Foto: epd-bild / Werner Krüper
Eine Verstorbene im Hospiz "Haus Zuversicht" in Bielefeld-Bethel.
26-jähriger "Sterbehelfer" zu drei Jahren Haft verurteilt
Ein 26-Jähriger muss drei Jahre ins Gefängnis, weil er seine schwer kranke Mutter getötet hat. Selbstjustiz am Krankenbett darf auch aus Mitleid nicht sein, sagen Patientenschützer nach dem Urteil. Der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber und die Hospiz-Stiftung fordern bessere Begleitung für Angehörige Schwerstkranker.

Nach dem "Sterbehilfeprozess" in Braunschweig fordert die Deutsche Hospiz Stiftung mehr Unterstützung für Angehörige von schwerstpflegebedürftigen Menschen. Ein 26-Jähriger ist am Dienstag zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte seine nach einem Unfall schwer hirngeschädigte Mutter getötet, um sie von ihrem Leid zu befreien (Az: 9 Ks 5/12).

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"Selbstjustiz am Krankenbett ist keine Lösung", sagte der Vorstand der Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Angehörige seien aber oft überfordert und müssten psychologisch begleitet werden. Auch der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber forderte eine stärkere öffentliche Diskussion über Leid und Sterben. Er könne die Verzweiflung verstehen, die den jungen Mann zur Tat getrieben habe. Die Tat selbst sei jedoch nicht zu rechtfertigen.

Richter: "Der Fall führt das Recht an seine Grenzen"

Der Vorsitzende Richter Ralf Polomski sagte im Prozess, der Fall führe das Recht an seine Grenzen. "Er zwingt alle, die sich damit befassen, über ihr eigenes Leben nachzudenken." Die Staatsanwältin hatte dreieinhalb Jahre Haft gefordert, der Verteidiger eine Bewährungsstrafe. Bewährung wäre nach Ansicht des Richter jedoch das falsche Signal gewesen. Es hätte dazu führen können, "dass es in Zukunft bei ähnlichen Fällen kein Halten mehr gibt".

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Der Angeklagte habe mit der Tat Schuld auf sich geladen, mit der er leben müsse. Zugleich habe er einen geliebten Menschen verloren, sagte der Richter. Er wertete das Geständnis des jungen Mannes als glaubhaft und moralisch nachvollziehbar. Er habe in der Überzeugung gehandelt, seine Mutter zu erlösen. Dennoch sei der Schutz des Lebens das höchste Gut. Vor diesem Hintergrund müsse es eine harte Strafe geben.

"Die Rechtfertigung, aus Mitleid zu töten, muss genau hinterfragt werden"

Der Angeklagte hat seine nach einem Reitunfall im Jahr 2004 im Wachkoma befindliche Mutter im Januar in einem Pflegeheim getötet. Er entfernte Geräte zur Unterstützung der Atmung und verschloss der 47-Jährigen mehrere Minuten Mund und Nase. Vorher war sein Antrag auf Sterbehilfe von dem Heim aus rechtlichen Gründen abgelehnt worden.

Brysch bescheinigte dem Gericht, es habe sich sehr genau mit der Handlung und den Motiven befasst. "Auch die Rechtfertigung, aus Mitleid zu töten, muss genau hinterfragt werden", sagte der Vorstand der Patientenschutzorganisation. Die Getötete habe keine Patientenverfügung gehabt und nach Einschätzung ihres Arztes nicht im Sterben gelegen. In solchen Fällen müssten alle Betroffenen unterstützt werden, damit nicht die eigene Belastung der Angehörigen auf die Patienten projiziert würden.

Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden. Der Verteidiger will sich jetzt mit seinem Mandanten beraten. "Allerdings belasten ihn der Fall und die Öffentlichkeit sehr stark, so dass er das Urteil vielleicht schon aus diesem Grund akzeptieren wird", sagte der Anwalt. "Dennoch sind wir mit dem Ergebnis natürlich nicht zufrieden." Er halte weiterhin eine Bewährungsstrafe für besser: "Allerdings ist uns bewusst, dass das Gericht auch die Außenwirkung dieses Prozesses sieht."