Diego Maradonas letzter Auftritt bei einer Fußball-Weltmeisterschaft endete mit einem Knall: "Sie haben mir und meiner Familie die Beine abgetrennt, sie haben meine Seele zerstört", sagte Maradona im Sommer 1994, nachdem die FIFA ihn des Dopings überführt hatte. Im Blut des argentinischen Fußballwunders fanden sich Aufputschmittel. Maradona ist bis heute der einzige offizielle Dopingfall bei einem großen Fußballturnier. Bei einer Europameisterschaft ist noch nie ein Spieler positiv getestet worden. Sünder gibt es dennoch einige. Schon die Helden von Bern hatten höchstwahrscheinlich Pervitin im Blut, ein aus Kriegszeiten bekanntes Aufputschmittel.
Sporthistoriker wie Erik Eggers sind sich sicher, dass die Weltmeister 1954 verbotene Methoden nutzten – auch wenn Spieler und Trainer das stets abgestritten haben. In der DDR waren die Nationalkicker systematisch gedopt, das belegen Stasi-Akten. Auch viele Clubs aus dem Osten nutzten das DDR-Anabolikum Oral-Turinabol. Und im westdeutschen Fußball der achtziger Jahre soll das Aufputschmittel Captagon nach Aussage mehrerer Trainer und Spieler verbreitet gewesen sein.
Doping im Fußball sind keine Einzelfälle. Allein in Deutschland sind seit Mitte der neunziger Jahre 19 Spieler positiv getestet worden, wobei einige wohl unabsichtlich falsche Medikamente genommen hatten. Der Turiner Staatsanwalt Raffaele Guariniello hat vor einigen Jahren aufgedeckt, dass Juventus Turin, Champions-League-Sieger von 1996, seinerzeit systematisch gedopt war: 281 verschiedene Medikamente hatte Juves Vereinsarzt in der Apotheke, die Spieler bekamen unter anderem das Blutdopingmittel Epo.
Der mögliche Zeuge schweigt nach Todesdrohungen
Auch Real Madrid, der FC Barcelona, Betis Sevilla und der FC Valencia sollen von einem verdächtigen Arzt betreut worden sein: Im Verdacht stehe Dopingmediziner Eufemiano Fuents, berichtete die französische Zeitung "Le Monde". Der FC Barcelona verklagte die Zeitung, deren Sportchef konnte keine Dokumente vorlegen und musste 15.000 Euro Strafe zahlen. Vor Gericht schwieg Fuentes. "Ich bin drei Mal mit dem Tod bedroht worden, es wird kein viertes Mal geben", sagte er damals "Le Monde".
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Der ehemalige Dopingdealer Stefan Matschiner glaubt, dass Doping im Fußball genauso verbreitet ist wie in der Leichtathletik oder im Triathlon. Er selbst hat mehrere Athleten aus verschiedenen europäischen Ländern mit Mitteln versorgt. Seine Spieler bekamen das Blutdopingmittel Epo sowie Testosteron, doch aufgeflogen sind sie nicht.
Matschiner vermutet heutzutage weniger an Teamdoping, eher, dass einzelne Spieler einen Vorteil suchen. "Ich glaube, dass sich gute Freunde zusammentun und sich gesondert nach medizinischer Versorgung umschauen." Auch Matschiner versorgte Spieler, die sich gegen Teamkollegen durchsetzen wollten. Hat es geholfen? "Ich habe nie etwas Negatives gehört, sonst wären sie ja nicht immer wiedergekommen."
Alle Mittel kommen in Frage
Trotz allem gibt es noch immer Ärzte und Trainer, die behaupten, es gebe im Fußball kein Doping. Das Standardargument: Doping im Fußball bringe nichts. Für "völligen Schwachsinn" hält Stefan Matschiner diese Theorie. "Wenn ich die Ausdauer steigere, habe ich auch die anderen Fähigkeiten am Ende des Spiels besser unter Kontrolle."
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Perikles Simon ist einer der bekanntesten Dopingforscher Deutschlands. Er glaubt, dass für Fußballer das gesamte Arsenal an Dopingmitteln in Frage kommt. "Dafür müssen sie sich nur die komplexe Sportart Baseball angucken, wo die Bedeutung des physischen Anteils noch etwas geringer ist als beim Fußball", sagt er. Doch selbst Baseball habe "ein massives Dopingproblem, viele Spieler haben Designer-Steroide konsumiert. Eine physisch noch anspruchsvollere Sportart wie Fußball hat bei gleicher technischer Komplexität wie Baseball sicherlich ein Problem." Besonders technisch versierte, aber konditionell schwache Fußballer seien anfällig für die Doping-Versuchung, so Simon.
"Das nächste Spiel ist immer das wichtigste"
Auch Sportsoziologen wie Antje Dresen gehen davon aus, dass im Fußball gedopt wird. Dresen forscht zu den Gründen, warum sich jemand für Doping entscheidet: "Im Fußball geht es um permanente Leistungssteigerung. Das nächste Spiel ist immer das wichtigste. Gleichzeitig sind die körperlichen Fähigkeiten begrenzt", sagt Dresen. "Doping ist eine Mehrzweckwaffe gegen den Druck, der auf Fußballern lastet." Die Geschwindigkeit des Spiels hat sich in den vergangenen Jahren extrem erhöht. Der Druck, topfit zu sein, steigt.
Warum fallen nicht häufiger Spieler als Dopingsünder auf? Der Turiner Staatsanwalt Guariniello befindet, es sei "einfacher, einen geständigen Mafioso zu finden, als einen geständigen Fußballer". Zudem waren die Dopingkontrollen im Fußball lange Zeit ein Witz. So gab es bis vor wenigen Jahren kaum Kontrollen im Training, sondern nur im Wettkampf. Doch die Kontrollen im Training sind besonders wichtig, weil nur dort Spieler von Kontrolleuren überrascht werden können.
Die Tests sind besser geworden, aber bis heute gibt es Lücken. So nehmen die Kontrolleure im deutschen Fußball noch immer keine Blutproben, obwohl man Substanzen und Methoden wie Blutdoping oder Wachstumshormon nur damit nachweisen kann. Bei der EM nimmt die UEFA zwar Bluttests. Aber sie lässt den Spielern bei einem Trainingstest 60 Minuten Zeit, bis sie zum Kontrolleur kommen müssen. Findige Betrüger können in dieser Zeit ihre Probe verfälschen, zum Beispiel durch exzessives Trinken oder durch ein Körnchen Waschpulver in der Harnröhre. Letzteres zerstört die Eiweißstrukturen im Urin – und macht die Probe unbrauchbar.