Pro und Contra Fundraising
Enite Hoffmann (Illustration)
Pro & Contra: Soll die Kirche Fundraising betreiben?
Unsere Gastautoren streiten um das Thema Spendenwerbung
Kirchliche Arbeit braucht Geld - und ist zunehmend auf Spenden angewiesen. Aus Anlass des Deutschen Fundraising-Kongresses vom 18. bis 20. April in Berlin diskutieren wir die Frage, wie viel und welche Spendenwerbung der Kirche guttut. Zwei Plädoyers.
18.04.2012
Reinhard Greulich, Andreas Dreyer

Pro: Fundraising ermöglicht Beteiligung

Reinhard Greulich von der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa) findet: Kirchen sollen und müssen Spenden einwerben und damit im Idealfall zugleich ihre Basis verbreitern.

"Bettelbriefe? Solange es uns gut geht, brauchen wir niemanden um etwas zu bitten. Da haben wir unseren Stolz, und wir wollen auch niemanden belästigen." Was als privates Lebensmotto durchgehen mag, bezeichnet ein fundamentales Missverständnis, wenn es auf Fundraising in Kirche und Gemeinde übertragen wird. Denn richtig ist: Das Einwerben von Spenden ist schon lange mehr als lediglich ein Instrument zum Überbrücken kurzfristiger finanzieller Unpässlichkeiten.

Auch Spenden ist eine Form der Beteiligung

Menschen zur Unterstützung einer guten und wichtigen Sache zu gewinnen, braucht Überzeugungskraft. Zwar löst es immer noch hohe Spendenbereitschaft aus, wenn irgendwo auf der Welt große Not herrscht. Und das ist auch gut so, denn die Hilfe wird dann möglichst schnell gebraucht. Aber jenseits dieser eher spontanen Unterstützung wollen die Menschen im Allgemeinen schon sehr genau wissen, bei wem und wofür sie sich engagieren.

Das ist eine gute Voraussetzung für Kirchengemeinden oder kirchliche Einrichtungen, denn sie arbeiten nahe bei den Menschen und können an Ort und Stelle vorzeigen, was sie bewirken. Verschiedene Studien unter den Kirchenmitgliedern zeigen, dass es neben den persönlich aktiven Menschen auch solche gibt, die sich gern engagieren möchten, dies aber lieber finanziell tun wollen.

Fundraising eröffnet Möglichkeiten der Beteiligung – sei es durch Geldspenden, sei es durch das Einbringen der eigenen Freizeit. Danach wollen die Menschen aber gefragt werden. Eine offen gestellte Frage lässt auch die Antwort offen; ein "Nein" ist ebenso möglich wie ein "Ja". Dem "Ja" folgen freilich weitere Erwartungen, denn Beteiligung ist keine Einbahnstraße.

Der "Bettelbrief" ist eine Einbahnstraße, ohne Beteiligung. Wer bettelt, möchte zwar Gefühle wecken, damit es möglichst ohne vieles Nachdenken zur Gabe kommt, aber er will nicht, dass das Gegenüber sich beteiligt – es möge sein Geld geben und rasch weitergehen, nicht weiter stören. Das mag für den Empfänger der Gabe bequem erscheinen – aber es ist nicht nachhaltig. Es entsteht keine dauerhafte Beziehung zu den Gebern, denn sie sind nicht wirklich beteiligt.

Persönlicher Dank ist selbstverständlich – und zwar zeitnah

Beteiligung erfordert aktives Tun. Mag ein Zeitspender, eine Zeitspenderin noch direkt sehen, welche Ergebnisse die eigene ehrenamtliche Mitarbeit bringt, wird es bei der Geldspende schwieriger. Da haben die Fragenden, die Fundraiser, eine Bringschuld. Zuerst ist es der einfache Dank, der nicht lange auf sich warten lassen darf.

