Die Weite der Ozeane scheint endlos. Der deutsche Literaturnobelpreisträger Thomas Mann sprach mit Blick auf die Meere von einem "Erlebnis der Ewigkeit". Doch Umweltschützer wissen, dass das Ozean-Leben endlich ist, wenn nicht schnell etwas geschieht. Heute sind bereits 90 Prozent aller großen Fische aus den Meeren gefischt. Der neueste UN-Bericht zur Lage der Umwelt listet 169 tote Küstenzonen auf und 415, die vom gleichen Schicksal bedroht sind. "Wir kennen die Probleme", sagt John Tanzer, Meeresexperte der Umweltstiftung WWF. "Jetzt müssen wir handeln."
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Zwei UN-Konventionen regeln bislang den Schutz der Meere, die mehr als zwei Drittel der Erde bedecken. In der Seerechtskonvention etwa verpflichteten sich 160 Vertragsstaaten, "alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Verhinderung, Reduzierung und Kontrolle der Meeresverschmutzung nötig sind". Doch das Ergebnis ist ernüchternd: "Keinen oder nur wenig Fortschritt" erkennen die Experten vom UN-Umweltprogramm (UNEP) im Kampf gegen die Meeresverschmutzung bisher.
Diplomaten diskutieren über UN-Abkommen für Biodiversität
Für das Ökosystem besonders bedrohlich sind der industrielle Fischfang und der Abbau von Rohstoffen auf hoher See, die bisher noch gar nicht geregelt sind. Jenseits der Hoheitsgewässer der einzelnen Staaten sind die Meere rechtsfreier Raum, eine Art Ozeanisch-Wildwest.
Ein UN-Abkommen für die Biodiversität (Artenvielfalt) auf hoher See soll das ändern und den Schutz der Meere verbessern. Seit Monaten diskutieren Diplomaten über das Abkommen, zu dem der UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro vom 20. bis 22. Juni den Startschuss geben soll. Doch ob es dafür eine Mehrheit gibt, ist immer noch unklar. Die Verhandlungen seien bisher enttäuschend verlaufen, sagt Tanzer. "Aber wir werden in Rio weiterhin für einen Beschluss eintreten, der klare inhaltliche und zeitliche Vorgaben beinhaltet." Viel Hoffnung hat Tanzer allerdings nicht: "Die Formulierungen sind im Lauf der Vorverhandlungen immer schwächer geworden."
Gegen ein Reglement auf hoher See wehren sich unter anderem Kanada, Russland und Japan vehement: Die Länder unterhalten große Fangflotten und beherbergen Unternehmen, die etwa Öl und Gas, aber auch andere Rohstoffe wie Mangan in großen Meerestiefen fördern wollen. Für das Abkommen setzen sich dagegen die EU, Südamerika und viele Inselstaaten ein. Viele Länder erleben bereits die Folgen des Raubbaus im Meer oder fürchten schlicht um ihre Lebensgrundlagen. Wer sich in Rio durchsetzen wird, ist ungewiss.
Ist die in Rio diskutierte Green Economy mehr ist als nur leeres Gerede?
"Ob der Schutz der hohen See vorankommt, ist ein entscheidender Test dafür, ob die in Rio diskutierte Green Economy mehr ist als nur leeres Gerede", sagt auch Daniel Mittler von Greenpeace International. Die Organisation fordert einen Rettungsplan für die Ozeane, der die letzten noch unberührten Meeresgebiete schützt - und zwar schnell. Denn Wissenschaftler warnen, dass sich die Meere bei anhaltendem Raubbau irgendwann nicht mehr erholen können.
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Greenpeace und der WWF fordern deshalb auch die Ausweisung eines Netzwerks von Meeresschutzgebieten, die von jeder Nutzung ausgenommen sein sollen. "Viele Länder sehen darin eine Behinderung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten", weiß der WWF-Meeresexperte Tanzer. "Aber dabei wird oft vergessen, dass das Meer eine ökologische und wirtschaftliche Bedeutung hat." Daher müsse das Ökosystem geschützt werden.
Die Meere bringen nicht nur Kühlung, sondern sind auch für die Balance und den Schutz des Klimas unverzichtbar. Die Ozeane nehmen klimaschädliches Kohlendioxid auf und liefern Sauerstoff. "Jeder zweite Atemzug, den ein Mensch nimmt, kommt aus dem Meer", heißt es.