diest sucht an seinem früheren Arbeitsplatz, dem Institut für Astrophysik, einen Ex-Kollegen (Rüdiger Vogler) auf; offenbar gibt es noch eine offene Rechnung. Und dann überschlagen sich die Ereignisse: Erst schneidet sich die Mutter (Valerie Koch) des Mädchens die Pulsadern auf, dann stellt sich raus, dass sie die Schwester des Flüchtigen und das Kind seine Tochter ist. Aber selbst das ist nicht die Wahrheit.

Dass zwei Ereignisse, die scheinbar nichts miteinander verbindet, zwei Seiten derselben Medaille sind, ist ein gewohntes Stilmittel vieler Fernsehkrimis. Böhlich jedoch bringt eine dritte Perspektive ins Spiel und führt nach einem Drittel des Films mit dem Institutsleiter (Burghart Klaußner) mutig eine völlig neue Erzählebene ein. Was die drei Handlungsstränge miteinander verbindet und wie die verwirrende Vorgeschichte plötzlich völlig plausibel wird, das ist durchaus verblüffend.

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Dank des starken Drehbuchs und der ausgezeichneten Darsteller konnte Böhlich, auch in seinen Kinoarbeiten ("Der Mond und andere Liebhaber") kein Regisseur für Effekthaschereien, dem Krimi eine fast schon entspannt Bildsprache geben. Ein würdiger Jubiläumsfilm, der Lust auf weitere Fälle aus Potsdam macht.