epd-bild/Thomas Lohnes
Die Brunnen in den Nuba-Bergen sind gefährliche Orte, seit die Regierung des Sudan dort ihre eigene Bevölkerung bebombt.
Der vergessene Krieg in den Nuba-Bergen
Sudans Präsident Al-Baschir führt Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Seit einem Jahr wird in den Nuba-Bergen wieder gekämpft. Bomben treffen Kinder und Frauen am Brunnen, Rinderhirten bei ihren Herden.
03.06.2012
epd
Bettina Rühl

Das Unheil kam an einem Morgen vor elf Monaten. Djamila, damals acht Jahre alt, wollte wie jeden Tag ihrer Mutter helfen, nahm den Wasserkanister und ging zum Brunnen. In ihrem Dorf in den Nuba-Bergen im Sudan gibt es keine Wasserleitungen. Am Brunnen traf sie andere Kinder und Frauen. "Plötzlich sah ich das Flugzeug am Himmel", erzählt das Mädchen mit leiser Stimme. "Ich schrie, um die anderen zu warnen, und wir alle rannten los."

Aber es war zu spät. Djamila und einige andere Kinder wurden von der Bombe getroffen, die Soldaten der sudanesischen Luftwaffe aus einer Antonow-Transportmaschine abgeworfen hatten. Seitdem ist Djamila querschnittsgelähmt. "Ein Bombensplitter hat das Rückenmark im Nacken verletzt", sagt der Arzt Tom Catena, der das Mädchen in einem Krankenhaus in dem Ort Gidel in den Nuba-Bergen behandelt. "Djamila wird nie wieder gehen."

Die Bomber zielen auf Menschen

Das Krankenhaus wird von der zuständigen katholischen Diözese El Obeid betrieben. Catena ist der einzige Arzt in einem Gebiet von der Größe Baden-Württembergs, in dem einst 400.000 Menschen lebten. Inzwischen dürften es weniger sein, denn seit fast genau einem Jahr ist in den Nuba-Bergen wieder Krieg. Zehntausende Bewohner sind bereits geflohen.

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Die Bomberpiloten scheinen bewusst auf die Menschen zu zielen, die an Brunnen für Wasser anstehen oder die Rinderherden hüten. Jedenfalls seien unter den Opfern der Luftangriffe auffällig viele Frauen und Kinder, die am Brunnen oder bei den Herden getroffen wurden, berichtet Catena. Weil auch Männer und Frauen bei der Feldarbeit immer wieder von Bomben verletzt und getötet werden, wagt kaum noch einer, seinen Acker zu bestellen.

Obwohl das gegen alle Regeln des Krieges verstößt, nimmt die internationale Öffentlichkeit das Sterben in den Nuba-Bergen kaum zur Kenntnis. Die Gegend ist so abgelegen und unzugänglich, dass kaum eine Nachricht nach außen dringt. Außerdem ist der Hintergrund der Kämpfe komplex. Während des langen Krieges um die Unabhängigkeit des Südsudan kämpften die Rebellen in den Nuba-Bergen Seite an Seite mit den Aufständischen im Süden.

Sudan oder Südsudan? Die Bevölkerung wurde nicht gefragt

Als die sudanesische Regierung 2005 mit dem Süden einen Friedensvertrag schloss, hörten die Kämpfe auch in den Nuba-Bergen auf. In dem Friedensvertrag blieb der Status der Nuba-Berge, die zum Bundesstaat Süd-Kordofan gehören, allerdings offen.

Die Bevölkerung sollte in einem Referendum später selbst bestimmen, ob sie zum Norden oder zum Süden gehören will. Diese Abstimmung hielt Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir nie ab. So wurde der Südsudan am 9. Juli 2011 ohne die Nuba-Berge unabhängig, deren  Bevölkerung auch gar nicht unbedingt zum Süden gehören will.

"Wir kämpfen, um das Regime im Norden zu ändern", erklärt Barabas Kuku, der Vertreter der Oppositionsbewegung SPLM-Nord, die das Gebiet faktisch kontrolliert. "Jeder soll in Freiheit leben können, alle Menschen sollen die gleichen Rechte haben." Der bewaffnete Arm der SPLM-Nord griff im Juni 2011 erneut zu den Waffen. Anlass war die Gouverneurswahl, die in ihren Augen gefälscht war. Es gewann ein Kandidat der Regierung, der vom Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher gesucht wird.

Die internationalen Helfer sind geflohen

Seitdem wird in den Nuba-Bergen wieder gekämpft. Ein ungleicher Kampf, denn Sudans Armee kämpft vor allem gegen die eigene Bevölkerung. Vor dem Bombenterror sind fast alle internationalen Organisationen geflohen. Geblieben sind einige Priester und Nonnen und der Diözese. Außer Djamila wird hier auch die 22-jährige Malda behandelt. Ihr Gesicht, ihre Arme und Beine sind schwer verbrannt. Sie war in ihrer Hütte, als die Antonow kam. Ihre beiden Kinder, 16 Monate und vier Jahre alt, waren auf der Stelle tot. Auch eine Nachbarin starb sofort. Malda überlebte mit schweren Verletzungen.

Der Arzt Catena sieht solche schwersten Verbrennungen zuletzt häufiger. "Wenn das keine Napalm-Bomben sind, dann ist es etwas Ähnliches", sagt er. "Vielleicht handelt es sich um irgendeinen Zusatzstoff zu Benzin, der bewirkt, dass es einen riesigen Feuerball gibt, wenn die Bombe explodiert. Das ist die einzige Erklärung die ich dafür habe, dass die Menschen auf diese furchtbare Weise verbrannt sind."