Stethoskop auf einer Tastatur in einer Arztpraxis
epd-bild/Tim Wegner
Viele kranke oder verletzte Migranten stoßen bei einem Arztbesuch oder im Krankenhaus auf Verständigungsprobleme.
Kommunikation bei Arztbesuch
Migranten brauchen Dolmetscher beim Arzt
Wenn kranke oder verletzte Migranten sich kaum verständigen können, steht das Gesundheitspersonal vor echten Herausforderungen. Ein Verbändebündnis fordert ein Recht auf Sprachmittlung. Lokale Projekte dazu gibt es schon.

Manchmal reicht eine einfache Übersetzung von Worten nicht aus. Nazila Afshar wurde das klar, als sie in einer Arztpraxis im hessischen Vogelsbergkreis saß, und für eine erkrankte Frau dolmetschen musste. "Sie hatte Nierenprobleme", berichtet Afshar. "Der Arzt hat eine Behandlung vorgeschlagen, aber dabei so viele Fachwörter benutzt, dass ich erst nachfragen musste, was sie bedeuten." Dann erst habe sie der Klientin nicht nur übersetzen, sondern die vorgeschlagene Therapie auch erklären können.

Afshar übersetzt regelmäßig für das Projekt "Sprachmittler'" des Vogelsbergkreises aus dem Deutschen ins Persische und umgekehrt. Bei dem Projekt werden speziell geschulte Dolmetscherinnen und Dolmetscher eingesetzt. Nicht nur, aber auch im Gesundheitswesen. Laut Zuwanderungsgesetz stehen Neuankömmlingen 600 Stunden Sprachkurs und 100 Stunden Orientierungskurs zu. Danach können sich die meisten Migranten im Alltag zurechtfinden. Aber mit dem sprachlichen Verstehen kann es schnell vorbei sein, wenn sie im Klinikflur stehen, eine Entscheidung treffen müssen, und ein Arzt ihnen etwas von "Niereninsuffizienz" und "Dialyse" erzählt.

Eine Untersuchung der Universität Hamburg aus dem Jahr 2017 beispielsweise geht von fünf Prozent an Patientinnen und Patienten in Berlin aus, mit denen keine oder kaum Verständigung möglich ist. Schätzungsweise 34.000 Behandlungen und Operationen werden demzufolge in der Hauptstadt jährlich vorgenommen, ohne dass über die Eingriffe ausreichend aufgeklärt wurde. Oft behelfen sich migrantische Patienten und Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit dem, was gerade verfügbar ist. Mitunter spricht eine Ärztin oder eine Pflegerin die Sprache des Patienten. Oder dessen Angehörige sind des Deutschen mächtig.

Professionelle Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind den Behelfslösungen in der Regel überlegen. Sie können medizinische Fachbegriffe erklären, und sie haben keine eigenen Interessen dabei. Viele Kliniken bieten auch bereits heute schon muttersprachliche Leistungen in Medizin und Pflege an. Aber einen Rechtsanspruch auf eine professionelle Übersetzung gibt es nicht.
Das will das "Bündnis für Sprachmittlung" ändern, in dem auch die Diakonie Deutschland engagiert ist. Vor rund einem Jahr veröffentlichte es ein Forderungspapier dazu.

KI als digitale Lösung für Übersetzungen

Maike Grube von der Diakonie Deutschland sagt: "In der Schweiz sieht man, dass mit den 20 häufigsten Sprachen mehr als 90 Prozent aller Sprachmittlungseinsätze abgedeckt werden können." Das Papier fordert unter anderem, einen Rechtsanspruch auf Sprachmittlung im Sozialgesetzbuch V zu verankern für alle Gesundheitsleistungen, die im Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung stehen. Zudem sollten auch Asylsuchende nach Asylbewerberleistungsgesetz diesen Anspruch haben.

Für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz hatten SPD und Grüne im November einen Änderungsantrag eingebracht. Darin ist auch eine Sprachmittlung vorgesehen, allerdings nicht als Rechtsanspruch. Nicht immer können Dolmetscher vor Ort sein. Digitale Lösungen für Übersetzungen hat das Verbändebündnis daher mitbedacht. Nach den Worten Grubes sind das Zuschaltungen von Dolmetschern per Videokonferenz oder Telefon einerseits und maschinelle Übersetzungen durch eine Künstliche Intelligenz (KI) andererseits.

"Hier werden Video und Telefon zentral sein", prognostiziert die Expertin. Die KI werde zwar zusehends besser, "aber im Gesundheitswesen geht es um sensible Kommunikation oder darum, Informationen in einen Kontext einzubetten und auch nonverbale Signale zu deuten. Das sind Dinge, bei denen die KI momentan noch nicht einsatzfähig ist."

Schätzungen, wie viel eine flächendeckende Sprachmittlung kosten würde, gehen weit auseinander. Sie hängen davon ab, mit wie vielen Einsätzen von Dolmetschern pro Jahr man rechnet und wie hoch man deren Honorar ansetzt. Zwischen 12,5 und 255 Millionen Euro könnte das alles pro Jahr kosten. Aber: Studien aus den USA, der Schweiz und Großbritannien sehen durch die Sprachmittlung langfristig sinkende Gesundheitskosten.