Abriss der Martin-Luther-Kirche in Berlin im Mai 2004
epd-Bild/Rolf Zöllner
Ein Abriss wie bei der Martin-Luther-Kirche in der Berliner Wollankstraße ist bisher in Deutschland die große Ausnahme (Archivbild).
Zukunft von Kirchengebäuden
Kirchenabriss sollte Ausnahme bleiben
Die bayerische Landeskirche will ihren Gebäudebestand drastisch reduzieren. Doch auch wenn es weniger Kirchgänger und Pfarrer gibt, sollten Kirchengebäude nach Überzeugung des Münchner Experten Vinzenz Dufter erhalten werden.

"Lieber soll eine Kletterhalle reingebaut werden, als eine Kirche einfach abzureißen", sagte Vinzenz Dufter, der Bauberater für "Haus und Siedlung" beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege ist, dem Evangelischen Pressedienst.

Ein Kirchenabriss sollte immer nur die Ultima Ratio sein. Kirchen seien Treffpunkte für Menschen, Dorfzentren und Orte der Identifikation und Gemeinschaft.

Wenn eine Kirche im Unterhalt zu teuer werde und über eine andere Nutzung nachgedacht werden müsse, gebe es keine Patentlösung, sagte der Architekt. Das müsse immer im Einzelfall vor Ort entschieden werden. Dazu müssten neben der Kirchengemeinde auch die Kommune, die Bevölkerung oder Architekten mit in die Entscheidung einbezogen werden. Es sei immer wünschenswert, dass das Kirchengebäude erhalten bleibe, auch wenn es nicht mehr liturgisch genutzt werde. Eine beliebte Lösung sei, den Kirchenraum multifunktional zu nutzen, etwa für Konzerte, Ausstellungen oder Jugendtreffs.

Ein weiterer Trend sei, ein Kolumbarium einzubauen - also Urnenwände oder Urnenkammern, sagte Dufter weiter. Ein Kirchenraum müsse auch nicht unbedingt kirchlich weitergenutzt werden. Ideal wäre aber weiterhin eine öffentliche Nutzung.

Umbauen und erhalten

Aus seiner Erfahrung wisse er, dass die Kommunen grundsätzlich ein Interesse daran hätten, Kirchen zu erhalten. Denn: "Wenn man der Bevölkerung die Kirche wegnimmt, schwindet auch die Wohnqualität." Eine Gemeinde würde nur schweren Herzens einem Abriss zustimmen. Das wäre ein "Baukulturverlust".

Möglich wäre auch, den Kirchenraum zu verkleinern und soziale Angebote, Vereinsräume, Büchereien oder auch ein Café unterzubringen, sagte Dufter. Eine Kirche könne aber auch kostengünstig erhalten oder umgebaut werden. Eine private Nutzung durch Immobilieninvestoren hingegen wäre allein wegen des Denkmalschutzes, dem viele Kirchengebäude unterliegen, schwierig. Wohnungen in einen Kirchenraum einzubauen, wäre zwar möglich, aber sehr aufwendig und teuer, allein wegen der Energiekosten.

Immobilienbestand soll drastisch schrumpfen

Dufter gab auch zu bedenken, dass Kirchen künftig womöglich wieder mehr gebraucht werden könnten. Auch in der Säkularisation seien Kirchen abgerissen oder anderweitig genutzt worden. "Man darf die Hoffnung nicht aufgeben", betonte Dufter, der an 21. und 22. November die Fachtagung "Was wird aus unseren Kirchengebäuden?" in Bad Staffelstein leitet. Teilnehmen werden Expert:innen von evangelischer und katholischer Kirche, Kunsthistoriker:innen, Architekt:innen und Heimatpfleger.

Wenn eine Kirche verschwindet, sei das ein Verlust für die ganze Kommune, sagt Bauberater Vinzenz Dufter.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) ist reich an Immobilien: 1.980 Kirchen und Kapellen befinden sich laut Homepage im Eigentum von Gemeinden und Dekanaten, dazu 1.680 Gemeindehäuser, 1.800 Pfarrhäuser, 770 Mehrzweckgebäude und 800 Kindergärten. Doch mittlerweile werden die Gebäude zur Last: 89 Prozent des CO2-Ausstoßes der ELKB kommen aus diesem Sektor.

Auch weil die Prognose bis 2050 eine Halbierung der Kirchenmitglieder - und damit der Kirchensteuern - voraussagen, will die Landeskirche ihren Immobilienbestand bis 2035 um bis zu 50 Prozent schrumpfen. Auf der "Roten Liste" stehen vor allem kleine Sprengelkirchen oder Gemeindezentren aus der Wachstumszeit der 1960er- und 1970er-Jahre.

Der Abriss von Kirchen bleibt bislang die Ausnahme. Viele Gotteshäuser unterliegen dem Denkmalschutz - dann sind oft schon kleinere Umbaumaßnahmen ausgeschlossen. Das kompliziert auch die Nachnutzung: Große, hohe Räume mit schlechtem Energiestandard sind nicht nur schwer als Künstleratelier, Café oder Stadtteiltreff zu bespielen, sondern im Winter auch extrem teuer zu heizen.