dpa/Soeren Stache
Katrin Sass plädiert in der ARD-Komödie "Heiratsschwindler küsst man nicht" für mehr Frauensolidarität.
"Viele Leute verstehen meinen Humor nicht"
Schauspielerin Katrin Sass im Interview
Die Lebensgeschichte des einstigen DDR-Filmstars Katrin Sass liest sich fast wie ein Drehbuch. Nach der Wende blieben die großen Kinorollen aus, und ihren Job als Kommissarin im "Polizeiruf 110" verlor Sass wegen ihrer Alkoholsucht, über die sie später in ihrer Autobiographie freimütig schrieb. Mit Rollen in Kinofilmen wie "Heidi M." und vor allem der Kinokomödie "Good Bye Lenin" gelang ihr jedoch das Comeback. Voraussichtlich Ende des Jahres wird die in Berlin lebende 55-Jährige in neuen Folgen der preisgekrönten Serie "Weissensee" zu sehen sein. Zuvor gibt es zur Abwechslung leichte Kost: In der Komödie "Heiratsschwindler küsst man nicht" (Freitag, 1.6., 20.15 Uhr, ARD) spielt Sass eine Frau, die nach einem Seitensprung von ihrem Liebhaber erpresst wird und sich gemeinsam mit einer Leidensgenossin an dem Tunichtgut rächt.

Frau Sass, stimmt es eigentlich, dass Sie sich kaum auf Ihre Rollen vorbereiten?

Katrin Sass: Ich lerne natürlich meinen Text, aber viel mehr kann ich ja nicht tun. Die Rolle geht bei mir erst dann los, wenn das rote Kameralicht angeht und mein Partner das erste Wort sagt.

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Manche Schauspieler sind da anders und üben vor den Dreharbeiten sogar daheim gezielt Gesten für die jeweilige Figur.

Sass: Das wäre für mich das Aus, wenn ich vorm Spiegel Gesten üben würde! Das geht doch nur mit dem Gegenüber – wenn mein Filmpartner mir in der Szene in die Augen schaut und sagt: "Du dumme Kuh!", darauf kann ich reagieren. Sobald die Kamera angeht sind nur noch mein Partner und ich wichtig. Alles entsteht in diesem Moment, auch die Emotionen – sofern sie denn entstehen. Bei manchen Filmen entstehen sie ja auch nicht.

"Manchmal zieht es mir die Schuhe aus, wenn ich mir freitagabends Fernsehkomödien ansehe"

Sind bei den Dreharbeiten zu „Heiratsschwindler küsst man nicht" denn Emotionen entstanden?

Sass: Doch, da gab es einige sehr schöne Momente, wir waren mit Petra Kleinert und Jasmin Schwiers eine wunderbare Truppe. Wir hatten Spaß und haben viel gelacht – ich brauche diesen Humor auch. Viele Leute verstehen meinen Humor nicht. Ein Regisseur hat mir mal gesagt, ich hätte einen männlichen Humor.

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Was heißt das genau?

Sass: Er meinte wohl meine trockenen, schnellen Späße, mit denen ich auf Situationen reagiere. Frauen zucken dann oft zusammen und fragen sich: War das jetzt ernst gemeint?

Warum haben Sie sich eigentlich eine eher leichte Komödie wie "Heiratsschwindler küsst man nicht" ausgesucht? Die Zuschauer kennen Sie ja unter anderem aus der tiefsinnigen Kinokomödie "Good Bye, Lenin" und der großartigen Fernsehserie "Weissensee".

Sass: Ehrlich gesagt zieht es mir ja manchmal die Schuhe aus, wenn ich mir freitagabends Fernsehkomödien ansehe. Nun spiele ich selber in einem Freitagsfilm mit und hoffe, dass die Leute ihn mögen. Den habe ich mir aber nicht ausgesucht, der wurde mir angeboten – es ist ja leider nicht so, dass ich zwischen beliebig vielen Filmen auswählen könnte. Nein, so ist das in Deutschland nicht, da läuft das ein bisschen anders. Vollbeschäftigt sind andere, nämlich die, die man eben immer sieht.

"Ich will mich nicht mehr zwingen, etwas zu machen, nur weil es dazugehört"

Sie klingen unzufrieden...