Zugegebenermaßen ist es kostensparend, sich am Jahresende einmal gesammelt zu bedanken, aber wenn dann schon Monate seit der Spende vergangen sind, bleibt der Zusammenhang auf der Strecke. Also: Der Dank muss auf die Spende folgen. Das erfordert ein wenig Organisation, Planung, Vorausschau und verursacht auch Kosten – aber es schafft die Verbindung. Der schnelle Dank sagt auch: Das Engagement wird wahrgenommen, und wir wissen es zu schätzen.

Im Anschluss an den Dank wird über Ergebnisse gesprochen – auf Augenhöhe, mit den Beteiligten, den Spenderinnen und Spendern. Ein Tag der offenen Tür im neuen Kindergarten, zu dem die Spenderinnen und Spender persönlich eingeladen werden; ein Fest in der renovierten Kirche, ein Orgelkonzert auf der restaurierten Orgel – es gibt viele Möglichkeiten, Ergebnisse vorzuzeigen und Rechenschaft abzulegen. Und immer gehört die Anerkennung dazu: Ohne die Menschen, die sich an dieser Sache beteiligt haben, wäre das nichts geworden. Man kann das nicht zu oft wiederholen. Und selbstverständlich ist es dann auch erlaubt, erneut zu fragen.

Fördervereine statt Bettelbriefe

Die vielen Fördervereine, die mit der "Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland" (Stiftung KiBa) zusammenarbeiten, zeigen, wie es geht. Sie bieten den Menschen am Ort eine Gelegenheit, sich zu engagieren – in diesem Fall für den Bau und Erhalt ihres Kirchengebäudes. In kleinen Orten zählen die Fördervereine manchmal mehr Mitglieder als die Gemeinde selbst. Menschen schließen sich für ein gemeinsames Ziel zusammen. Sie holen andere dazu, fassen gemeinsam mit an, und natürlich sammeln sie auch finanzielle Mittel für ihr Projekt.

Fundraising meint nicht das Auffüllen leerer Kassen und das Belästigen Dritter mit Bettelbriefen, um möglichst ungestört weiter dem Alltag nachgehen zu können. Es ist ein Konzept zur Beteiligung von immer mehr Menschen. Wer bei finanziellen Betrachtungen stehen bleibt, der wird auf Dauer nicht erfolgreich sein; erst durch die dauerhaft gepflegte Verbindung wird Fundraising zu einer verlässlichen Säule aktiven Engagements. Dann ist es eine Form der Gemeindearbeit, die eine immer größere Basis von Beteiligten entstehen lässt. Und "Bettelbriefe" gibt es dann nicht mehr.

Reinhard Greulich (Foto: privat) ist Referent bei der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (KiBa) und erfahrener Fundraiser.

 


 

Contra: Keine Spendenwerbung um jeden Preis!

Es gibt auch Argumente gegen Fundraising. Andreas Dreyer sagt: Selbstverständlich darf Kirche Fundraising betreiben – die Frage ist nur, auf welche Weise. Er ist selbst Pastor einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen, plädiert für Augenmaß und Realitätssinn – und dafür, dass die anderen Einnahmequellen dadurch nicht beschädigt werden.

Ich gebe zu: Im Fundraising liegen durchaus gewisse Chancen, um Aktionen und Projekte in der Kirche zu unterstützen, Mittel zu akquirieren, Abläufe zu professionalisieren. Wie es auch schon zu der Zeit geschah, als man statt von Fundraising von Sammlungen sprach. Doch es ist wie mit allen Dingen, die sich in der Krise als Retter in der Not anbieten und auf einmal mit Heilserwartungen überfrachtet werden: Man will rasch ein Ergebnis und spart sich die vorhergehende kritische Analyse. Man hört auf diejenigen, die eine Neuerung favorisieren und stempelt die anderen umgehend zu Bedenkenträgern ab.

