Eigentlich handelt es sich bei den Straßenansichten um Bilder, die jeder im Sinne der Panoramafreiheit machen könnte. Panoramafreiheit meint, dass jeder Bürger das fotografieren darf, was von öffentlichem Grund und Boden aus sichtbar ist. Dass Microsoft und Google überhaupt Gesichter, Kfz-Kennzeichen und Häuseransichten verpixeln, ist ein Kompromiss, den deutsche Datenschutzbehörden mit den Unternehmen ausgehandelt haben. Nötig ist der Kompromiss, weil aufgrund der Masse der Daten, die öffentlich zur Verfügung gestellt werden, durchaus Persönlichkeitsrechte sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt werden können.
###mehr-artikel###
In der Schweiz urteilte das Bundesgericht jetzt noch viel strenger: Weil die Veröffentlichung das Recht am eigenen Bild und die Personlichkeit der Betroffenen verletzen kann, müssen vor allem Aufnahmen von sensiblen Einrichtungen wie von Frauenhäusern, Altersheimen, Gefängnissen, Schulen, Gerichten und Krankenhäusern anonymisiert werden. Neben den Gesichtern müssen auch Merkmale verschwinden, die eine Identifizierung ermöglichen, wie etwa Hautfarbe, Kleidung oder Hilfsmittel behinderter Personen wie Rollstühle. Dabei erlaubte das Gericht eine Fehlerquote von einem Prozent. Auf Verlangen von betroffenen Personen muss Google allerdings manuell nachbessern.
Schon bald wird Google verstärkt auch Gegenden erfassen, die mit dem Auto nicht erreichbar sind. Dafür hat das Unternehmen eine tragbare Fotoausrüstung mit dem Namen "Streetview Trekker" entwickelt. Bei der rund 20 Kilo schweren Ausrüstung handelt es sich um einen Rucksack, in den ein massives Kamerastativ samt kugelköpfiger Kamera fest installiert ist. Rund ein Dutzend solcher tragbarer Systeme sollen jetzt auf Tour gehen, um Wander- und Fahrradwege, Skiloipen und anderes Gelände zu erfassen, das nur zur Fuß erreichbar sind.
Das Bewusstsein für den Datenschutz wächst
Obwohl Google also weiter nach vorne prescht, zeigt die rasche Reaktion von Microsoft ein wachsendes Bewusstsein für Datenschutzbelange. Interessanterweise verpixelt Google mittlerweile auch in den USA Personen und Kfz-Kennzeichen. Auch dort ändert sich die Stimmung, nachdem die Regulierungsbehörde FTC sich immer öfter in Datenschutzskandale einmischt und kürzlich sogar eine Empfehlung zum Schutz personenbezogener Daten von Verbrauchern veröffentlichte. Beobachter sehen darin eine mögliche Vorlage für eine gesetzliche Regelung, die wahrscheinlicher wird, wenn sich in Zukunft die Datenskandale häufen.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Regulierungs- und Datenschutzbehörden nicht zu träge auf die rasanten technologischen Entwicklungssprünge reagieren. Interessant vor diesem Hintergrund sind Initiativen, die dem Nutzer mehr Entscheidungsfreiräume geben. Die FTC hat beispielsweise schon 2010 die Einführung eines Do-not-Track-Mechanismus gefordert. Dabei handelt es sich um einen technischen Mechanismus im Internet-Browser, der verhindert, dass Werbeunternehmen etwa über Cookies feststellen können, welche Webseiten ein Nutzer besucht, um dann maßgeschneiderte Anzeigen schalten zu können. Der Nutzer soll diesen Mechanismus selbst aktivieren können.
Mehr Schutz bietet ein Do-not-Track-Mechanismus
Microsoft hat in seinem neuen Internet Explorer bereits eine Do-not-Track-Funktion eingebaut. Die Mozilla-Stiftung, die für den Firefox-Browser verantwortlich ist, arbeitet ebenfalls an einer Lösung. Weitere Varianten sind bereits für die Browser Opera und Chrome angekündigt und das W3C, die Standardisierungsorganisation für das World Wide Web, hat bereits einen Entwurf für einen Standard vorgestellt.
"Do-not-Track" ist ein zukunftsweisendes Konzept, da es dem Nutzer wieder etwas mehr Macht über seine Daten zurückgibt. Die Einwilligung des Nutzers in die Verwendung seiner Daten rückt damit wieder in den Fokus und zeigt, dass es nicht selbstverständlich ist, wie Projekte wie Microsoft Streetside oder Google Streetview suggerieren, dass Daten gesammelt und verwertet werden. Vielleicht gibt es für die Datensammler im Web, die öffentlich zugängliche Nutzerdaten von Diensten wie Twitter oder Facebook abgreifen wollen, künftig ebenfalls automatische Hinweisgeber ähnlich wie bei den Urheberrechten. Dort können Nutzer mit einer Creative-Commons-Lizenz anzeigen, ob sie etwa einer kommerziellen Verwertung ihrer Bilder oder Blogeinträge zustimmen. Vielleicht gibt künftig entsprechend eine Data-Commons-Lizenz Auskunft darüber, zu welchen Bedingungen die Nutzer eine Auswertung erlauben.