dpa/Tobis Film
Filmszene aus "Moonrise Kingdom", mit dem das 65. Filmfestival in Cannes eröffnet wurde.
Cannes Nr. 65: Die richtige Mischung
Das 65. Filmfestival von Cannes eröffnete mit "Moonrise Kingdom", Wes Andersons hochkarätig besetzter Geschichte einer Kinderliebe, und traf damit die richtige Balance aus Star-Glamour und Cineastentum.
17.05.2012
epd
Barbara Schweizerhof

Wer die Namen Bruce Willis und Bill Murray hört, denkt zunächst nicht an einen gemeinsamen Auftritt in einem Film. Die beiden US-Schauspieler stehen für völlig unterschiedliche Genres und Seiten des Filmemachens. Willis, der Action-Star, ist ein Idol des Mainstreamkinos, Bill Murray, bekannt für schräge Komödien, wird im Independent-Bereich verehrt.

Nun hat Regisseur Wes Anderson sie in seinem "Moonrise Kingdom" zusammen vor die Kamera gebracht und damit gewissermaßen den idealen Film für Cannes geschaffen: Der Film, mit dem das Festival am Mittwochabend feierlich eröffnete, bedient mit seinem hochkarätigen Ensemble zum einen die glamoursüchtigen Fotografen am Roten Teppich vor dem Palais Lumiere, mit seiner melancholisch-skurrilen Kinderliebesgeschichte aber genauso die Filmfans und Cineasten.

Pfadfinderliebe im Schatten der Stars

Bruce Willis und Bill Murray, zusammen mit weiteren namhaften Schauspielern wie Edward Norton, Jason Schwartzman, Tilda Swinton und Harvey Keitel, spielen allerdings allesamt nur Nebenrollen in Andersons Komödie. Denn die beiden großen Liebenden, um deren dramatische Geschichte vom gemeinsamen Ausreißen es geht, sind erst zwölf Jahre alt.

Man schreibt den September 1965, auf einer Neuengland vorgelagerten Insel verlässt ein verwaister Junge seine Pfadfindertruppe, um mit seiner Brieffreundin, die sich als Außenseiterin in ihrer Familie fühlt, in ein neues Leben aufzubrechen. Ihr Verschwinden bleibt natürlich nicht lange unbemerkt und bald sind sämtliche Bewohner der Insel ihnen auf der Spur, mit nicht absehbaren Konsequenzen. Außerdem naht ein Jahrhundertsturm.

Hollywood kann sich auch zurückhalten

Anderson trifft in seinem Film erneut die genaue atmosphärische Balance zwischen Humor und einer sehnsüchtigen Traurigkeit: Die Geschichte ist dramatisch und zugleich leichtgewichtig. Besonders die Kinderdarsteller verleihen ihren Figuren einen großen Ernst, während die Hollywoodstars in ihren Nebenrollen sich allesamt durch minimalistisches Spiel und perfekte Zurückhaltung auszeichnen.

"Moonrise Kingdom" ist ein Film ohne laute Lacher und aggressive Pointen, dafür von einer hintergründigen Komik, die Aufmerksamkeit braucht. Das Premierenpublikum reagierte freundlich, wenn auch nicht enthusiastisch.

Für einen gelungenen Auftaktabend sorgten denn auch nicht nur die vielen anwesenden Stars, sondern vor allem Jury-Präsident Nanni Moretti, der als italienischer Regisseur einen herzlichen Dank an Frankreich dafür aussprach, dass hier "im Unterschied zu anderen Ländern dem Kino stets ein wichtiger Platz in der Gesellschaft" eingeräumt werde.

Prominenter Besuch auch ohne Film - und ein Kamel

Ein schöner Beleg für diese Wichtigkeit ist die lange Liste der prominenten Schauspieler, die zum Eröffnungsabend über den Roten Teppich flanierten, ohne dass sie mit Filmen im offiziellen Festivalprogramm vertreten wären: Jane Fonda, Alec Baldwin, Eva Longoria und Jessica Chastain ließen sich sehen und lieferten einmal mehr den Beweis dafür, dass in Cannes nicht nur das Festival von den Stars profitiert, sondern umgekehrt auch die Stars vom Festival.

Bereits am Nachmittag hatte der britische Komiker Sacha Baron Cohen die versammelte Öffentlichkeit aus Schaulustigen und Fotografen dafür genutzt, um Werbung für seinen neuen Film "Der Diktator" zu machen: In der Maske der Hauptfigur, des Generals Aladeen, führte er ein Kamel über die Croisette.