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6. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Alle Jahre wieder"
Jedes Jahr kurz vor Weihnachten machen sich überall auf der Welt Menschen auf den Weg, um ihre Eltern und Großeltern zu besuchen; manche mit dem Zug, andere mit dem Auto. Einige nehmen auch den Fernbus, und so begegnen sich am 23. Dezember im Nachtbus von Berlin Richtung Süden zwei Menschen, die offenkundig füreinander geschaffen sind.

Beide sind auf dem Weg ins tief verschneite oberbayerische Mittenwald. Sie nennt ihn "Powerbank", weil er im Gegensatz zu ihr darauf vorbereitet ist, dass ihm unterwegs nicht der Strom ausgeht. Er nennt sie "Matschbanane", weil nicht zu überriechen ist, dass irgendwann der Reiseproviant in ihrem Rucksack kein gutes Ende genommen hat. Hanna (Sinje Irslinger) wäre einem Flirt nicht abgeneigt, merkt allerdings an, dass sie nichts Festes will. Felix (Klaus Steinbacher) ist durchaus angetan, weist ihre Avancen jedoch zurück, denn er wird seiner langjährigen Freundin an Heiligabend einen Heiratsantrag machen. 

Und so wäre die Geschichte recht bald wieder vorbei, aber am nächsten Tag treffen sich die beiden bereits wieder, denn aufgrund eines Missgeschicks ist Felix’ Koffer mit dem Verlobungsring in Berlin geblieben. Als er im Juweliergeschäft Ersatz besorgen will, schneit überraschend auch Hanna in den Laden, sucht einen Ring aus, der ihr gefällt, und bezahlt ihn auch. Weil Felix die Busbekanntschaft nicht mehr aus dem Kopf geht, muss sich seine Freundin weitere zwölf Monate gedulden; in ihrer Familie ist es Tradition, Heiratsanträge an Heiligabend zu machen und den Verlobungsring im Dessert zu verstecken.

Ein Jahr später wiederholen sich die Ereignisse: gleicher Bus, gleicher Fahrer (Charly Hübner), auch die alleinerziehende Mutter (Maria Simon) fährt wieder mit, diesmal allerdings ohne ihren herzkranken Sohn, und spätestens jetzt ist klar, dass Produzent Tommy Wosch mit seinem Drehbuch aller Heiterkeit zum Trotz keine lustige Weihnachtskomödie verfasst hat.

Schon allein die Idee, die beiden wichtigsten Beteiligten alle Jahre wieder im Fernbus zusammenzuführen, ist originell. Die Handlung teilt sich auf diese Weise automatisch in verschiedene Kapitel auf, denn es sind gleich mehrere Nachtbusfahrten nötig, bis Drehbuchautor Tommy Wosch die Geschichte zu einem schlüssigen Ende führt. Mindestens genauso gut wie die Kernidee sind die Entwürfe der rundum plausiblen Figuren. Anders als in den "Herzkino"-Romanzen sonntags im ZDF, in denen sich die Konkurrenz zumeist von vornherein selbst disqualifiziert, ist Felix’ Freundin Saskia (Leslie-Vanessa Lill) durchaus liebenswert. Auch in Hannas Leben tritt mit dem Enkel (Felix Everding) der neuen Gefährtin ihrer geliebten Großmutter Paula (Lisa Kreuzer) ein gleichermaßen schmucker und sympathischer junger Mann. Als Felix bei der dritten Busfahrt gemeinsam mit der zwischenzeitlich zu ihm nach Berlin gezogenen Saskia erscheint, hat sich die Romanze allem Anschein nach ohnehin erledigt.

Neben den zum Teil ziemlich witzigen Dialogen sowie dem auch in den Nebenrollen ausgezeichneten Ensemble lebt "Alle Jahre wieder" nicht zuletzt von den im Titel angedeuteten Traditionen. Das gilt neben den Busfahrten vor allem für die Weihnachtsrituale in Felix’ Elternhaus, an denen nicht gerüttelt werden darf, weil der ohnehin notorisch unleidliche Opa (Hans Stadlbauer) sonst noch grantiger wird. Natürlich nutzt Wosch, zuletzt unter anderem Chefautor der herausragend guten RTL-Serie "Faking Hitler" über Konrad Kujaus gefälschte "Führer"-Tagebücher, sein dramaturgisches "Alljährlich grüßt das Murmeltier"-Konzept auch für witzige Variationen.

Dennoch gibt es immer wieder besinnliche bis dramatische Momente, und das gilt nicht nur für lebenskluge Sätze wie Paulas Feststellung "Einsamkeit ist das böse Gesicht der Freiheit." Eine der Schlüsselszenen ist ein Spaziergang, bei dem Felix’ Mutter (Elena Uhlig) ihrem Sohn erzählt, wie sie sich verhalten hat, als sie nach dreizehn Ehejahren in einer ganz ähnlichen Lage war: "Verliebt sein ist ein Gefühl, kein Handlungsauftrag."

Über allem aber schwebt natürlich die Frage, ob das potenzielle Liebespaar den Irrungen und Wirrungen zum Trotz doch noch zueinander findet. Als Felix seiner Busbekanntschaft den Ring zurückgibt, kommt es zwar zum kurzen Kuss, aber damit scheint die Romanze endgültig zu enden: Hanna hat einen Prinzen geküsst, doch dann hat er sich in einen Frosch verwandelt. Nicht erst der Schluss, als der von Felix Herzogenrath mit großer Zuneigung zu den Figuren umgesetzte Film doch noch zu einem gleich in mehrfacher Hinsicht guten Ende führt, macht "Alle Jahre wieder" zu einer überaus warmherzigen Weihnachtsromanze.