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Reformierte Spiritualität: Die Gemeinde als Ebenbild Gottes
Am Wochenende feiern die Christen Pfingsten, das Fest des heiligen Geistes. Das Thema Spiritualität ist in der evangelischen Kirche wieder wichtiger geworden. Wie halten es die Reformierten damit? Der Generalsekretär des Reformierten Bundes, Pfarrer Jörg Schmidt, hat sich für evangelisch.de auf die Suche gemacht und einen reformierten Gottesdienst besucht. "Die Frömmigkeit der Gemeinde ist anders", sagt er, "die Gemeinschaft anders, als ich sie sonst erlebe."

"Wenn Sie etwas über die Spiritualität von uns Reformierten erfahren wollen," hatte Peter Bukowski, der Vorsitzende des Reformierten Bundes gesagt, "dann besuchen Sie am besten einen Gottesdienst in einer reformierten Gemeinde. Das ist viel besser, als wenn ich Ihnen etwas dazu sage oder aufschreibe. Da sehen und erleben Sie, was wir Reformierten unter Spiritualität verstehen." Und gerade als ich den Hörer auflegen wollte, hörte ich ihn noch sagen: "Aber wundern Sie sich nicht, wenn sie dort dem Wort Spiritualität eher weniger begegnen werden."

Das hatte mich noch neugieriger gemacht. Ich hatte davon gehört, dass die Reformierten von Spiritualität nicht so gerne reden. Aber im Gottesdienst würde ich ihr begegnen?! Eine reformierte Gemeinde war schnell gefunden. Und Gottesdienst fand natürlich statt, wie in den anderen evangelischen Gemeinden unserer Landeskirche auch: am Sonntag um zehn Uhr. Die Kirche der Gemeinde kannte ich noch nicht, auch nicht ihre Gottesdienste. Ich war also gespannt.

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Sehen und erleben, ich hatte noch im Ohr, was Peter Bukowski gesagt hatte, als ich die Kirche betrete. Gespannt bin ich auf das Sehen. Mein Vorurteil ist: Bei den Reformierten gibt es doch gar nichts zu sehen. Keine Bilder, keinen Altar, keinen Schmuck. so hatte ich es gelesen und gehört. Was sollte ich also sehen? Ich komme zeitlich etwas knapp, der Gottesdienstraum ist einigermaßen gut gefüllt. Ich setze mich, dann sehe ich mich um. Was ich sehe, als ich nach "vorne" gucke, sind – andere Gemeindeglieder. Denn die Sitzreihen sind fast kreisförmig ausgerichtet, jedenfalls so, dass wir uns ansehen können in der Gottesdienstgemeinde. Etwas konzentrisch angeordnet sehe ich noch einen Tisch, ein Stehpult.

Der Gottesdienst hat einen anderen Klang

"Die Gottesdienst Feiernden, die Sie gesehen haben, das sind die einzigen Bilder, die wir Reformierten im Gottesdienst haben", sagt mir die Pfarrerin nach dem Gottesdienst, "die Ebenbilder Gottes. Und dann natürlich noch die Bilder, die in den Köpfen entstehen, wenn wir Gottes Wort hören, beten, es singen." Ebenbilder Gottes. Die ich ansehe, die mich ansehen. Bilder Gottes, denen ich hier begegne. Wir sitzen im Kreis um den Tisch, wir sehen uns an. Gemeinschaft der Heiligen fällt mir ein, so wie wir sie auch hier im Glaubensbekenntnis bekannt haben. Gemeinschaft, anders als ich sie sonst erlebe, und doch dieselbe und doch anders zusammen gekommen. Und eben: eine Vielzahl von Bildern Gottes, wenn ich dem folge, was die Pfarrerin hinterher gesagt hat.

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Ich weiß nicht recht, ob ich das immer so wollte, sehen und gesehen werden beim Singen, beim Hören, vielleicht auch beim Beten. Es verändert die Atmosphäre, Gemeinschaft ist immer deutlich, und ich bin ein Teil dieser Gemeinde, beim Beten, beim Hören, beim Singen. Und es verändert die Wahrnehmung der anderen, wenn sie Bilder, Ebenbilder Gottes sind. Und meine, wenn ich es bin: Ebenbild Gottes. Bestärkt wird dieses Miteinander dann noch einmal, als wir singen. Einige Lieder kenne ich, weil wir sie auch in unserer Gemeinde singen. Aber dann singen wir noch Psalmlieder, mit anderen, mir nicht so bekannten Melodien.

