Berlin (epd). Die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Gestaltung des eigenen Lebens sind laut dem am Mittwoch veröffentlichten neunten Altersbericht der Bundesregierung in der älteren Generation „sozial ungleich verteilt“. Ob es um eine bezahlbare barrierefreie Wohnung gehe, um die passende Ärztin oder den Gang ins Theater: Was für manche Ältere selbstverständlich sei, stelle andere Senioren vor große Hürden. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte bei der Vorstellung des Berichts, dass insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationsgeschichte sowie homosexuelle und trans- oder intergeschlechtliche Menschen oft im Nachteil seien. Auch Altersarmut sei ein großes Problem.
Es geht um eine große - und weiter wachsende - Bevölkerungsgruppe: Menschen über 65 machten inzwischen fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus, sagte Paus in Berlin. Derzeit gebe es hierzulande doppelt so häufig 60. wie erste Geburtstage. Deutschland sei zu einer „Gesellschaft des langen Lebens“ geworden.
Damit einhergehend seien die Lebensverhältnisse älterer Menschen sehr vielfältig, sagte die Vorsitzende der Altersberichtskommission, Martina Brandt, auf der Pressekonferenz mit Paus. Dies zeige sich etwa daran, dass jüngst einerseits die durchschnittlichen Alterseinkommen gestiegen seien. Andererseits sei aber auch die Altersarmut gestiegen und liege nun über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung - „das ist neu“. In der Gruppe der Menschen über 65 ohne deutsche Staatsangehörigkeit sind dem Altersbericht zufolge vier von zehn Frauen von Einkommensarmut betroffen.
„Wenn wir nichts tun, wird die Ungleichheit weiter steigen“, warnte Brandt, die als Soziologin an der TU Dortmund forscht. Alle Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Lebenssituation alter Menschen zielten, müssten an die verschiedenen Gruppen und ihre Bedürfnisse angepasst werden.
Brandt forderte unter anderem, die Inanspruchnahme von Grundsicherung im Alter zu erleichtern. „Dringend nötig“ sei auch eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und der Pflege von Angehörigen.
In dem Altersbericht formulieren Brandt und die anderen zehn Kommissionsmitglieder insgesamt 31 Empfehlungen. Dazu gehören etwa ein Ausbau der Schuldnerberatung speziell für ältere Menschen und besondere Kulturangebote für benachteiligte Senioren. Nötig seien auch mehr bezahlbare und zugleich barrierefreie Wohnungen sowie leicht nutzbare Angebote für Gesundheitsförderung und Prävention.
Am Geld sollte all das aus Sicht der Kommission nicht scheitern: Die Empfehlungen würden „nicht vorauseilend die Knappheit der finanziellen Ressourcen zur Begrenzung nehmen“, heißt es in dem 300 Seiten langen Bericht. Vielmehr solle deutlich gemacht werden, „was für die Teilhabe Älterer notwendig ist - um letztlich Potenziale auszuschöpfen und möglicherweise langfristig sogar Mittel einsparen zu können“.