Übertriebene Erwartungen

Mit dem Fundraising werden weithin übertriebene Erwartungen verbunden. Fundraising soll, wie es an einer Stelle heißt, zur "neuen Säule der Kirchenfinanzierung" ausgebaut werden und nahezu all die Probleme durch Demografie, Kirchenaustritte und Kirchensteuerausfälle lösen helfen. Fundraising soll Pfarrstellen und andere Stellen sichern, soll die Verbundenheit mit der Kirche stärken, soll eine neue Beziehungskultur etablieren. Durch Fundraising sollen Stiftungen aufgebaut werden, von deren Zinserträgen man sich wiederum dauerhafte Finanzierungsmodelle erhofft.

All dies auch nur ansatzweise zu erreichen, käme der Quadratur des Kreises nah. Der Faktencheck zeigt eindeutig: Die Hauptfinanzierungsquelle der Volkskirchen ist und bleibt die Kirchensteuer, gefolgt von den Staatsleistungen. Beide zusammen erbringen weit über 90% aller Mittel. Dass eine der neuen Quellen - sei es Fundraising, seien es Stiftungen - vermutete Rückgänge an dieser Stelle auch nur ansatzweise kompensieren könnte, hält der Überprüfung kaum stand.

Ich gebe zu: Im Fundraising liegen durchaus gewisse Chancen, um Aktionen und Projekte in der Kirche zu unterstützen, Mittel zu akquirieren, Abläufe zu professionalisieren. Wie es auch schon zu der Zeit geschah, als man statt von Fundraising von Sammlungen sprach. Doch es ist wie mit allen Dingen, die sich in der Krise als Retter in der Not anbieten und auf einmal mit Heilserwartungen überfrachtet werden: Man will rasch ein Ergebnis und spart sich die vorhergehende kritische Analyse. Man hört auf diejenigen, die eine Neuerung favorisieren, und stempelt die anderen umgehend zu Bedenkenträgern ab.

Die Quadratur des Kreises?

Mit dem Fundraising werden weithin übertriebene Erwartungen verbunden. Fundraising soll, wie es an einer Stelle heißt, zur "neuen Säule der Kirchenfinanzierung" ausgebaut werden und nahezu all die Probleme durch Demografie, Kirchenaustritte und Kirchensteuerausfälle lösen helfen. Fundraising soll Pfarrstellen und andere Stellen sichern, soll die Verbundenheit mit der Kirche stärken, soll eine neue Beziehungskultur etablieren. Durch Fundraising sollen Stiftungen aufgebaut werden, von deren Zinserträgen man sich wiederum dauerhafte Finanzierungsmodelle erhofft.

All dies auch nur ansatzweise zu erreichen, käme der Quadratur des Kreises nah. Der Faktencheck zeigt eindeutig: Die Hauptfinanzierungsquelle der Volkskirchen ist und bleibt die Kirchensteuer, gefolgt von den Staatsleistungen. Beide zusammen erbringen weit über 90% aller Mittel. Dass eine der neuen Quellen - sei es Fundraising, seien es Stiftungen - vermutete Rückgänge an dieser Stelle auch nur ansatzweise kompensieren können, hält der Überprüfung kaum stand.

Höchstens zehn Prozent durch Spenden

Die bisherigen Fundraising-Erträge erreichen selbst in Wohlstandsregionen und kirchlich aktiven Gebieten nicht einmal ein Zehntel des Kirchensteueraufkommens. Sind sie also wirklich mit Professionalisierung und gutem Willen steigerbar, oder fressen die bislang nicht offen kommunizierten Input-Kosten die Erträge nicht teilweise wieder auf, wie endlich einmal von unabhängiger Seite aus zu untersuchen wäre? Liegen hier tatsächlich Ressourcen-Schätze, die man nur mit entsprechendem Know-how heben muss?

Und kann man tatsächlich mit Zinserträgen aus Kleinstiftungen die Arbeit vor Ort dauerhaft sichern oder gefährdet man hier nicht sein theologisches Fundament und setzt sich Anlagerisiken aus, wovon inzwischen eine Reihe von Finanzskandalen von Oldenburg über das Rheinland bis nach Württemberg künden? Denn schon seit drei Jahren unterschreiten die Leitzinsen der Zentralbanken die Inflation, Tendenz weiter fallend. Statt der vollmundig verheißenen sicheren Zinsgewinne nagt folglich die Geldentwertung an Stiftungskapitalien.

