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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Schlafende Hunde"
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Schlafende Hunde", 3. Juni, 20.15 Uhr im Ersten
Eine alte Frau wird tot in ihrer Wohnung gefunden. Herzinfarkt, stellt der Gerichtsmediziner fest. Misstrauisch wird Kommissarin Lürsen nur, weil die Wohnung einem Hochsicherheitstrakt ähnelt; und weil der Hund der Frau verschwunden ist.

Unter normalen Umständen würde man sagen: tolle Geschichte, aber völlig unrealistisch. Autor dieses anspruchsvollen "Tatort"-Films aus Bremen ist allerdings (mit Unterstützung durch Dagmar Gabler) Wilfried Huismann, den schon allein seine diversen Grimme-Preise als unbestechlichen Dokumentaristen ausweisen; so jemand würde sich nicht mal durch die eigene Fantasie korrumpieren lassen. Und so ist das Drehbuch zu "Schlafende Hunde" gewissermaßen eine Spekulation auf der Grundlage von Tatsachen. Eine davon lautet laut Huismann: Nach Schätzungen von ermittelnden Staatsanwälten habe die Staatssicherheit kurz vor dem Ende der DDR "20 Milliarden Westmark auf die Seite geschafft und in einem weltweit operierenden Firmennetzwerk angelegt. Die alte DDR-Stasi ist tot, die neue ist überall." Mit anderen Worte: Die Mörder sind unter uns. Und dass dies der Titel eines Films von Wolfgang Staudte über einen unbehelligt im Nachkriegs-Deutschland lebenden Kriegsverbrecher ist (übrigens eine Produktion der ostdeutschen Defa), passt durchaus ins Bild.

Es gibt eine Menge Erklärungsbedarf

Die Erstausstrahlung des Films war im Frühsommer 2010. Die Geschichte war quasi ein grimmiger Kommentar zum damals bevorstehenden Einheitsjubiläum. Ein ungewöhnlicher "Tatort" ist "Schlafende Hunde" in jedem Fall: Huismann und Gabler erzählen den Krimi vor allem als Polit-Thriller. Kurzfilm-"Oscar"-Preisträger Florian Baxmeyer inszeniert den Film angemessen hintergründig. Allerdings ist die Handlung entsprechend dialoglastig: Es gibt eine Menge Erklärungsbedarf. Dabei wäre die Akte im wirklichen Leben rasch geschlossen: Eine alte Frau wird tot in ihrer Wohnung gefunden. Herzinfarkt, stellt der Gerichtsmediziner fest. Misstrauisch wird Kommissarin Lürsen (Sabine Postel) nur, weil die Wohnung einem Hochsicherheitstrakt ähnelt; und weil der Hund der Frau verschwunden ist. Als Stedefreund (Oliver Mommsen) ihn findet, entdecken sie buchstäblich den Schlüssel zu einem Fall, der weit in die ostdeutsche Vergangenheit zurückreicht.

Im Zuge der Ermittlungen stellt sich raus, dass die Seilschaften von damals auch heute noch bestens funktionieren, dass ein Wohltäter (Jürgen Prochnow) längst nicht so unbescholten ist, wie er tut, dass seine innige Beziehung zu einer jungen Frau (Laura Tonke) eine verbotene Liebe ist und dass die gutgeölte Maschinerie eines Geheimdienstes auch ohne Staat noch wie geschmiert funktionieren kann. An den Methoden hat sich ohnehin nichts geändert, weshalb Stedefreund vorübergehend überzeugt ist, seine Chefin habe als "IM Schneewittchen" für die Stasi gespitzelt.

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Wer die Qualität eines Krimis an den Action-Elementen misst, wird allerdings enttäuscht sein. Baxmeyer verzichtet fast völlig auf die üblichen spannungssteigernden Zutaten. Die Dramatik steckt nicht in den Bildern, sondern hinter ihnen. Es ist die Geschichte, die die Faszination dieses Film ausmacht: ihre Komplexität, aber auch ihre Ungeheuerlichkeit; und die Gewissheit, dass alles wahr sein könnte, schließlich steht der Name Huismann für Fakten und nicht für Fiktion.