epd/Ettore Ferrari
Papst Benedikt XVI. mit seinem ehemaligen Kammerdiener Paolo Gabriele (vorne links) im Juni 2010. Paolo Gabriele wurde am 25. Mai 2012 wegen des Verdachts festgenommen, er habe vertrauliche Dokumente weitergeben wollen.
Geheimhaltung im Vatikan nährt Gerüchteküche
Die vatikanischen Behörden ermitteln, geben aber bisher keine Details bekannt
Der Vatikan steht mal wieder im Zentrum von Verschwörungstheorien. Erst musste der Chef der Vatikanbank gehen, dann wurde der Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. verhaftet. Was steckt dahinter? Eine Analyse über die Vorgänge im Vatikan.
31.05.2012
epd
Bettina Gabbe

Unter dem Eindruck der "VatiLeaks"-Affäre und der Entlassung des Chefs der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, wird wie nie zuvor in Italien öffentlich über Forderungen nach einem Rücktritt des Papstes diskutiert. Daraufhin brach Benedikt XVI. mit der ungeschriebenen Regel, interne Misshelligkeiten der Kirchenspitze nicht öffentlich zur Sprache zu bringen.

Erstmals äußerte sich das Kirchenoberhaupt zu den Verschwörungstheorien über Intrigen im Vatikan gegen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Während das nach Darstellung von einigen Medien "schwache" Kirchenoberhaupt  sich traurig über Spekulationen um Vorgänge im Vatikan zeigte, verurteilte sein "Innenminister" die Preisgabe vertraulicher Informationen ebenfalls öffentlich.

Details wie aus einfachgestrickten Spionage-Romanen

Erzbischof Angelo Becciu, der nach dem Papst und dem Kardinalstaatssekretär das drittwichtigste Amt im Vatikan ausübt, hält die Veröffentlichung interner Dokumente für einen "unmoralischen Akt von unerhörter Schwere". Derweil nannte der Erzpriester des Petersdoms, Kardinal Angelo Comastri, Mediendarstellungen über den Vatikan schlicht "phantasievoll". Der Papst werde nicht zurücktreten, glaubt der Kurienkardinal, der als Vertrauter Benedikts gilt.

Unterdessen ermitteln die vatikanischen Behörden über die "Raben", die vertrauliche Dokumente des Papstes offenbar gezielt an die Öffentlichkeit brachten. Wer Geheimnisse zu welchem Zweck preisgab, bleibt auch Monate nach den ersten Veröffentlichungen interner Vatikanpapiere im Dunkeln. Zu der Aura des Geheimnisvollen trägt nicht zuletzt die Verschwiegenheit im Vatikan bei. Sie beflügelt seit jeher Spekulationen und Verschwörungstheorien.

Aus Mangel an belegbaren Informationen veröffentlichten italienische Tageszeitungen Interviews mit angeblichen Mitgliedern der Gruppe, die durch die Verbreitung vertraulicher Papiere angeblich den engsten Mitarbeiter des Papstes, Kardinalstaatssekretär Bertone, schwächen will. Ob es sich bei den mit Details wie aus eher einfach gestrickten Spionage-Romanen ausgeschmückten Artikeln tatsächlich um seriöse Informationen handelt, kann niemand nachprüfen.

Machtkampf zwischen italienischen Kurienkardinälen

In Vatikankreisen wird die eigene Geheimhaltungspolitik derweil mit dem Argument verteidigt, dass sie die Ermittlungen gegen den oder die Maulwürfe schützen helfe, die Informationen nach außen schleusten. In Italien ist es durchaus üblich, ausführlich in den Medien aus Ermittlungsakten zu zitieren.

Angesichts der Versuche des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, Prozesse zu unterbinden, schienen die Veröffentlichungen das einzige Mittel, die Justiz seiner Kontrolle zu entziehen. Die Menge der veröffentlichten Ermittlungsakten ließ jedoch gleichzeitig die Frage aufkommen, ob ausführliche Zitate aus kompromittierenden Verhören nicht auch politischen Zwecken dienten.

Nach Einschätzung von Vatikanbeobachtern ist die "VatiLeaks"-Affäre in jedem Fall ein Symptom für einen Machtkampf zwischen italienischen Kurienkardinälen. So überrascht es nicht, dass vermutlich auch im Vatikan mit der Verbreitung geheimer Papiere machtpolitische Ziele verfolgt werden.

Rücktritt des Papstes wäre Eingeständnis der Schwäche

Die Suche nach den Verantwortlichen für das Leck geht derweil in alle Richtungen weiter. Der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele begann mehrere Tage nach seiner Verhaftung durch die Vatikanbehörden offenbar auszusagen. Daher dürften im Vatikan mittlerweile die Namen weiterer Verdächtiger bekannt sein.

An diesem Freitag sollen erste Ergebnisse der Ermittlungen wegen des Verdachts auf Dokumentendiebstahl vorliegen. Wie weit diese veröffentlicht werden, bleibt abzuwarten. Ein Rücktritt des Papstes wäre in dieser Situation jedoch ein Eingeständnis von Schwäche, das der Vatikan in der derzeitigen Verfassung kaum unbeschadet überstehen würde.