Damian Carruthers, der auch Mitglied des evangelischen Content-Netzwerkes yeet ist, findet man als "Pastor DC" auf Instagram und YouTube. Dort betreibt der methodistische Pfarrer vor allem sein Format "cruciflix". In dem macht er sich auf die Suche nach christlichen Inhalten und Botschaften in bekannten und beliebten Streaming-Serien. Hier seine Gedanken zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahl:
"'Wir sind eins in dem Herren'… Dieses Lied aus dem evangelisch-methodistischen Gesangbuch haben wir kürzlich im Gottesdienst gesungen, und selten fiel es mir so schwer, es voller Überzeugung zu singen. Die vergangenen Wochen und die Präsidentschaftswahl in den USA haben Spuren hinterlassen, auch in meiner Gemeinde in Cheney, Washington.
Ich bin Pastor einer United Methodist Church (Evangelisch-methodistischen Gemeinde) und besitze sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Dieses Jahr durfte ich zum ersten Mal meine Stimme bei der Präsidentschaftswahl abgeben.
Ein Zitat vom Methodisten Shane Claiborne hat mich durch die Wahl begleitet: 'Wenn wir wählen, haben wir nicht einen Retter aller im Blick. Wir schauen nach einer Person, bei der wir denken, dass sie den geringsten Schaden an der Welt anrichtet. Ich verstehe Wählen als Schadensbegrenzung. Wir versuchen, die Machthaber und Gewalten, die unsere Nachbarn bedrängen, zu bändigen.'
Doch ich habe das Gefühl, dass wir diesmal nicht einmal das erreicht haben. Diese Wahl hat in mir eine Trauer ausgelöst, die schwer zu beschreiben ist:
Ich trauere um ein Amerika, das für Gerechtigkeit und Freiheit für alle steht. Ein Land, das sich um die Würde jedes Einzelnen/ jeder Einzelnen bemüht.
Ich trauere um ein Amerika, das sich um Einheit und Zusammenhalt bemüht.
Ich trauere um ein Amerika, in dem marginalisierte Gruppen besonderen Schutz erfahren.
Ich trauere um ein Amerika, das Liebe über Hass stellt.
Ich trauere, weil ich das Gefühl habe, dass wir als Nation an diesem Ideal gescheitert sind. Die Wahl hat erneut gezeigt, wie tief gespalten unser Land ist – und dass diese Spaltung keinen Halt macht vor Familien, Arbeitsplätzen und leider auch nicht vor der Kirche.
Tochter bricht Kontakt zu Eltern ab - wegen Trump
Kürzlich besuchte ich ein älteres Paar aus meiner Gemeinde, die Trump unterstützen. Ihre Tochter brach den Kontakt ab, weil sie solche Menschen (die Trump gut finden) in ihrem Leben und dem ihrer Kinder nicht haben möchte. Auch wenn ich definitiv kein Trump-Unterstützer bin, hat mich diese Geschichte, die Beispiel für viele Familien im Land ist, berührt, nachdenklich und traurig gemacht. Solche Geschichten sind Beispiele dafür, wie sehr die Wahl in persönlichen Beziehungen schmerzt. Und ich spüre in diesen Momenten, dass meine Rolle als Pastor ist Brücken zu bauen. Momentan fühle ich die Last dieser Aufgabe mehr als je zuvor. Denn es ist nicht einfach, eine Gemeinschaft zu vereinen, wenn politische Überzeugungen so weit auseinandergehen und du selbst deine starken Vorurteile und Überzeugungen hast.
Meine Gemeinde in Cheney ist eine eher ländliche Gemeinde mit 12.000 Einwohner:innen im konservativen Teil des Staates. Am Sonntag kommen regelmäßig zwischen 65 und 75 Leute zusammen zum Gottesdienst. Acht davon sind Trump-Wähler:innen.
Und ich mag die acht alle echt gern. Wir haben Gespräche über den Schutz der Schöpfung, die Hilfe für Menschen in Not und Themen wie Feindesliebe und Vergebung – bis die Politik uns voneinander zu trennen scheint. Es fällt mir schwer, zu schweigen, wenn ich sehe, wie Trump das Christentum für Machtzwecke instrumentalisiert – ich meine, der Mann hat Bibeln für 60 Dollar in der Passionszeit verkauft um Geld zu verdienen. Zudem haben 82 Prozent der weißen Evangelikalen Christen für Trump gestimmt – die selbe Gruppe, die Bill Clinton nach einem Sexskandal nahezu gesteinigt hat. Dass meine Religion von Leuten für ihre politischen Zwecke vereinnahmt wurde, macht mich wütend und ratlos.
