Foto: Berlinale 2010 / Gerhard Kassner
Der Schauspieler Erdal Be?ikçio?lu.
Der Schimanski aus Ankara
Er flucht wie ein Bierkutscher, trinkt schon mal einen über den Durst und geht keiner Schlägerei aus dem Weg. Am TV-Kommissar Behzat Ç. scheiden sich in der Türkei die Geister.

Wie einst Deutschlands legendärer "Tatort"-Kommissar Horst Schimanski in jüngeren Jahren lässt es auch der türkische Fernsehermittler Behzat Ç. ganz schön krachen. Regelmäßig klärt der von TV-Star Erdal Be?ikçio?lu gespielte Kommissar im türkischen Fernsehen Verbrechen auf und bedient sich dabei einer bildhaften Sprache, die man als hart aber herzlich bezeichnen könnte – anstelle der schlimmsten Schimpfwörter lässt der Sender "Star TV" denn auch Pieptöne erklingen, was so manchen Monolog von Behzat Ç. fast zu einer musikalischen Erfahrung macht. Behzat Ç. (gesprochen: Beisat Tsche) ist ein Mann aus dem Volk, den viele Zuschauer lieben – bei Behörden des Landes und der religiös-konservativen Regierung von Ministerpräsident Erdo?an ist die Serie "Behzat Ç. – Kriminalgeschichten aus Ankara" dagegen weniger beliebt, weil sie ihrer Ansicht nach gegen die guten Sitten verstößt und überdies ein verzerrtes Bild der türkischen Polizei zeichne.

Den Vergleich mit Schimanski braucht Behzat Ç. nicht zu scheuen

Erdal Be?ikçio?lu als Behzat Ç. Foto: Wikimedia Commons

Erfunden hat den türkischen Schimanski der 31-jährige Schriftsteller Emrah Serbes, der seinen kettenrauchenden Protagonisten bislang in zwei Kriminalromanen auf Mörderjagd gehen ließ, von denen der erste mit dem Titel "Behzat Ç. – Jede Berührung hinterlässt eine Spur" beim Berliner Binooki-Verlag jetzt auch auf Deutsch erschienen ist (320 Seiten, 15,90 Euro). Serbes schreibt gemeinsam mit Co-Autor Ercan Mehmet Erdem auch die Drehbücher für die TV-Serie, die seit zwei Jahren mit großem Erfolg im türkischen Fernsehen läuft. Außerdem war der schmuddelige Kommissar mit dem markanten Bart wie weiland Schimi in "Zahn um Zahn" schon der Protagonist eines Kinofilms, der im vergangenen Jahr auch in Deutschland zu sehen war – allerdings mit eher mäßigem Erfolg, wie der deutsche Filmverleih "Kinostar" berichtet.   

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Den Vergleich mit dem ruppigen Schimanski braucht Behzat Ç. nicht zu scheuen: Wie der Kultkommissar aus dem Ruhrgebiet greift auch der türkische Ermittler bisweilen zu unkonventionellen Methoden, um einen Fall zu lösen, wie jener schert sich auch der Mann aus Ankara keinen Deut um seine Ausdrucksweise und stürzt sich am liebsten in seine Arbeit, um seinem von Tristesse geprägten Privatleben aus dem Weg zu gehen, wo er nur kann. Nach einer gescheiterten Ehe ist Behzat Ç., dessen voller Nachname das Geheimnis seines Erfinders Emrah Serbes ist, nicht besonders gut auf Frauen zu sprechen – was ihn nicht daran hindert, sich auf das ein oder andere erotische Techtelmechtel einzulassen. Einzig seine Tochter Berna lag dem mürrischen Ermittler am Herzen, und ausgerechnet sie wurde im Lauf der ersten Staffel ermordet.

Krimiserie in der Türkei heftig umstritten

Die Serie lebt aber nicht nur von ihrer sperrigen Hauptfigur und spannenden Plots, sondern ist auch wegen ihrer sozialkritischen Töne bei vielen Zuschauern beliebt – so geht es schon mal um die fragwürdige Inhaftierung unliebsamer Intellektueller oder um Journalisten, die regierungskritische Schriften verfasst haben. Doch an den Krimis scheiden sich die Geister, denn manchen Zuschauern und vor allem offiziellen Stellen ist der saufende und fluchende Kommissar ein Dorn im Auge. So verwarnte die türkische Fernsehaufsicht den TV-Kanal "Star TV" bereits wiederholt und verhängte wegen des exzessiven Alkohol- und Zigarettenkonsums von Behzat Ç. sogar eine Geldbuße gegen den Sender.

Auch der für Medienpolitik zuständige Vizepremier Bülent Arinç wandte sich gegen die Serie, die aber ungeachtet aller Kritik weiterlaufen soll. "Es besteht nicht die geringste Absicht, die Serie vor ihrem eigentlich im Drehbuch vorgesehenen Ende einzustellen", teilte die Geschäftsführung von "Star TV" vor Kurzem auf dem Höhepunkt einer hitzigen Debatte über "Behzat Ç. – Kriminalgeschichten aus Ankara" mit. Die Fans der Serie können sich also auf weitere Abenteuer mit dem türkischen Schimanski freuen.