Sass: Ich war eigentlich noch nie so zufrieden wie im Moment. Aber wissen Sie, früher gab es diesen Druck nicht. Wir hatten 50 Drehtage und arbeiteten nicht mehr als acht Stunden, wir konnten in Ruhe über Geschichten nachdenken. Heute hat man nur noch 23 Drehtage und dreht 13, manchmal 16 Stunden – das ist heftig. Als Frau sitze ich dann zwischendurch im Wohnmobil, kann mich mit meiner Perücke natürlich nicht mal eben zwei Stunden hinlegen, hänge also in einer völlig verkrampften Stellung und warte, bis ich wieder dran bin – und wenn man endlich dran ist, weiß man gar nicht mehr, mit welchem Text. Das ist schon oft hart.

Haben Sie keine Angst, anzuecken, wenn Sie so meckern?

Sass: Ich meckere doch gar nicht, ich sage einfach nur Fakten, die jeder weiß. Und wissen Sie: Letztlich mache ich sowieso alles mit einem Augenzwinkern. Weil mir das Leben seit Jahren wichtiger ist als der Beruf. Natürlich muss ich ab und zu auch mal Geld verdienen, aber ich habe keine Lust mehr, mich im Hamsterrad abzustrampeln. Nee! Ich muss lange schlafen, am liebsten bis zehn oder halb elf. Zum Drehen quäle ich mich hoch, aber da habe ich drei Wecker. Andere brauchen immer weniger Schlaf, wenn sie älter werden, bei mir ist es andersrum. Aber bei mir ist sowieso alles anders.

Wie meinen Sie das?

Sass: Ich wollte jahrelang so sein wie andere, das habe ich jetzt erkannt. Ganze viele sogenannte Freundinnen haben mir zum Beispiel gesagt, dass ich keine Empfänge schwänzen darf, sondern da unbedingt hingehen müsse, das sei wichtig. Aber für mich ist das schwerer als Drehen, ich habe keinen Spaß daran, mit irgendeinem geborgten Tüddelkleid über den roten Teppich zu laufen. Ich will mich nicht mehr zwingen, etwas zu machen, nur weil es angeblich dazugehört. Ich habe ja auf diesen Empfängen mit ihrer oft geheuchelten Freundlichkeit Dinge erlebt, die wirklich deprimierend waren.

"Es ging bei mir immer um Freiheit"

Was zum Beispiel?

Sass: Dass dich jemand umarmt und du fängst ein ernsthaftes Gespräch an, und dann sieht er aus dem Augenwinkel jemanden, der ist noch wichtiger als du, und dann wird dieses Gespräch einfach abgebrochen. Einmal war ich fünf Minuten anwesend für die Fotos und bin dann rausgeschlichen mit meinem langen Kleid und verschwunden, um den Abend bei mir daheim zu genießen.

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Muss man sich als Schauspieler nicht bei solchen Veranstaltungen sehen lassen, um im Geschäft zu bleiben?

Sass: Wenn dich jemand besetzen will, dann tut er das doch nicht, weil er dich auf so einem Empfang gesehen hat. Und was verlangt war, ging bei mir nie. Es ging bei mir immer um Freiheit. Diese Freiheit, die ich in der DDR nicht hatte, die habe ich jetzt endlich. Ich muss wegen meines großen Freiheitsdrangs auch überall mit dem Auto hinfahren, damit ich jederzeit sagen kann: Ich halt’s nicht mehr aus, ich will heute Nacht in meinem eigenen Bett schlafen, ich fahre heim. Selbst wenn ich da unten, wo ich war, nicht mehr rausgekommen wäre, wäre ich doch nach wie vor in der Freiheit - und das ist mir das Wichtigste.

Sie meinen Ihre Alkoholkrankheit vor einigen Jahren, über die Sie auch ein Buch geschrieben haben...

Sass: Ich habe alles durch, was die meisten nicht mal erahnen können. Ich war ganz unten und ganz oben, tiefer geht es nicht und höher auch kaum. Deshalb sehe ich den Beruf jetzt nicht mehr als Nabel der Welt, das ist vorbei. Ich mache Sachen, die mir Spaß machen. Wenn ich kein Geld habe, muss ich natürlich auch mal was machen, was weniger Spaß macht, aber das ist in anderen Berufen ja auch nicht anders.