Sie werteten die Papiere von Schiffsladungen und Logistikunternehmen aus, Polizeiprotokolle, Parlamentsanfragen – immer auf der Suche nach den geheimen Wegen und Profiteuren des Waffenhandels während des Jugoslawien-Krieges. Das slowenische Journalistenteam Matej Surc und Blaz Zgaga mussten für ihre Recherchen die EU-Grenzen überschreiten, Quellen und journalistische Mitarbeiter in anderen Ländern finden. Ein aufwändiges Rechercheprojekt, dessen Enthüllungen auf dem slowenischen Buchmarkt zurzeit ein Bestseller sind. "Solche grenzüberschreitenden Projekte schrecken Verlage oft ab", sagt die dänische Journalistin Brigitte Alfter, die seit mehr als zehn Jahren eben solche Projekte zu finanzieren hilft.
Mit Scoop, einem an eine Nichtregierungsorganisation angebundenen Journalismus-Projekt, das Geld vom dänischen Außenministerium erhält und Recherchen in Ost- und Südost-Europa fördert. Und mit Journalismusfund.eu, das bei Stiftungen in der ganzen EU um Geld für Rechercheförderung wirbt – und sie dann an Rechercheprojekte vergibt, bei denen die Grenzen der EU überschritten werden müssen. "Was passiert, wenn Ärzte in einem EU-Land ihre Zulassung verlieren und in ein anderes einwandern", beschreibt Alfter eine aktuelle Recherche eines österreichisch-britischen Teams. "Ein klassisches Verbraucherthema, für das man aber über den nationalen Tellerrand schauen muss." Verbrechen, Verwaltung, Politik und Wirtschaft - "all das wird viel zu oft nur national betrachtet, obwohl es das nicht ist", so die Journalistin. "Weil die Medien in einer Umbruchphase stecken und solche Recherchen sehr teuer sind, werden wichtige Geschichten nicht realisiert."
Es fehlt an Geldgebern
Sie sieht ihre Journalisten-Finanzierung als Hilfe in dieser Zeit. "Das journalistische Handwerk muss weitergegeben werden und weiter laufen, auch in einer Zeit, in denen der etablierte Journalismus an neuen Geschäftsmodellen bastelt." Für Journalismus.eu entscheidet eine vierköpfige anonyme Jury "aus renommierten investigativen Journalisten" darüber, für welches Projekt Förderung fließt. Dann wird der Verdienstausfall gezahlt, die Reisekosten "und alles, was für den speziellen Fall ansteht", sagt Alfter. 22 Stipendien im Wert von 90.000 Euro wurden seit 2009 vergeben. "Dem standen Bewerbungen im Wert von rund 781.000 Euro gegenüber." Leider sei es nicht leicht, Geldgeber davon zu überzeugen, in Journalismus zu investieren.
In den USA läuft das offenbar besser: Mit Pro Publica und Spot.us werden erfolgreich Recherchen finanziert, die öffentlich großen Widerhall finden. "Im deutschen Stiftungswesen spielt Journalismus nur eine minimale Rolle", sagt Leonard Novy, einer der beiden Leiter des Berliner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Allerdings sei auch die Medienkrise, über die auch hier viele Verleger klagen, nicht so ausgeprägt. "Wir haben einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und es gibt keine Region ohne ein journalistisches Medium", sagt Novy. "In den USA ist der Leidensdruck viel größer. Es gibt ganze Landstriche ohne Zeitungen, das erhöht natürlich die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun", sagt der Politik- und Medienforscher.
