Die Menschen würden weniger miteinander reden, sondern mehr übereinander schimpfen. "Das ist ein Problem, für das wir alle Verantwortung haben", sagte die Theologin. Sie selbst habe auch schon Briefe mit wüsten Beschimpfungen erhalten.
epd: Frau Landesbischöfin, nach der Messerattacke in Mannheim haben Sie für eine "Kultur der Toleranz" geworben. Danach bekamen Sie zahlreiche Hass-Nachrichten mit Drohungen. Haben Sie mal über Personenschutz nachgedacht?
Heike Springhart: Innerhalb der Kirche hat das meines Wissens noch niemand benötigt. Ich kann auch durch Karlsruhe laufen, ohne dass mich jemand erkennt. Wenn potenziell aggressive Leute es darauf anlegen, dann sind wir alle gleichermaßen gefährdet.
In dem konkreten Fall hatte sich eine rechte Blase dazu verabredet, gleichlautende Mails, Kommentare und auch handgeschriebene Briefe mit wüsten Beschimpfungen an mich zu schicken. Das Schwierige ist, dass man nicht wirklich abschätzen kann, ob es sich nur um entgleiste verbale Gewalt oder eine konkrete Bedrohungslage handelt.
Anzeige haben wir bisher nicht erstattet. Das Ergebnis der Rechtsabteilung war, dass es unschön und hässlich ist. Aber als Person des öffentlichen Lebens muss ich viel aushalten.
Wie gehen Sie mit solchen Anfeindungen um?
Springhart: Ich habe mich nicht an den Rat gehalten, solche Post gar nicht erst zu lesen. Dafür bin ich zu neugierig. Aber eine Antwort von mir haben die Verfasser der Schreiben nicht bekommen. Die ganz Aggressiven erhalten überhaupt keine Reaktion, auch nicht von anderen Mitarbeitenden.
Zum Glück bekomme ich nicht dauernd Hass-Post, nicht wie manche Politiker. Ich kann mir vorstellen, dass das einen richtig angreift. Ich habe aber gemerkt, dass es mich vorsichtiger beim Formulieren macht. Diese initiierte Attacke von Fremden ist ja auch etwas anderes, als wenn badische Kirchenmitglieder schreiben "Liebe Bischöfin, ich bin aber entsetzt, dass..." Solche Kritik ist völlig in Ordnung.
Im Kern sind das die Symptome einer entgleisten Kommunikationskultur in unserer Gesellschaft insgesamt. Das ist ein Problem, für das wir alle Verantwortung haben. Wir reden weniger miteinander, sondern schimpfen mehr übereinander. Und es hängt natürlich an den Themen, gerade bei Migration ist die Erregungsschwelle sehr niedrig.
Was machen unsichere Zeiten, geprägt von Nachwirkungen der Corona-Krise, dem Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, mit den Menschen?
Springhart: Die Frage ist doch, wie weit sind wir Menschen in der Lage, über uns selbst hinauszuschauen. Wir beobachten im staatlichen wie auch im kirchlichen Bereich einen Rückzug zu sich selbst. Die Nationalismen sind im Kommen. Aber auch der Gedanke, ich rette zuerst mich und meine eigene Gemeinde, bevor ich das Ganze sehe. Das sind Reaktionen auf die Krisen. Christen, die im Glauben Halt finden, fällt es leichter, andere Menschen in den Blick zu nehmen.