Erstmals wird eine Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) stehen. Die 57 Jahre alte Theologieprofessorin Christiane Tietz erhielt in Frankfurt am Main im ersten Wahlgang 82 von 119 abgegebenen Stimmen der Kirchensynodalen. Sie übernimmt ihr neues Amt im Februar 2025 von Volker Jung, der sich nach dann 16 Jahren als leitender Geistlicher der Landeskirche in den Ruhestand zurückzieht.
Am Ende ihrer Vorstellungsrunde hatte Christiane Tietz der EKHN eine Liebeserklärung gemacht: "Die vergangenen Monate sind ein Verliebtsein mit der EKHN. Ich sehe die EKHN realistisch mit ihrer Erschöpfung, ihren Spannungen und ungeklärten Herausforderungen. Diese Kirche möchte ich mit Ihnen gestalten."
Tietz möchte Formate stärken, in denen Kinder und Jugendliche den christlichen Glauben erfahren. Sie warb für ein Miteinander von "Innovation und dem, was aus guten Gründen heute noch trägt". Dazu brauche es "warmherziges Augenmaß und mutige Nüchternheit". Die in der ForuM-Studie aufgezeigten Defizite der Kirche wie Konfliktunfähigkeit wolle sie bearbeiten.
Vor der Synode wolle sie theologische Impulse setzen, damit vor den Strukturfragen die Themen diskutiert werden. "Meine Leidenschaft gilt dem öffentlichen Reden von Gott", sagte Tietz und bezeichnete sich als "hoffnungsvolle Realistin".
Klimaschutz und Kirchenasyl
Tietz räumte dem Klimaschutz eine wichtige Rolle ein: "Ich mache mir viele Gedanken, was ich esse, wie ich reise", sagte sie. Die Rolle der Kirche bestehe hier auch in der Bildung: Menschen einen neuen Blick auf die Welt zu eröffnen, weil sie eine Schöpfung Gottes sei.
Flüchtlinge stünden im Zentrum der biblischen Geschichten, sagte die Theologin. Das Angebot des Kirchenasyls stehe dafür, dass die Kirche dies wichtig nehme. Sie unterstrich, die Kirche stehe für Grundwerte wie Gleichheit, Freiheit und Gleichberechtigung ein. Indem die Kirche versuche, in der Fläche zu bleiben, könne sie dort ein Gegengewicht zu politischen Extremen bilden.
"Kluge und zugewandte Art"
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, gratulierte Tietz zur Wahl und hob dabei "ihre kluge und zugewandte Art, ihre Erfahrungen in Gremien, in Wissenschaft und im Ausland" hervor. "Auf die Zusammenarbeit in der Kirchenkonferenz und an anderen Orten freue ich mich sehr und bin mir sicher, dass die Stimme von Christiane Tietz dazu beitragen wird, die Themen gemeinsam voranzubringen, die uns als evangelische Kirche derzeit beschäftigen" erklärte Fehrs in Hannover.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte, er freue sich darauf, die von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit des Landes Hessen und der EKHN mit Christiane Tietz weiterzuführen. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) sagte, er freue sich, dass Tietz Brücken bauen wolle zwischen unterschiedlichen Gruppen innerhalb und außerhalb der Kirche. Zudem begrüße er, dass sie sich dafür einsetzen will, dass Konsequenzen aus der ForuM-Studie gezogen werden.
Christiane Tietz wurde 1967 in Frankfurt geboren. Sie studierte Mathematik und Evangelische Theologie in Frankfurt am Main und Tübingen. Tietz wurde 1999 in Evangelischer Theologie promoviert und hat sich 2004 habilitiert. Von 2008 bis 2013 war sie Theologieprofessorin an der Universität Mainz, seit 2013 in Zürich. Längere berufliche Auslandsaufenthalte führten sie nach Chicago, New York und Princeton.
Von 2010 bis 2012 war Tietz berufenes Mitglied der Kirchensynode der EKHN, von 2010 bis 2013 im Rat der EKD. Sie ist als Mitglied der EKHN berufene Synodale der EKD-Synode und Vorsitzende des Theologischen Ausschusses der Union Evangelischer Kirchen (UEK). Christiane Tietz ist verheiratet.