"Das sind", so die Pfarrerin nach dem Gottesdienst, "die Melodien aus dem Genfer Psalter. Damals, vor 450 Jahren, hat man die meisten der vielen Melodien extra für die Bereimung des Psalters geschrieben. Ernst sollten sie sein, die Worte betonen, gleichmäßig zu singen." Und das tut die Gemeinde: Gleichmäßig und kräftig die mir etwas fremd klingenden Psalmlieder singen. Das gibt dem Gottesdienst noch einmal einen eigenen "Klang", eine besondere Klangfarbe. Die Melodien der Psalmlieder bestimmen die Atmosphäre. Etwas fremd, vielleicht auch abständig zuerst. Und wirken doch nach, mit ihren biblischen Worten und Bildern, singen in fast jedem Lied Freude und Leid und Tod und Bedrängnis und Angst und Befreiung.

Die Gebote als einziger Schmuck

Die Psalmlieder nehmen mich und die anderen in diesem Gottesdienst mit hinein in den Schwerpunkt: das Lesen und Sprechen biblischer Worte in Psalmgebeten und Lesungen. Vor allem dann aber das Hören der ausgelegten biblischen Worte, das Hören auf die Predigt. Es ist eine längere Predigt; als ich schon etwas unruhig werde, spüre ich immer noch das konzentrierte Hören in der Gemeinde. Eine Art aktives Hören, so kommt es mir vor. Sie sind es gewohnt hier, denke ich, komme wieder zurück in den Gedankengang der Predigt, folge ihm, bis zum Amen.

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Haben die Gebete schon ausgesprochen, was Menschen heute bewegt, was uns im Gottesdienst bewegt, so hat es die Predigt noch einmal mehr getan. Weltzugewandt, fällt mir ein, ein realistischer Blick, nüchtern, die Gemeinde mit hinein nehmend in ihre Verantwortung für ihr Leben in den verschiedenen Bereichen von Beruf und Familie, von Gemeinde und Gesellschaft. Es sind viele Worte, die ich gehört habe. Und sie bestimmen mich für eine Zeit lang, mein Nach-Denken, auch mein Fühlen, mein Weiter-Denken dann auch. Das wird dann noch einmal aufgenommen im Fürbittegebet, das Weiter-Denken, in der Bitte um Gottes Handeln, da wo seine Hilfe gebraucht wird. Mit Gottes Segen gehen wir dann in den Tag.

"Nicht schlechter als die anderen Christenmenschen"

Ob denn dieses Hören, auch der Auftrag an die Gemeinde nicht fordernd seien, vielleicht auch überfordernd, frage ich die Pfarrerin hinterher. Einen Moment überlegt sie. Dann sagt sie: "Hören, das sind wir gewohnt in unseren Gottesdiensten. Und manchmal tut es auch ganz gut zu hören und nicht zu ersticken an all den Bildern, die auf uns einstürzen. Und Gottes Gebot, das beschreibt nun einmal unsere Lebensordnung, ist das, was bei uns gilt. Sie finden seine Gebote deswegen auch in manchen reformierten Kirchen als einzigen Schmuck aufgeschrieben auf Wandtafeln. Wir leben sie – und wir leben sie auch nicht. Und hoffen auf Gottes Geist, dass der unserer Schwachheit aufhilft, wie es bei Paulus heißt."

Vielleicht, ist mein Eindruck, als ich zu Hause bin, vielleicht würden die Reformierten Spiritualität verstehen als Gegenwart des Geistes Gottes, der da ist in der versammelten Gemeinde. Und vielleicht würden sie auch eher Frömmigkeit sagen als Spiritualität. Eine Frömmigkeit, die im Gottesdienst ihren Ausgang nimmt und immer wieder eingeübt wird. Und die in die anderen Bereiche des Lebens hinein reicht, praktisch wird.

Nachbemerkung: Nicht in allen Gottesdiensten aller reformierter Gemeinden werden Sie immer all dies sehen, hören, vielleicht auch empfinden. Und nicht immer gelingen Gottesdienste. Aber dem einen und dem anderen Element werden Sie schon begegnen in den Gottesdiensten in reformierten Gemeinden, als Ausdruck ihrer spezifischen Frömmigkeit. Dass die anders geprägt ist als die anderer, das ist vielleicht deutlich geworden. Und sicher auch: dass sie nicht schlechter ist oder besser als die anderer Christenmenschen. Einfach etwas anders.