Besteht denn nicht andersherum auch eine Gefahr darin, permanent Kirche und Geld zu verquicken, nahezu jede kirchengemeindliche Aktivität mit Fundraising, Stiftungen und Fördervereinen zu verbinden, was Menschen auch vergraulen kann? War es denn nicht wertvolles Alleinstellungsmerkmal von Kirche, die meisten ihrer Aktivitäten gerade nicht unter dem Aspekt von dem potenziellen ökonomischen Ertrag her zu definieren?

Gehälter auf Spendenbasis sind keine Lösung

Das Fundraising für Pfarrgehälter in der bestehenden Form gehört schnellstmöglich abgeschafft: "Es gibt nichts Demütigenderes, als in seiner Gemeinde für sein eigenes Pfarrgehalt selber sammeln zu müssen, es verteidigen und erklären zu müssen", bringt es ein Kollege auf den Punkt. "Permanent wird öffentlich über mein Gehalt geredet, sprechen die Leute darüber, wer wie viel dafür spendet – oder auch nicht. Das ist ein psychischer Druck, den ich meinem ärgsten Feind nicht wünsche!"

Ein Gemeindeglied äußert an anderer Stelle: "Früher war ich in einem kirchlichen Hilfswerk Mitglied. Aber seit die permanent Bettelbriefe geschickt haben und noch mehr wollten, bin ich dort ausgetreten – mein Jahresbeitrag reichte ihnen wohl nicht mehr. Jetzt bekommen sie nicht mal mehr den." Sind dies alles denn nur bedauernswerte Einzelfälle, die man hinnehmen muss, weil Opfer gebracht werden müssen?

Ob Einzelfall oder Mehrheitsmeinung: Die Beispiele zeigen die andere Seite jenseits der Hochglanzprospekte und Fundraising-Lehrbücher, die oft nur hinter vorgehaltener Hand erzählt werden, mit denen man aber längst Bände füllen könnte. Es gehört darum unglaubliches Feingefühl und Kenntnis der Lage vor Ort in den Gemeinden dazu, um zu eruieren, wo echte Chancen liegen und was man besser sein ließe, weil es kontraproduktiv ist. Externe Fundraiser können das – im Unterschied zu Pastor(inn)en vor Ort – kaum leisten.

Sagt, was Sache ist!

Aus dieser Erkenntnis folgt für mich: Man muss dem Kirchenvolk eindeutig sagen, dass unsere Volkskirchen mit ihren Personal- wie Sachmittelausstattungen Kosten verursachen. Und dass das Verpflichtungen nach sich zieht, zumal in einem Maße, wie es realistischerweise nur durch Steuereinnahmen oder Kredite finanziert werden kann. Was für den Staat gilt, gilt auch für die Kirche.

Doch all dies wurde bisher nicht hinreichend getan. Dabei ist mittlerweile das Thema Mitgliederorientierung in aller Munde und Thema zahlreicher Akademietagungen. Denn dies ist die zentrale Ebene, auf der sich die Zukunft der Volkskirchen entscheidet: Können sie Mitgliederorganisationen bleiben oder marginalisieren sie sich?

Werbung für Mitgliedschaft muss endlich wieder Priorität haben, eine neue Dankeskultur für die Kirchensteuer gehört auf die Agenda – wie auch eine ehrliche Kostendarstellung aller Fundraising-Projekte.

Andreas Dreyer (Foto: privat), 1962 geboren, ist seit zwanzig Jahren Gemeindepastor in der Hannoverschen Landeskirche. Er ist auch Vorsitzender des Hannoverschen Pfarrvereins, stellvertretender Vorsitzender des Pastorenausschusses, der Vertretung der Pfarrerschaft in der Hannoverschen Landeskirche und Mitglied im Vorstand des Pfarrverbandes. Er hat zahlreiche Beiträge zum Thema Kirche und Finanzen und zu pastoraltheologischen Fragen veröffentlicht.