Niemanden Zuwendung und Liebe verwehren
Doch mir ist bewusst dass ich als Pastor die Verantwortung trage, meine Gemeinde zu begleiten, egal, wer gewählt wird, dass ich niemanden Zuwendung und Liebe verwehren, egal wen diese Menschen wählen. Aber ja, es ist schwierig einander den Glauben nicht abzusprechen, sich als einen Leib Christi zu verstehen, wenn beide Seite die jeweils andere als das Böse überhaupt sehen. Es ist ein Dilemma. Und machen wir uns nichts vor:
Daher sehe ich es als meine Aufgabe, immer wieder zu betonen, dass Christus unser Mittelpunkt ist, nicht eine Partei oder ein politischer Führer. Selbst im Brückenbauen ist es wichtig, Position zu beziehen, wo das Evangelium betroffen ist. Ich will deutlich machen, dass wir als Gemeinde auf der Seite der Schwachen stehen, dass wir die Türen offen halten für Frauen, die um ihre Rechte kämpfen, und für die LGBTQIA+ Community, die sicher, willkommen und geliebt sein soll.
Herausforderungen in der Gemeinde
In den letzten Wochen musste ich mich immer wieder fragen, wie man eine Gemeinschaft stärken kann, in der sich ein Teil der Mitglieder ungehört oder gar bedroht fühlt. Eine christliche Gemeinschaft sollte ein Ort sein, an dem wir Unterschiede überbrücken. Wenn ich sehe, wie schwierig es für viele ist, über ihre politischen Differenzen hinweg Liebe und Vergebung zu leben, bin ich umso mehr überzeugt, dass unsere Aufgabe darin besteht, diese Grundsätze zu stärken.
Ich glaube fest daran, dass wir als Gemeinde in diesen gespaltenen Zeiten eine Rolle als Friedensstifter und Vermittler einnehmen können und sollten. Diese Rolle ist nicht einfach, aber umso notwendiger. Als Christen müssen wir Vorbilder sein, wenn es darum geht, Differenzen zu überbrücken, und vor allem dann, wenn der politische Graben so tief erscheint. Wir können das Evangelium nicht nur predigen, sondern müssen es auch aktiv leben – Liebe, Vergebung und Annahme in die Tat umsetzen.
Pastor sein, der nicht durch Parteiungen gespalten wird
Aber es gibt Situationen, da müssen wir ganz klar und deutlich sein. Meine Überzeugung ist, dass der christliche Auftrag, sich für die Schwachen und Marginalisierten einzusetzen, durch jede politische Ära hindurch Bestand haben muss. Das bedeutet auch, sich für alle in Not zu öffnen, egal ob es sich um legale oder illegale Migranten handelt oder Menschen, die mit Armut kämpfen.
Und wo das dann nicht der Fall ist, da müssen wir die Stimme erheben, auch wenn das eigene Gemeindeglieder vor den Kopf stößt.
Wenn ich zurückblicke, hoffe ich, dass meine Trauer und meine Verwundbarkeit in einen stärkeren Glauben umgewandelt werden. Ich möchte ein Pastor sein, der nicht durch Parteiungen gespalten wird, sondern meine Gemeinde als einen Leib Christi vereint, unabhängig von politischen Meinungen. Ich hoffe, dass wir als Kirche immer offen sind für die Notleidenden, die Ausgegrenzten und die Verunsicherten.
Ich hoffe, dass ich in ein paar Jahren nicht schadenfroh dastehe und sage: "Siehste, hab ich dir euch doch gesagt." Sondern: Ich sehe dich, und ich helf dir, dass wir uns organisieren und die Situation verbessern.
Be curious, not judgmental!
In meiner Trauer und meiner Wut auf meine Geschwister im Glauben, die für einen Mann gestimmt hat, der Jesus als Maskottchen herumträgt, aber auf Jesu Gebote keinen Cent gibt, hat Gott vorbeigeschaut.
Eine meiner älteren Frauen aus der Gemeinde kam vor der Chorprobe kurz in meinem Büro vorbei. Ich äußerte meinen Frust und wir hatten ein gutes Gespräch. Sie erinnerte mich an die letzten fünf Wochen und die Predigtreihe, die ich über die Apple TV Show Ted Lasso (sehr beliebt in den USA) kurz vor der Wahl durchgeführt hatte.
Sei neugierig, nicht verurteilend
Sie sagte: "Damian, erinnerst du dich, was Ted Lasso immer gesagt hat? "Be Curios, not Judgmental"! (Sei neugierig, nicht verurteilend.) Das gilt jetzt auch für die vielen Menschen, die Trump gewählt haben."
Da wurde ich an meine eigene Predigt erinnert und habe gemerkt, wie dieser Weg, der Liebe, der Versöhnung, der Neugier und dem Boesen zum Trotz, Frieden gibt.
Ich hoffe, dass wir uns als Christen und Christinnen auf Jesus als das Zentrum besinnen. Dass wir Liebe in diese Welt voller Hass tragen und dabei Parteigrenzen überschreiten. Dass wir die Kraft und Energie aufbringen sichere Räume für alle Menschen zu schaffen, egal was die Trump-Regierung macht.
Und ich hoffe, dass wir neugierig sind, was Menschen antreibt und bewegt, damit wir zueinander finden. Wenn wir diese Einheit als Christen leben können, werde ich hoffentlich bald wieder voller Überzeugung singen können: "Wir sind eins in dem Herren."