Stiftungen erhöhen die Meinungsvielfalt
Er findet Journalismus-Stiftungen dennoch auch für Deutschland sinnvoll. In vielen Regionen gebe es nur eine Zeitung – auf Kosten der Meinungsvielfalt. "Inzwischen sind auch einige Blogs entstanden, die alternativen Lokaljournalismus anbieten, Stiftungen könnten solche regionale Journalisten-Projekte gezielt fördern", so der Medienforscher. Und auch als "Innovationsmotor" sei eine "Stiftung Journalismus" wichtig. "Was Daten-Journalismus angeht – sowohl bei der Recherche als auch bei der Darstellung komplexer Zusammenhänge – ist der deutsche Journalismus nicht sehr weit", sagt Novy. "Seine Entwicklung ist auch erst einmal kostspielig." Auch die Entwicklung neuer Medienformate mit mehr Einbindung der Leser und Social Web-Nutzer stehe noch in den Kinderschuhen. "Das könnte eine Finanzsäule wie eine Stiftung vorantreiben, weil sie die Journalisten unabhängig vom kurzfristigen Renditedruck arbeiten lassen."
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Wie unabhängig die Stiftungen sind, hängt vom Modell ab. "Transparenz ist dabei sehr wichtig, sonst steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel", sagt Novy. Vorstellbar sei nach Vorbild der Filmförderung auch staatliche Medienförderung – die wie bei i-Scoop Geld für einen übergeordneten Zweck zur Verfügung stellt. "Journalismus hat schließlich eine wichtige demokratische Funktion." Daher sei auch die Medienpolitik bei seiner Erhaltung gefragt.
Oder die Masse finanziert: Wie es beim Recherche-Projekt Mediafunders geplant ist. Crowdfunding - dabei werfen viele kleine Spender ihr Geld für bestimmte Projekte zusammen - soll unabhängigen Journalismus finanzieren. Journalisten, aber auch die andere Nutzer der Plattformen können Themen vorschlagen. "Kommt das benötigte Budget für eine vorgestellte Reportage durch die vielen Klein- und Großförderer (Privatpersonen, Stiftungen, Organisationen und Unternehmen etc.) zusammen, wird sie durch den/die einreichenden oder gewählten Journalisten ausgeführt", erklärt der Schweizer Projektgründer Stefan Hertach auf seiner Webseite. Herauskommen soll dabei "qualitativ hochwertiger, unabhängiger und transparenter" Journalismus, "frei von jeglichen Vorgaben, Einflussnahmen, Geldgebern, Verlagen, von Zensur und Medium" - und mit lokalen, überregionalen und globalen Rechercheprojekten. Zurzeit wird vor allem um Spender geworben.
Stiftungen sind kein Ersatz
Von den Ergebnissen könnten dann auch die etablierten Medien profitieren - denn die Rechercheergebnisse sollen schließlich veröffentlicht werden. Für die europäische Rechercheförderung von Brigitte Alfter ist von vornherein die schriftliche Erklärung einer Redaktion erforderlich, dass sie an den Rechercheergebnissen interessiert ist. Kein Personal für Recherchen im Lokalen, ein ausgedünntes Korrespondenten-Netzwerk - müssen die Verlage sich mit Stiftungs- und anderen Spenden-Modellen kein Geld mehr für Qualität in die Hand nehmen? "Sie sind immer noch in der Verantwortung, guten Journalismus zu liefern", sagt Medienforscher Leonard Novy.
"Stiftungen können nur eine Ergänzung und ein Anstoß sein." Um finanziell schwächelnde Medien zu retten, eignen sich Stiftungen nach seiner Einschätzung sowieso nicht. "Sie sollten Journalismus fördern und nicht einzelnen Medien, sonst ist ihr Wert für potenzielle Unterstützer auch nicht vermittelbar." Gesellschaftlich finanzierter Journalismus sei eine Chance, Journalismus insgesamt zu verändern und zu verbessern. "Dass sich Investitionen zum Beispiel in Recherchequalität lohnen, ist den Verlagen auch bekannt, es werden ja auch in einigen Medienhäusern eigene Investigativ-Abteilungen aufgebaut", so der Medienforscher. "In Langfristiges und Dinge, die noch ausprobiert werden müssen, wird aber nur selten investiert – eine andere Finanzierungsform von Journalismus bietet die Freiheit, das zu tun. Von den Ergebnissen solcher Experimente profitiert dann auch der etablierte Journalismus, der erfolgreiche Ideen übernimmt."