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Bis heute steigt Wolfgang Huber immer wieder auf die Kanzel.
Profilierter Protestant
Eine Biografie zeichnet das Wirken des Theologen Wolfgang Huber nach
Zweimal war er als Bundespräsident im Gepräch. Wolfgang Huber gilt vielen als kluger Analytiker und brillanter Redner. Jetzt ist über den Sozialethiker und früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Biographie erschienen.
09.06.2012
epd
Rainer Clos

Im August wird Wolfgang Huber 70 Jahre alt. Vor wenigen Monaten, als eine "überparteiliche Lösung" für das Amt des Bundespräsidenten gesucht wurde, gehörte der profilierte Protestant zu den aussichtsreichen Kandidaten für das höchste Amt im Staat. Schon bei der Präsidentenkür 2010, es ging um die Nachfolge für Horst Köhler, war der Name Huber ins Gespräch gebracht worden. 

Seine "kritische Biografie" über den Theologen Huber wäre im Falle der Wahl wohl zu einem Bestseller geworden, ist der Autor und "taz"-Journalist Philipp Gessler überzeugt. Huber gilt aber auch so als eine "intellektuelle und moralische Instanz". Sein Werdegang als Theologe, seine Familiengeschichte, sein Wirken als Berliner Bischof und an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), deren Gesicht er von 2003 bis 2009 war, bieten genügend Stoff für eine Lebensbeschreibung.

Ein Leben für Protestantismus und Politik

"Wolfgang Huber hat ein Leben für den Protestantismus und für die Politik geführt", resümiert der Autor. Dass bei der Buchpräsentation am Donnerstag (14. Juni) mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ein Politiker die Einführung übernimmt, verwundert deshalb nicht.

Auch im dritten Jahr nach seinem Ausscheiden aus kirchlichen Leitungsämtern ist Huber gefragt - innerkirchlich wie außerkirchlich. Allein im Juni predigt er in Brandenburg an der Havel sowie in Festgottesdiensten in Rösrath und Berlin. Beim Kongress für Intensivmedizin spricht der Sozialethiker zur Eröffnung, in Freiburg und Frankfurt hält er Vorträge vor Ärzten und einem Manager-Netzwerk. Eine Fernsehaufzeichnung und ein Auftritt beim XI. Internationalen Bonhoeffer-Kongress im schwedischen Sigtuna finden sich ebenfalls unter den Terminen.

In seiner Huber-Biografie stützt sich Gessler neben Gesprächen mit Wolfgang und Kara Huber, den Kindern und anderen Angehörigen auch auf Eindrücke und Einschätzungen von Mitarbeitern, Weggefährten und Zeitgenossen - darunter Kirchenleute, Politiker, Professorenkollegen und Schüler. Dabei erfährt der Leser nicht allein von dem neuen Selbstbewusstsein, zu dem der "Antreiber" der evangelischen Kirche in der Begegnung mit der katholischen Kirche, ebenso wie im Austausch mit den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Eliten verhalf. Auch Hubers Eintreten für den Religionsunterricht in Berlin und sein Reformkurs "Kirche der Freiheit" im evangelischen Föderalismus und gegen Selbstsäkularisierung werden beleuchtet.

Von Bonhoeffer beeinflusst

Der Autor spürt ebenso der von Bonhoeffer beeinflussten Theologie Hubers nach, dem lange Zeit das Etikett eines "Linksprotestanten" anhaftete. Ob als Hochschullehrer, stellvertretender Leiter der evangelischen Forschungsstätte, Kirchentagspräsident, Bischof oder EKD-Ratvorsitzender, die Grundmelodie in Hubers Werdegang bleibt "Kirche und Öffentlichkeit".

Und die Biografie buchstabiert auch die großen Themen, denen sich Huber zeitlebens verschrieben hat: Ökumene, Staatskirchenrecht, Islam, Menschenrechte und die Debatte über Leben und Tod: "Das ist ja eines meiner großen Themen: der ethisch verantwortbare Umgang mit den voranschreitenden Erkenntnissen und Möglichkeiten der Biowissenschaften, gerade mit Blick auf die Grenzsituationen zu Beginn und am Ende des Lebens", sagt der Sozialethiker.

Auch der Frage, ob der angesehene Theologe nach seiner Sturm- und Drangphase in seinen vielfältigen Ämtern "nachgedunkelt" sei, spürt die Lebensbeschreibung nach: "Das trifft zu, wenn man unter Nachdunkeln ein stärkeres Wertlegen auf die persönliche Frömmigkeit und auf den missionarischen Auftrag der Kirche versteht", meint Huber selbst.

Dynamischer Kirchenmann

Beunruhigen würde ihn die Vorstellung, dass er sich über die Jahre nicht verändert habe. Und der langjährige Präses der EKD-Synode und SPD-Politiker Jürgen Schmude findet: "Wenn man die 65 überschritten und mehr Lebenserfahrung angesammelt hat, dann mischt sich das, was man früher erlebt hat, mit dem, was man jetzt erkennt. Da kann man ziemlich dunkel werden."

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Überdies erhält der Leser einige Einblicke in das Familienleben Hubers, der in der Öffentlichkeit vor allem als kluger Analytiker und mit brillanten Reden und Predigten besticht. Gerade die familiären Verflechtungen in den Zweigen der Familie Huber, die Gessler behutsam und ohne Enthüllungsabsicht nachzeichnet, liefern manchen Anhaltspunkt für das Handeln und Selbstverständnis des dynamischen Kirchenmanns.