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Die Iraner Arash Dosthossein ( l.) und Mohamad Hassanzadeh Kalali stehen am Montag (04.06.12) vor einem Protestplakat am Dominikanerplatz in Würzburg.
Mit zugenähten Mündern im Hungerstreik
Der Protest der iranischen Flüchtlinge in Würzburg spitzt sich zu: Zwei der zehn Männer sind am Montag mit zugenähten Mündern erneut in Hungerstreik getreten. Viele bisherige Unterstützer der Iraner sind irritiert und distanzieren sich.
04.06.2012
epd
Daniel Staffen-Quandt

Es ist ein verstörendes Bild. Menschen schlendern durch die Würzburger Innenstadt, essen Eis oder kaufen ein. Mittendrin steht seit Wochen ein weißer Gartenpavillon, behängt mit Transparenten und Fotos. Zehn Iraner demonstrieren dort für eine Verbesserung der Asylpraxis in Deutschland und eine Anerkennung als politische Flüchtlinge - sechs von ihnen haben inzwischen einen Aufenthaltstitel bekommen. Zwei der vier übrigen Männer sind am Montag zum dritten Mal seit Beginn des Protests in einen Hungerstreik getreten. Diesmal mit zugenähten Mündern.

Die Iraner erklärten, sie wollten mit der Aktion den Protest radikalisieren und auf eine "höhere Stufe der Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit heben". In einer Mitteilung gerieren sich die beiden Männer fast schon im Duktus von Märtyrern: "Wir riskieren viel. Aber wir gehören nicht zu denen, die mit ihrem Leben spielen, um das zu beweisen." Sie suchten zwar "nicht den Tod, aber es besteht die Möglichkeit, dass er uns finden wird", schreiben sie.

Das Zunähen "schadet allen iranischen Flüchtlingen"

Mohamad Hassanzadeh Kalali und Arash Dosthossein haben sich ihre Münder mit je vier Stichen mit einem grünen OP-Faden zusammennähen lassen, sie können weiter vorsichtig sprechen und Flüssigkeit durch einen Strohhalm aufnehmen. Die Iraner kündigten auf Nachfrage an, dass alle drei Tage ein weiterer Mann seinen Mund zunähen lassen werde, sollten die Behörden nicht alle zehn als politische Flüchtlinge anerkennen. Die deutschen Unterstützer, die bislang oft im Namen der Männer sprachen, halten sich am Montag auffällig im Hintergrund.

Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Iraner die Form ihres verschärften Protests bis zuletzt auch vor ihren Unterstützern geheim gehalten hatten. Entsprechend geschockt und irritiert reagierten die meisten. Der Bayerische Flüchtlingsrat etwa verurteile "Verstümmelungen dieser Art als Form des Protests" entschieden, sagte Sprecher Alexander Thal. Es sei richtig und wichtig, dass Flüchtlinge demonstrieren und für ihr Recht kämpfen, dabei unterstütze man sie auch. "Aber das geht entschieden zu weit", betonte Thal.

Auch Shahnaz Morattab von der Internationalen Föderation Iranischer Flüchtlinge verurteilte das Zunähen der Münder scharf. Sie sei von der Aktion vorab nicht informiert worden, sagte sie. Die Förderation habe den Protest der zehn Männer in den vergangenen 80 Tagen nach Kräften unterstützt, damit sei nun aber "definitiv Schluss", wenn die beiden ihre Münder weiter zugenäht ließen. Dieses Verhalten schade "den berechtigten Anliegen aller iranischen Flüchtlinge in Deutschland".

Abschaffung "menschenunwürdiger Residenzpflicht"

Auch innerhalb der Gruppe scheint nicht jeder mit der Radikalisierung des Protests einverstanden. Ihr Sprecher Hassan "Massoud" Hosseinzadeh sagte, nicht alle zehn seien mit der Aktion einverstanden, dennoch habe man sich nicht von den beiden Männern distanzieren wollen. Stattdessen zeigten sich die anderen solidarisch, indem sie ihre Münder mit Klebeband verschlossen.

Bei der Stadt Würzburg und der Polizei sieht man die Entwicklung zwar mit Sorge, ein Grund für ein Eingreifen bestehe derzeit aber nicht. Ein Stadtsprecher verwies auf die bestehende Genehmigung des Protests, daran werde man nicht rütteln. Laut Polizei gibt es noch keine Hinweise auf eine akute Selbstgefährdung der beiden Männer, die ein Einschreiten nötig und rechtlich überhaupt zulässig machen würden.

Die zehn Iraner demonstrieren seit dem 18. März ununterbrochen und rund um die Uhr in Würzburg. Zwei Mal befanden sie sich bereits im Hungerstreik. Sechs Iraner haben inzwischen Aufenthaltstitel erhalten, die übrigen vier Fälle liegen derzeit bei Verwaltungsgerichten. Die zehn fordern zudem die sofortige Schließung der Gemeinschaftsunterkünfte, einen sofortigen Abschiebe-Stopp in alle Länder, die Abschaffung der "menschenunwürdigen" Residenzpflicht sowie die Anerkennung aller protestierenden Iraner als politische Flüchtlinge.