Die zunächst denkbar tragisch verlaufende Romanze zwischen Amor und Psyche ist eine der schönsten Liebesgeschichte aus der griechischen Sagenwelt: Die von aller Welt um ihre Schönheit beneidete Königstochter Psyche verliebt sich unsterblich in den Sohn von Venus, doch die eifersüchtige Göttin sabotiert diese Verbindung mit allen Mitteln; schließlich fällt Psyche in einen todesähnlichen Schlaf, als sie ein Kästchen öffnet, das angeblich eine Schönheitssalbe enthält.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das ist zwar im weitesten Sinn eine Krimihandlung, zumal Eifersucht gern als Mordmotiv verwendet wird, aber als Vorlage für eine Episode der ZDF-Reihe mit Max Simonischek klingt die Sage zunächst etwas weit hergeholt. Die beiden Morde, die Lukas Laim aufzuklären hat, haben ohnehin keinerlei offenkundigen Bezug zu dem antiken Sujet, das seit Jahrhunderten als Inspiration für Skulpturen und Gemälde dient. Eins dieser Bilder hat es dem Polizisten angetan: Es zeigt die Königstochter mit der Schachtel auf dem Schoß, im Hintergrund lauert bereits der Schatten des Todes. Auch Laims Lebensweg scheint schließlich zu enden.
Der Film beginnt mit einem Unfall: Eine junge Frau kommt mit ihrem Auto nachts bei Regen von der Landstraße ab, der Wagen kracht gegen einen Baum. Es folgt ein kräftiger Kontrapunkt: Eine Reinigungskraft schiebt in einem durch knallrotes Licht illuminiertem Flur singend ihre Putzmaschine vor sich her, während sich hinter einer Tür ein Mann und eine Frau einen heftigen Schlagabtausch liefern. Er ist der Verlagschef, sie ist die leitende Lektorin (Katja Bürkle) und kritisiert seine Philosophie. Am nächsten Morgen wird der Mann tot in der Gondel eines Riesenrads gefunden, ohne Hose, aber mit zweckentfremdeter Krawatte: Der Verleger ist mit einem Schlips stranguliert worden. Kurz vor seinem Tod hat er eine SMS seiner Ex-Frau erhalten, und nun wandelt sich die Geschichte zu einem Katz-und-Maus-Spiel im besten "Basic Instinct"-Stil.
Von entsprechender Bedeutung war die Besetzung der Kontrahentin, zumal Nina Schott (Ursina Lardi) in vielerlei Hinsicht das Gegenstück zum düsteren Laim ist. Die Schriftstellerin hat einen feministischen Bestseller geschrieben und kürt in ihrem Blog regelmäßig prominente "Sexisten der Woche". Zuletzt ist diese zweifelhafte Ehre ihrem Ex-Mann widerfahren, zuvor einem erfolgreichen Fernsehproduzenten. Auch der wird tot und ohne Hose gefunden. Laims Vorgesetzter (Heinz-Josef Braun) mutmaßt, eine Männerhasserin sei dabei, Schotts Liste abzuarbeiten; eine Mail an die Autorin, unterzeichnet mit "Pandora", scheint dies zu bestätigen. Laims Partner Simhandl (Gerhard Wittmann) glaubt allerdings, Schott selbst sei für die Morde verantwortlich, was zu einem handfesten Krach zwischen den beiden Ermittlern führt; dabei gilt Simhandls Sorge durchaus auch dem Kollegen.
Wie die gesamte Reihe beeindruckt auch "Laim und die Toten ohne Hosen" durch eine hochwertige Anmutung. Das Duo Michael Schneider (Regie) und Andreas Zickgraf (Kamera) hat sämtliche Episoden gemeinsam gestaltet, Michael Leupolz hat erneut eine vortreffliche abwechslungsreiche Musik beigesteuert. Besonders reizvoll sind die Gegensätze. Das gilt optisch – der ganz in Schwarz gekleidete Laim im gleißend weißen Konferenzraum des Verlags –, aber vor allem für die beiden Hauptfiguren, zumal die Autorin neben dem hünenhaften Kommissar, dessen Körpergröße in den gemeinsamen Szenen durch eine extreme Untersicht betont wird, sehr fragil wirkt.
Das ist sie jedoch ganz und gar nicht, zumal er ihren unverhohlenen Avancen nicht viel entgegenzusetzen hat. Beide eint nicht nur die Bewunderung für Nikolaos Gyzis’ Psyche-Gemälde "Die Seele des Künstlers", sondern auch eine tiefe Traurigkeit: Schotts Tochter liegt seit dem Unfall, mit dem der Film beginnt, im Koma, und wenn sich Laim in seiner sündhaft teuren Wohnung über den Dächern der Stadt nicht gerade mit einer seiner vielen Bekanntschaften vergnügt, füllt er die Leere seines Daseins mit Alkohol. Stärker noch als in den früheren Filmen wirkt der Polizist mit seinen wirr ins Gesicht hängenden Haarfransen wie eine tragische Stummfilmfigur; am Ende wird er tatsächlich zu seinem eigenen Wiedergänger. Umso wichtiger erweist sich einmal mehr Gerhard Wittmann, dessen Rolle als vermeintlicher Laufbursche leicht zu unterschätzen ist. Simhandls Gleichmut, sein Humor und vor allem seine Loyalität bereiten die Bühne, auf der Simonischek seinen Dunklen Ritter entfalten kann.