Fernseher vor gelbem Hintergrund
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9. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr:
TV-Tipp:"Der Kommissar und der See: In besseren Kreisen"
Als das ZDF im Dezember 2007 die ersten Krimis mit Walter Sittler als deutschstämmigem Polizisten auf Gotland ausgestrahlt hat, lebten die Filme vor allem von den Kontrasten. Das galt nicht nur für den Gegensatz zwischen den zum Teil grausamen Verbrechen und der landschaftlichen Idylle:

Robert war Anders, und das ließen ihn die Einheimischen auch spüren. Dass sich der Einwanderer trotz seiner ausgeprägten Aversion gegen Gewässer ausgerechnet auf einer Insel niedergelassen hatte, war ein weiteres besonderes Merkmal. So erklärte sich auch der Titel: "Der Kommissar und das Meer". Eine gewisse Diskrepanz gab es zudem zwischen beruflichem Erfolg und privatem Glück: Gleich zwei langfristige Beziehungen sind in die Brüche gegangen. Am Ende wurde Robert Anders gar verdächtigt, seine Ex-Frau ermordet zu haben. Falls er je Glück in der Liebe hatte, so war es offenbar nie von Dauer. 

Nach seiner Pensionierung ist der Kommissar a.D. in seine alte Heimat an den Bodensee zurückgekehrt. Das Wiedersehen mit einer Jugendliebe stand prompt unter keinem guten Stern ("Liebeswahn", 2022); ihre Tochter (Nurit Hirschfeld) von der Lindauer Kripo hielt ihn zu allem Überfluss für den Mörder eines fünfzehnjährigen Mädchens, das auf seinem Sofa übernachtet hat.

Im dritten Film kommt es zu einer weiteren gefühlvollen Begegnung mit der Vergangenheit: Bei einer Veranstaltung in seiner früheren Schule begegnet Anders nicht nur seinem alten Freund Bernd Eschenbach (Peter Benedict), mit dem er sich einst einen Wettkampf ums Amt des Schulsprechers geliefert hat, sondern auch Maria (Aglaia Szyszkowitz), in die er damals schwer verliebt war. Sie mochte ihn ebenfalls, aber erst hat er sich nicht getraut, ihr seine Gefühle zu gestehen, und dann stand ihm ausgerechnet seine Aquaphobie im Weg; mit fatalen Folgen. 

Zu einem Krimi wird die Geschichte, als die heitere Wiedersehensstimmung abrupt endet: Im See vor der Schule schwimmt eine Leiche. Die Frau war eine Mitarbeiterin Eschenbachs, dem ein äußerst erfolgreiches Pharmaunternehmen gehört, sie war drauf und dran, einen sensationellen Durchbruch bei der Entwicklung einer Krebstherapie zu erzielen. Annika Wagner und ihr Kollege Keller (Dominik Maringer) werden beim Lebensgefährten (Marcus Mittermeier) vorstellig, aber der leitet den Verdacht umgehend auf Eschenbach weiter. Der Firmenchef erklärt, seine Angestellte habe Forschungsergebnisse gefälscht, deshalb habe er sie entlassen müssen. Womöglich ist das nicht die ganze Wahrheit, doch da sich die Frau augenscheinlich das Leben genommen hat, ist der Fall für die Kripo erledigt, zumal es gleich einen nächsten gibt: Kurz drauf wird auch Eschenbach tot aus dem See geborgen. 

Regie führte Sven Nagel, der seine Karriere einst mit der vielversprechenden Dokusoap-Parodie "Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!" (2013, ZDF) gestartet hat. Seine Inszenierungen für die ZDF-Krimireihen "Friesland", "Wilsberg" und "Nord Nord Mord" waren solide, aber den Inszenierungen fehlte jenes gewisse Extra, das einen Reihenkrimi zu einem besonderen Film  machen würde. Selbst wenn sich zu Beginn eine Wasserleiche wie weiland der "Weiße Hai" ins Bild schiebt: "In besseren Kreisen" lebt vom guten Ensemble sowie von der Geschichte, die dank einiger Nebenebenen diverse emotionale Momente zu bieten hat. Gerade Anders’ Erinnerungen an seine Schulzeit sind sehr harmonisch in die Handlung integriert, und auf die Idee, mit Hilfe einer Überwachungskamera quasi um die Ecke in die Vergangenheit schauen zu können, muss man erst mal kommen. 

Der beste Einfall von Myriam Utz und Andreas Karlström, die auch das Drehbuch zum letzten Film ("Narrenfreiheit", 2023) geschrieben haben, war jedoch ein regionaler Aspekt. Auf einer nahen Insel stand früher der Lindauer Galgen, ihm verdankt sie ihren Namen: Galgeninsel. Einer Sage zufolge ist ein Verbrecher einst mit dem Leben davongekommen, weil es ihm gelungen ist, das Festland zu erreichen, obwohl seine Arme auf den Rücken gebunden waren. Mit der Ermordung des gefesselten Eschenbachs sollte offenbar kundgetan werden, dass er ebenfalls Dreck am Stecken hatte, wie schon sein gleich zu Beginn kund getanes Lebensmotto ahnen lässt: Der Zweck heiligt die Mittel.

Sehenswert ist "In besseren Kreisen" auch wegen der melancholisch schönen Bilder vom spätherbstlichen Bodensee, zumal die warmen Rückblenden einen deutlichen Gegensatz zur düsteren Gegenwart bilden. Nicht nur in dieser Hinsicht bleibt "Der Kommissar und der See" dem kontrastreichen Stilmittel der früheren Reihe treu: Das Liebesglück ist Anders auch diesmal verwehrt.