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28. November, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Usedom-Krimi: Emma"
Im Grunde wird die Pandemie ähnlich behandelt wie ein Schicksalsschlag: tragisch, aber zum Glück Vergangenheit. Die politischen Fehler sind allerdings nach wie vor nicht aufgearbeitet, in vielen Familien fehlt jemand; ganz zu schweigen von jenen, die unter den Langzeitfolgen der Erkrankung leiden. Mit "Emma" greift nun ausgerechnet ein Krimi den Aspekt "Long Covid" auf.

Angesichts der enormen Menge an Fernsehfilmen, die in Deutschland jedes Jahr produziert werden, ist es schon erstaunlich, wie selten Corona ein zentrales Thema war. Mittlerweile wird es gelegentlich gestreift, wenn jemand erzählt, wie eine wirtschaftliche Existenz etwa durch die Schließung der Lokale ruiniert worden ist, doch im Grunde wird die Pandemie ähnlich behandelt wie ein Schicksalsschlag: tragisch, aber zum Glück Vergangenheit.

Das stimmt natürlich nur bedingt: Die politischen Fehler sind nach wie vor nicht aufgearbeitet, in vielen Familien fehlt jemand; ganz zu schweigen von jenen, die unter den Langzeitfolgen der Erkrankung leiden. Mit "Emma" greift nun ausgerechnet ein Krimi den Aspekt "Long Covid" auf. Andererseits wird das Genre traditionell generell gern genutzt, um gesellschaftliche Missstände behandeln, weil auf diese Weise in der Regel mehr Menschen erreicht werden als beispielsweise mit einem Mittwochsfilm im "Ersten".

Zunächst ist das Post-Covid-Syndrom jedoch nur eine Randnotiz in dieser Geschichte von Dinah Marte Golch, die schon mehrere Drehbücher für den "Usedom-Krimi" geschrieben hat: Eine Mutter reicht ihrer Tochter das Pausenbrot und verlässt dann das Haus, um im spätwinterlichen Meer zu schwimmen. Sie wechselt ein paar Worte mit Karin Lossow, die gerade am Strand mit ihrem Hund spazieren geht. Kurz drauf hört die ehemalige Staatsanwälte Hilferufe. Die Frau kann zwar noch lebend geborgen werden, stirbt jedoch im Krankenhaus. Bei der Obduktion stellt sich raus, dass sie eine erhebliche Menge Beruhigungsmittel geschluckt hat. In ihrem Auto findet sich zudem eine Morddrohung. Aber wer könnte einen Grund haben, Gerda Kolping umzubringen? 

Was zunächst wie eine möglicherweise interessante, letztlich aber nicht weiter ungewöhnliche Krimihandlung klingt, entpuppt sich bald als familiäre Tragödie. Zur zentralen Figur wird mehr und mehr die Tochter, ihr galt auch der Drohbrief, und es war nicht der erste, wie sich zeigt: Emma (Cloé Albertine Heinrich) ist das Mobbing-Opfer ihrer Schulklasse, seit ihr Vater (Jan-Peter Kampwirth) in Folge einer Corona-Erkrankung zum Pflegefall geworden ist. Kopf des Psychoterrors ist ausgerechnet Emmas einstige beste Freundin.

Am Morgen von Gerdas Tod hat die Nachbarstochter dafür gesorgt, dass Emma den Bus verpasst, deshalb ist sie an den Strand gekommen, damit ihre Mutter sie zur Schule fährt. Lossow begleitet das Mädchen ins Krankenhaus und ist auch zur Stelle, als sich Emma eine Aufgabe aufbürdet, die viel zu groß für eine Vierzehnjährige ist: Weil ihr Vater zu erschöpft ist, um das Haus zu verlassen, will sie die Leiche ihrer Mutter identifizieren.

"Emma" ist Matthias Tiefenbachers vierter Usedom-Krimi. Seine Inszenierung ist von viel Empathie geprägt, die nicht nur Familie Kolping gilt. In einem Nebenstrang setzt Golch die Geschichte der schwierigen Beziehung zwischen der früheren Kommissarin Ellen Norgaard und ihrer Mutter fort: Patrizia (Marion Kracht) hat die Operation ihres Gehirntumors gut überstanden und möchte der Tochter ihren neuen Lebensgefährten (Helmut Mooshammer) vorstellen.

Die Autorin hat die Figur in der vierzehnten Episode ("Entführt", 2021) eingeführt, als die psychisch kranke Patrizia zur Kidnapperin ihres kleinen Enkels wurde; kein Wunder, dass Ellen nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Mit der zentralen Handlung haben die Gespräche zwischen Mutter und Tochter allerdings rein gar nichts zu tun; immerhin bescheren sie den langjährigen Fans ein Wiedersehen mit Rikke Lylloff. Es ist ohnehin ein sympathisches Merkmal der Usedom-Krimis, dass einstige Mitwirkende nicht in Vergessenheit geraten.

Wer die Reihe mag, wird wohl auch darüber hinwegsehen, dass "Emma" längst nicht so fesselnd ist wie frühere Episoden, und das gilt keineswegs nur für die Krimispannung. Das Drehbuch enthält zwar die eine oder unerwartete Wendung, aber dem Film ist anzumerken, dass Golch vor allem ein Long-Covid-Drama im Sinn hatte. Hinzu kommt, dass einige Verdachtsmomente nicht funktionieren, weil der Film sie schon vorher ausgeschlossen hat.

Ziemlich unglaubwürdig ist auch der versöhnliche Schluss, als Emma und die Absenderin der Morddrohungen plötzlich wieder beste Freundinnen sind. Sehenswert ist "Emma" daher vor allem wegen der komplexen Titelrolle, zumal das Mädchen, wie Lossow schließlich erkennt, unter der Last eines Geheimnisses leidet. Cloé Albertine Heinrich verkörpert das Gefühlschaos aus Wut, Trauer und Verzweiflung sehr glaubwürdig. Bilder und Musik sind ohnehin wie immer von hoher Qualität.