Thomas Binder (49), Elektriker und Friedhofsverwalter aus Anklam in Pommern, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats
Es ist schön und spannend, so einen Zusammenschluss über viele Grenzen hinweg mitzuerleben, dabei gewesen zu sein, als jeder seine Interessen und Wünsche einbrachte und die drei Landeskirchen sich untereinander besser kennenlernten. Mir persönlich gefällt der Gedanke einer norddeutschen Kircheneinheit, die im Nachhinein noch einmal auch den Fall der Mauer besiegelt und uns noch stärker zu Brüdern und Schwestern macht.
Ja, als Pommer bedauert man natürlich auch die Auflösung vertrauter Strukturen. Vielleicht werden wir recht laut brüllen müssen, um in Kiel, dem neuen Sitz des Landeskirchenamtes, gehört zu werden. Doch insgesamt sehe ich einen Vorteil darin, dass wir nun zu einem so großen Verbund gehören. Ich erhoffe mir davon, dass wir dadurch auch auf Bundesebene ein größeres Mitspracherecht erhalten. Besser, als wenn das kleine Pommern so vor sich hindümpelt.
"Natürlich wäre es toll, wenn wir viel mehr Mitarbeiter vor Ort hätten."
Dass die Fusion mit einer Art Erneuerung der Kirche einhergehen könnte, so was habe ich gar nicht erst erwartet. Dazu sind konkrete, auch finanzielle Angelegenheiten zu dringend. Natürlich wäre es toll, wenn wir viel mehr Mitarbeiter vor Ort hätten, sicher. Doch müssen wir ja im Gegenteil eher befürchten, dass durch Neustrukturierungen der Kirchenkreise Ansprechpartner verloren gehen. Auf der anderen Seite wurden uns Gelder versprochen, um die Bausubstanz so mancher kleinen Kirche und Kapelle auf den Dörfern zu retten. Private Sponsoren gibt es hier nicht gerade viele.
In den einzelnen Gemeinden ist die Fusion übrigens kaum ein Thema, soweit ich sehe, die Leute sagen da nicht groß was dazu, im Grunde geht die Sache an ihnen vorbei. Ob sie im Nachhinein froh über die neue Nordkirche sein werden, hängt davon ab, ob man eine positive Veränderung spüren wird, oder sagen wir: ob die Zusammenlegung einzelner Kirchenkreise vor Ort besser aufgefangen werden kann, als wenn wir als Pommersche Landeskirche dabei auf uns allein gestellt gewesen wären. Was mich betrifft: Ich denke, man wird schon miteinander warm werden, über die großen Entfernungen hinweg.
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Brigitte Scholz (71), ehemalige Kirchenbuchführerin aus Neumünster/Tungendorf (Nordelbien), Mitglied im Kirchenvorstand der Lutherkirche
Ich habe erlebt, wie in Nordelbien Kirchenkreise zusammengelegt wurden und wie sich die kirchliche Landschaft dadurch verändert hat. Dadurch bin ich schon abgehärtet, was diese neue Fusion betrifft. Man muss die Änderungen akzeptieren, und man muss akzeptieren, dass es Jahre, Jahrzehnte dauern wird, bis sich alles wieder normalisiert hat. Immerhin hatten wir aus den Kirchenvorständen Gelegenheit, in den langjährigen Diskussionen mitzureden, unsere Meinung zu sagen und, na ja, darauf zu hoffen, dass auch angekommen ist, was wir zu sagen hatten.
Die Kirche kommt um den Sparkurs nicht herum, und wir wissen, dass wir Gelder für Pommern und Mecklenburg zur Verfügung zu stellen haben. Aber Klagen nützt nichts. Man sollte sein Augenmerk einfach verstärkt auf die Gemeinden vor Ort legen, sich dort einbringen, dort Nächstenliebe praktizieren, wo sie persönlich benötigt wird, wo man konkret etwas mit seinem Engagement bewirken kann.
"Eine Fusion ist im Kleinen und jetzt im Großen immer auch hart für einzelne Menschen."
Trotzdem weiß ich, dass eine Fusion, im Kleinen und jetzt im Großen, immer auch hart ist für einzelne Menschen. Ich bin ja nun schon Rentnerin, ich bin von keiner Stellenkürzung direkt betroffen. Aber ich weiß, dass viele Angst davor haben. Und dass sie fürchten, es werde in der noch ungewohnten Zusammenarbeit überall Probleme geben. Die wird es auch geben, ganz sicher. Aber sie werden sich auch wieder einrenken. Sowas geht nur nicht von heute auf morgen.
In meinen Augen ist die Fusion zur Nordkirche ein reiner Verwaltungsakt, mehr steckt nicht dahinter. Die eigentliche Kirche, sie findet nicht auf dieser Ebene statt, sie lebt an und durch die Basis. Und solange da die Menschen nicht aufgeben, ist es den Gemeindemitgliedern ziemlich egal, ob sie nun zur Nordelbischen Kirche gehören oder zur Nordkirche.
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Orgelbaumeister Andreas Arnold (47) aus Plau am See in Mecklenburg, Mitglied im Kirchenvorstand der Sankt-Marienkirche
Ich habe die Fusion zur Nordkirche eher nüchtern und aus der Ferne beobachtet, vielleicht auch deshalb, weil ich ursprünglich aus der Kirchenprovinz Sachsen komme, die ja ebenfalls eine Fusion einging und nun Vergangenheit ist. Da geht es mir wohl etwas anders als manchen der älteren Menschen, die intensiver an ihrer Mecklenburgischen Landeskirche hängen und bedauern, dass es sie nun nicht mehr gibt. Was mir am Herzen liegt: Ich habe das Gefühl, es ging bei diesem Zusammenschluss nur um Zahlen, um Geld, nicht aber darum, einen echten geistlichen Aufbruch zu wagen. Was die Kirche braucht, ist neuer Geist und neues Leben.
"In den Gemeinden herrscht eher Skepsis."
Ich komme ja als Orgelbauer viel rum in den verschiedenen Gemeinden, rede mit den Leuten und sehe, was fehlt: eine tiefere Identifikation mit der Kirche. Das hätte das Ziel der Fusion sein sollen. Wir brauchen engagierte Leute, die die Jugendlichen ranholen, aber auch in der Seelsorge arbeiten und es schaffen, in unserem riesigen Flächenland untereinander in Verbindung zu bleiben. In den Gemeinden herrscht eher Skepsis: Wird man in Hamburg, in Kiel verstehen, was wir in unserem ländlichen Bereich wirklich brauchen? Werden wir über so große Entfernungen hinweg unsere Erfahrungen austauschen, uns gegenseitig geistlich bereichern können?
Sollte die Nordkirche nur um des Geldes willen entstanden sein, einzig in der Hoffnung, dass wir hier einen Vorteil durch den gewissen Finanzausgleich erhalten, dann fürchte ich: Die allgemeine Nüchternheit wird zunehmen. Und das wäre für uns alle nicht gut. Ich hoffe, dass nach dem Pfingstfest die Fusion mit inneren Werten fortgesetzt wird.