dpa/Marcus Brandt
Eine aserbaidschanische Flagge weht in Baku, der Hauptstadt der Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan.
In Baku ist auch die Pressefreiheit eine Show
Aserbaidschan sucht den politischen Anschluss an Westeuropa. Beim Eurovision Song Contest am Samstag möchte sich das Land als moderner Gastgeber präsentieren. Doch um die Pressefreiheit ist es in der Kaukasusrepublik weiterhin schlecht bestellt.
22.05.2012
epd
Silvia Stöber

Einen hohen Millionen-Betrag hat die aserbaidschanische Führung ausgegeben, um die Hauptstadt Baku zum Eurovision Song Contest (ESC) im Glanz erstrahlen zu lassen. Sie ließ nicht nur eine neue Konzerthalle errichten und sämtliche Technik ans Kaspische Meer transportieren, auch den ohnehin seit Jahren andauernden und vom Ölgeld finanzierten Bauboom heizte sie noch einmal an. Der Schlagerwettbewerb, dessen Finale am Samstag stattfindet, ist für die Staatsführung eine Aufgabe von nationaler Bedeutung.

Die einst fragile Ex-Sowjetrepublik soll wirtschaftlich zu den Golfstaaten und politisch zu den westeuropäischen Staaten aufrücken. So verkündet es Präsidentenberater Ali Hasanow, der in der Präsidialadministration die Abteilung Information und Politik leitet. Überrascht wurde die Führung jedoch davon, dass es nicht so einfach ist, das Image eines modernen, westlich orientierten Staates in die Welt zu tragen.

Das Imperium der Präsidentenfamilie

Geradezu persönlich angegriffen zeigt sich Hasanow etwa über die kritische Berichterstattung ausländischer Medien über die Vorbereitung des ESC. Vor deutschsprachigen Journalisten sagte er: "Westliche Medien, auch jene, die Sie repräsentieren, versagen darin, dass ganze Bild Aserbaidschans darzustellen." Er spricht von der schwierigen geografischen Lage seines Landes zwischen Russland und Iran sowie von der demokratischen Entwicklung, die Aserbaidschan seit der Loslösung von der Sowjetunion aufweise.

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Hasanow hob auch hervor, dass niemand daran gehindert werden dürfe, ein Medium zu eröffnen und Informationen zu erhalten. Es gebe 300 Presseerzeugnisse, 16 TV-Stationen und acht Radiostationen. Der Präsidentenberater erwähnte jedoch nicht, dass es sich dabei überwiegend um regierungsnahe Medien handelt, während die Zahl unabhängiger Medien in den vergangenen Jahren zurückging. Geblieben sind Oppositionszeitungen wie "Azadlik", die Nachrichtenagentur Turan oder der Internetfernsehsender "Objektiv.TV". In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" belegt Aserbaidschan von 179 Staaten den 162. Platz.

Dennoch gelingt es aserbaidschanischen Journalisten zuweilen, Informationen zusammenzutragen, die beispielsweise ein Licht auf das weit verzweigte Firmenimperium der Präsidentenfamilie werfen. So deckte die Radio-Liberty-Journalistin Khadija Ismajilowa 2011 auf, dass das Telekom-Unternehmen Azerfon nicht, wie von der Regierung behauptet, Siemens und einigen britischen Firmen gehört. Ismajilowa fand stattdessen Verbindungen zu den beiden Präsidententöchtern und einem Schweizer Geschäftsmann.

Kritische Journalisten im Schlafzimmer gefilmt

Der Preis für diese Enthüllung war hoch, denn Ismajilowa sieht sich einer Schmutzkampagne ausgesetzt. Nach einer Drohung gelangten intime Aufnahmen aus ihrem Schlafzimmer in die Öffentlichkeit. Doch die Journalistin lässt sich nicht einschüchtern und führt ihre Arbeit fort. Sie verfolgt nun selbst die Spuren ihres Falles, denn die Ermittlungsbehörden liefern keine Ergebnisse.

Auch der Tod des islamkritischen Journalisten Rafik Tagi im November blieb bisher ungeklärt, ebenso die TV-Veröffentlichung intimer Videos der oppositionellen Journalisten Natik Adilow und Qan Turali im vergangenen Jahr. Sie waren während eines Seminars der Deutschen-Welle-Akademie und der Konrad-Adenauer-Stiftung in ihren Hotelzimmern in Aserbaidschan gefilmt worden. Von deutscher Seite gab es danach keinen öffentlichen Protest.

Was passiert Oppositionellen nach dem Contest?

Die Regierung in Baku versucht auch, über die eigenen Landesgrenzen hinaus Einfluss auszuüben - ob aserbaidschanische Botschafter in Georgien, der Schweiz oder Deutschland unliebsame Berichterstattung mit Beschwerden unterbinden wollen oder ob Lobbyorganisationen und PR-Agenturen positive Berichte mit Journalistenreisen befördern möchten. Vor dem Song Contest ist dies allerdings nicht gelungen.

Immerhin gewährte die Regierung allen ausländischen Journalisten in den vergangenen Wochen Visum und Akkreditierung. Offen ist, wie sie sich verhalten wird, wenn sich die Scheinwerfer der internationalen Öffentlichkeit wieder von Aserbaidschan abwenden. Viele Oppositionelle befürchten, dass die Führung dann umso härter gegen ihre Gegner vorgehen könnte - und kaum jemand Notiz davon nimmt.