Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) hat sich enttäuscht über den Verlauf der Verhandlungen vor dem UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung ("Rio+20") geäußert. Zwei Wochen vor Beginn der Weltkonferenz in Rio de Janeiro sei ein Scheitern nicht mehr auszuschließen, sagte EED-Referent Michael Frein dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei Finanzfragen, Technologietransfer und "grüner Wirtschaft" gebe es massive Konflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Die Konferenz findet vom 20. bis 22. Juni statt, 20 Jahre nach dem Erdgipfel in Rio von 1992.
Machteinfluss von Konzernen zu groß
Mehr als 300 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in aller Welt beklagen eine zu große Einflussnahme multinationaler Konzerne auf die Vereinten Nationen. In einem gemeinsamen Aufruf an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordern sie, die Macht der Unternehmen bei der Weltorganisation zu beschränken. Paul de Clerck vom Umweltnetzwerk Friends of the Earth International sagte die UN seien für den Rio-Gipfel Partnerschaften mit der Internationalen Handelskammer und dem Unternehmerrat für Nachhaltige Entwicklung eingegangen.
Während die Industrie als wichtiger Fürsprecher einer "grünen Wirtschaft" gefeiert werde, werde ihre Rolle bei Finanz-, Klima- und Nahrungsmittelkrisen verschwiegen. Nach Ansicht des Bündnisses widerspricht die Einstufung der Industrie als "gewichtige Interessengruppe" (major group) bei Verhandlungen der UN-Charta.
Angst vor Klimazöllen
Dem EED zufolge sind im geplanten Abschlussdokument des Gipfels immer noch rund 280 Textstellen strittig, darunter Passagen zur "Green Economy". Der Norden sei nicht bereit, seinen Konsum- und Produktionsstil mit verschwenderischem Ressourcen-Verbrauch zu hinterfragen. Und die Entwicklungsländer befürchteten, dass der Norden das Umsteuern auf eine nachhaltige Wirtschaft als Vorwand zur Abschottung seiner Märkte missbrauchen könnte. "Als nächstes kommen dann die Klimazölle, glauben sie", sagte der EED-Handels- und Umweltexperte Frein.
Wegen des technologischen Vorsprungs der Industrienationen in der Umwelttechnik glaubten die Länder des Südens sich bei "Green Economy" stark im Nachteil, wenn sie keinen Zugang zu Technologie bekämen. Der Norden müsse sich bewegen, sagte Frein. Die Forderung, bis 2017 jährlich 30 Milliarden US-Dollar und danach 100 Milliarden zusätzlich bereitzustellen, stoße aber auf einhellige Ablehnung.
Frein: "Aber wie soll man den Armen in Brasilien klarmachen, dass sie den Amazonas für das Weltklima schützen sollen, aber für die dafür notwendige Technologie in harter Währung zahlen sollen?" Richtige Impulse für einen weltweiten ökologischen Wirtschaftskurs seien von der Rio-Konferenz daher wohl kaum zu erwarten. Frein: "Alle wollen weitermachen wie bisher."