Richterwahl in Bolivien: Knapp 38 Prozent der Stimmen zählen nicht

Santiago, La Paz (epd). Bei der Wahl der obersten Richterinnen und Richter in Bolivien sind knapp 38 Prozent der Stimmzettel als ungültig oder leer abgegeben worden. Das teilte die Wahlbehörde (OEP) am Donnerstagabend (Ortszeit) nach der fast vollständigen Auszählung mit. Die Wahlbeteiligung lag trotz obligatorischer Teilnahme bei rund 82 Prozent. Insgesamt kandidierten 94 Personen für Posten beim Verfassungsgericht, beim Obersten Gerichtshof, beim Umweltgerichtshof und im Justizrat.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die die Wahl beobachtet hatte, kritisierte scharf, dass in einigen Wahlkreisen aufgrund rechtlicher Unklarheiten keine Neuwahlen für bestimmte Posten abgehalten wurden. Stattdessen verbleiben die bisherigen Richter vorläufig im Amt und behalten damit eine Mehrheit im Verfassungsgericht. „Das gefährdet die demokratische Regierungsführung des Landes“, heißt es im vorläufigen Bericht der OAS zu den Wahlen.

Präsident Luis Arce bezeichnete die am Sonntag abgehaltenen Wahlen dennoch als „demokratischen Meilenstein“. Unter seinem Vorgänger und Parteigenossen Evo Morales fand 2011 erstmals eine Wahl der obersten Richter statt. Schon damals sowie bei den zweiten Richterwahlen 2017 waren jeweils knapp 60 Prozent der Stimmen ungültig.

Um eine Politisierung der Ämter zu verhindern, durften die Kandidierenden keine Wahlwerbung machen. Laut der Zeitung „El País“ informierten sich viele Wählerinnen und Wähler über WhatsApp. Parteien hätten über den Nachrichtendienst Listen von Kandidierenden verbreitet, die ihren Interessen nahestehen, berichtete die Zeitung. Bolivien ist bislang das einzige Land in Lateinamerika, in dem Richter direkt gewählt werden. In Mexiko ist eine ähnliche Wahl für nächsten Juni geplant. Laut bolivianischer Verfassung ist die Richterwahl eine Voraussetzung für die Präsidentschaftswahlen im August 2025.

Die Auswahl der Kandidierenden erfolgt durch eine Parlamentskommission, weshalb die meisten Richter bislang der Regierungspartei nahestanden und ihre Urteile häufig zugunsten des amtierenden Präsidenten fällten. Da die Regierungspartei „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) derzeit intern gespalten ist, drohte Präsident Arce erstmals, die Mehrheit im Verfassungsgericht zu verlieren. Die Regierung geht derzeit vor allem juristisch gegen den parteiinternen Rivalen und ehemaligen Präsidenten Evo Morales vor, der 2025 erneut für die Präsidentschaft kandidieren möchte.