Produktion des "Wort zum Sonntag" mit dem evangelischen Pfarrer Stefan Claaß
epd-bild/Stephan Born
Ein Blick in die Produktion des "Wort zum Sonntag" mit dem evangelischen Pfarrer Stefan Claaß am 20. September 2013.
70 Jahre "Wort zum Sonntag"
Bundespräsident würdigt zweitälteste Sendung im deutschen TV
Bei einer Festveranstaltung in der St. Markus Kirche in München wurde heute Abend (14. November 2024) mit 120 geladenen Gästen aus Kirche, Gesellschaft und Medien das 70-jährige Bestehen des "Wort zum Sonntag" geehrt.

Nach der ersten Sendung am 8. Mai 1954 folgten bis jetzt mehr als 3.650 weitere. Aktuell erreicht "Das Wort zum Sonntag" im Ersten (ARD) im Durchschnitt 1,2 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer pro Sendung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte "Das Wort zum Sonntag" in einer Ansprache: "‚Das Wort zum Sonntag‘ ist eine Erfolgsgeschichte, und das seit 70 Jahren. Ich freue mich, dass wir diesen Erfolg – und ich möchte betonen: diesen ökumenischen Erfolg – heute gemeinsam feiern können, und gratuliere Ihnen herzlich! Sie, die Sie alle zu diesem Erfolg beigetragen haben, können stolz darauf sein." Und weiter: "‚Das Wort zum Sonntag‘ wirft ethische und gesellschaftlich relevante Fragen auf, entwickelt Gedanken – mit Ruhe und in einer warmen und sorgsamen Sprache. Das können wir heute, in einer Zeit, in der wir eine zunehmende Verrohung der Sprache nicht nur in den sogenannten sozialen Medien erleben, gar nicht hoch genug schätzen!

Eine Demokratie braucht Debatten, aber wir müssen diese Debatten mit Respekt vor dem anderen führen. Wenn wir diesen Respekt nicht bewahren, wenn immer mehr Hetze und Diffamierung unsere Debatten prägen, ist letztlich unsere Demokratie gefährdet. Umso wichtiger ist ein Anker wie ‚Das Wort zum Sonntag‘, das sich dieser Enthemmung in der Sprache, im Diskurs entgegenstellt." 

Die Ansprache von Bundespräsident Steinmeier endet mit: "Wenn ich es ganz kurz beschreiben sollte – was ist ‚Das Wort zum Sonntag‘? Für viele Menschen in unserem Land ist es ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens, und sie schalten jede Woche genau aus diesem Grund den Fernseher ein. Aber es gibt auch die, die am Samstagabend nach den Tagesthemen aufstehen, um für den Spätfilm wiederzukommen – und dann plötzlich stehen bleiben. Was hat die Sprecherin da gerade gesagt? Und ehe man sichs versieht, sitzt man wieder im Sessel und hört zu. Und irgendwann geht man schlafen – nachdenklich, getröstet, ermutigt, versöhnt. Das ist ‚Das Wort zum Sonntag‘."

Mehr als 320 Sprecher:innen

Für den Inhalt der Verkündigungssendung sind die Kirchen verantwortlich. Mehr als 320 Persönlichkeiten der Kirchen haben bisher das "Wort zum Sonntag" gesprochen. Bischöfin Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), unterstrich die Bedeutung des "Wort zum Sonntag" für die Gegenwart: "Gerade jetzt in diesen Tagen, wo kaum noch etwas Bestand zu haben scheint und wo Ängste und Unsicherheit wachsen, sind die Worte zum Sonntag wie ein fester Anker der Hoffnung. Verlässlich, stets samstags zur gleichen Sendezeit, geben sie mit ihren nachdenklichen Worten einem Millionenpublikum christliche Orientierung. Inmitten einer krisenhaften Welt brauchen wir jetzt mehr denn je einen inneren Kompass – danke an alle, die ‚Das Wort zum Sonntag‘ auch weiterhin möglich machen." 

Aus Anlass des Jubiläums erinnerte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, an das kirchliche Anliegen der Sendung: "‚Das Wort zum Sonntag‘ hält die Rede von Gott in der Gesellschaft wach und fördert durch seine verbindenden Perspektiven auf die Fragen unserer Zeit den Zusammenhalt. Die Sendung dient der Verkündigung des Evangeliums und gestaltet dabei sein besonderes Sinnangebot so vielfältig und einladend, dass es weit über den kirchlichen Raum hinaus trägt. Ich bin dankbar für diese altehrwürdige und doch stets neue Unterbrechung, die in unserer Mediengesellschaft einzigartig ist." 

Orientierung, Inspiration und Denkanstöße

Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks, der in der ARD für die Koordination der kirchlichen Sendungen zuständig ist, betonte: "Vier Minuten Innehalten, Zuhören, Nachdenken, Insichgehen, einmal pro Woche, und das seit 70 Jahren. Vieles hat sich in dieser Zeit verändert, aber eines ist geblieben: ‚Das Wort zum Sonntag‘ bietet den Zuschauerinnen und Zuschauern Orientierung und Inspiration, Werte und Denkanstöße, zu aktuellen Themen ebenso wie zu grundsätzlichen Fragen des Menschseins und Glaubens. Eine kleine und besonders wertvolle Insel in diesen schnelllebigen Zeiten." 

Nach der 1952 erstmals ausgestrahlten Tagesschau ist "Das Wort zum Sonntag" die zweitälteste Sendung im deutschen Fernsehen. Für den 1. Mai 1954 war die Premiere geplant: Doch der katholische Prälat Klaus Mund aus Aachen konnte am "Tag der Arbeit" nicht arbeiten: Ein Kabelbruch verhinderte die Ausstrahlung der Live-Sendung. So kam es, dass eine Woche später, am 8. Mai 1954, der evangelische Pfarrer Walter Dittmann aus Hamburg das allererste "Wort zum Sonntag" sprach. Seitdem hat sich einiges geändert: Markierte das Urgestein deutscher Sendungen früher das Ende des Fernsehprogramms, so steht es heute mittendrin – direkt nach den Tagesthemen. Aus den zunächst bis zu 15 Minuten Sendezeit wurden fünf, heute sind es vier Minuten. Einzelne formale Experimente gab es in der langen Geschichte des "Wort zum Sonntag" immer wieder: Live-Sendungen wurden aus einem Bahnhof, einer Neugeborenenstation oder von einer Autobahnbrücke ausgestrahlt.