epd-bild / Hans-Rudolf Schulz
Sina Trinkwalder, Gründerin des öko-sozialen Augsburger Textilunternehmens Manomama.
Die Weltverbesserin aus Augsburg
Textilien kommen heute meist aus Billiglohnländern. Nicht aber die von Sina Trinkwalder. Die Unternehmerin lässt Kleidungsstücke in Augsburg nähen - und wehrt sich damit auch gegen die Zwänge der globalisierten Welt.
07.06.2012
epd
Ulrich Jonas

Zwei Millionen Stofftaschen pro Jahr. Als Sina Trinkwalder im November von dieser Anfrage hört, denkt sie: "Spinnt ihr?" Die 34-jährige Gründerin der Online-Bekleidungsmanufaktur "Manomama" hat genug zu tun. Ihr Mann überschlägt: Wenn sie zusagt, braucht sie 40 neue Mitarbeiterinnen und viel größere Räume. Dennoch zögert Sina Trinkwalder nicht lange: "Augsburg war früher Konfektionshochburg." Dann gingen Zehntausende Arbeitsplätze verloren, weil die Textilindustrie in Billiglohnländer wie Vietnam oder Bangladesch abwanderte. "Viele Jobs hier wurden aus Raffgier vernichtet. Ich will den Menschen die Arbeit wiedergeben."

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Zwei Jahre ist es her, dass die gebürtige Fränkin "Manomama" auf die Beine gestellt hat. Seitdem fertigen in der Fugger-Stadt wie einst Frauen (und ein Mann) "öko-soziale Kleidung" für Jung und Alt - gegen die Gesetze der globalisierten Welt. Die Kunden können ihre Lieblingsstücke selbst entwerfen, die Bio-Stoffe kommen fast immer aus der näheren Umgebung und sind sogar kompostierbar. Die Näherinnen arbeiten in Teams nach selbst gewähltem Tempo. Zum Sortiment gehören zudem Schals, Taschen, Gürtel und Schmuck. Der Vertrieb erfolgt per Internet."

"Werbung ist oft völlig sinnfrei"

14 Jahre lang hat die Gründerin mit ihrem Mann erfolgreich eine Werbeagentur geleitet, viel Geld verdient und immer weniger Befriedigung verspürt. "Werbung ist oft völlig sinnfrei, weil Sie überfressenen Menschen Appetit machen sollen", sagt Sina Trinkwalder. Sie aber sehnte sich zunehmend nach "ehrlicher Arbeit". Den letzten Anstoß gab ihr die Geburt ihres Sohnes. "Ich will mir nicht sagen lassen: 'Ihr habt in Saus und Braus gelebt'" - und für die nachfolgende Generation nichts übriggelassen. 1,4 Millionen Euro hat Trinkwalder in die Firma gesteckt. 2013 will sie schwarze Zahlen schreiben.

Eine unscheinbare Halle in der Augsburger Innenstadt: Das Tackern von Industrienähmaschinen füllt den Raum. Rund 40 Frauen arbeiten hier seit Ende Februar, jede so viel und so lange, wie sie kann und will. Für die meisten ist es der erste Job nach langen Jahren Arbeitslosigkeit. 1.800 Menschen haben sich bei Trinkwalder beworben, 167 Bewerbungsgespräche hat sie geführt. "Ich habe mir zwei Wochen Zeit genommen und mir jedes einzelne Schicksal angehört."

Chance für die Durchgefallenen

Eine Chance hat sie vor allen denen gegeben, die anderswo durchfallen: Alleinerziehende, Migranten, Ältere. Ob schnell oder langsam, gut ausgebildet oder nicht: Jede der "Ladies", wie Trinkwalder ihre Mitarbeiterinnen liebevoll nennt, verdient zehn Euro die Stunde. Anderswo in Deutschland verdienen Näherinnen teils weniger als 7,50 Euro.

Barbara Hausmanninger ist gelernte Damenschneiderin. Die kräftige Frau mit den kurzen grauen Haaren hat so viele Arbeitsamts-Maßnahmen durchlaufen, dass sie sie nicht mehr zählen kann. Nun sitzt die geschiedene Mutter zweier erwachsener Kinder an einer der Maschinen und näht von morgens bis abends. "Ich habe nicht gedacht, dass ich noch so belastungsfähig bin. Aber es geht gut", sagt die 52-Jährige. Heute jedoch ist sie sehr müde, "ich könnte sofort einschlafen." Worauf Sina Trinkwalder meint: "Die Barbara ist hammermäßig. Die näht mit geschlossenen Augen!"

Nähen mit geschlossenen Augen

Im April waren die ersten 130.000 Taschen fertig, Auftraggeber ist die Drogeriemarktkette dm. "Ich würde es mit keinem anderen machen", sagt Trinkwalder über die Zusammenarbeit mit dem Vorzeige-Unternehmer Götz Werner. Zwei Euro kostet eine Stofftasche bei dm, die Fertigung erfolgt zum Selbstkostenpreis: "Dafür steht drauf, wer sie macht und woher sie kommen."