Hand mit Buch und Smartphone
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Über den Glauben sprechen oder aber Menschen folgen, die dieses tun. Das wollen viele jüngere Menschen auf Social-Media.
Gläubig auf Instagram
"Komm, ich nehme Euch mit in meinen Alltag"
Wenn über christliche Influencer:innen geschrieben wird, dreht es sich häufig nur um solche mit extrem hohen Followerzahlen oder harten Aussagen. evangelisch.de spricht mit vier Creator:innen, die einfach nur ihren "Glauben" auf Social leben.

Auf Instagram belief sich die Anzahl der monatlich aktiven Nutzer:innen laut Business of Apps im Jahr 2023 weltweit auf über 2,1 Milliarden Menschen. Pfarrer Nicolai Opifanti alias @pfarrerausplastik hat aktuell 13,5 Tausend Follower:innen. Pfarrer Nico Buschman, der als @einschpunk auf der Plattform ebenfalls unterwegs ist, hat die Zehntausender-Marke noch nicht durchbrochen. Beide gehören zum evangelischen Content-Netzwerk Yeet. Noch ziemlich weit davon entfernt ist das jüdisch-christliche, homosexuelle Ehepaar Fred und Marcel, das unter dem Namen @abrahamssöhne auf Instagram aktiv ist; hier sind es zurzeit noch unter 200 Follower:innen. 

Also was hat diese Menschen bewegt, Content auf Instagram zu bringen? Nicolai Opifanti war schon lange als User auf Instagram unterwegs, bevor er vor fünf Jahren anfing über seinen Beruf als Pfarrer aktiven Content zu posten. "Der Anstoß war, dass ich in meinem Freundeskreis noch viele Leute hatte und habe die zwar in ihrem Alltag wenig mit Kirche zu tun haben, aber voll interessiert waren an meinem Beruf als Pfarrer und immer viele Fragen gestellt haben. Ich dachte mir dann, komm ich nehm' Euch einfach mit auf Insta in meinen Alltag als Pfarrer und teile, was ich dort so erlebe, was mir Freude bereitet und wo ich auch Zweifel und Anfragen habe." Auch für Nico Buschman ist der Beruf der Anker für den Start des Accounts. Er begann, erzählt er  evangelisch.de, im Jahr 2017 zum Start seines Vikariats aus seinem Leben und Beruf zu berichten.

Erst relativ kurz, gut drei Jahre, sind Fred und Marcel dabei. "Freund:innen sagten, wir erleben so viel", antwortet das Ehepaar und sie seien "wirklich reich beschenkt und dankbar!" Aber sie seien auch auf der Suche nach Informationen, vor allem darüber, wie das Leben tickt, jenseits der Medien und Organisationen. "Im Jüdischen Museum Frankfurt fanden wir beispielsweise einen kleinen Ausschnitt zu interreligiösen Ehen. Erste Vorbilder aus vergangenen Jahrhunderten." Offiziell sind die beiden die erste Trauung zweier Männer der Nordkirche. Getraut von einem Rabbiner und einer Pastorin. "Es geht uns nicht um Premieren oder Rankings, sondern darum, dass dies eine wundervolle Welt ist, wenn wir hineinschnuppern und es zulassen. Das verbindet uns mit vielen wundervollen, einzigartigen Menschen."  

Im Zentrum aller drei Accounts steht der Glaube, sei es beruflich als Pfarrer oder in der religiösen privaten Einstellung: "Mein Glaube durchzieht meinen Alltag, beruflich, aber auch privat. Ich lese viel in der Bibel und bete täglich, übe Seelsorge und begleite Menschen an den Eckpunkten ihres Lebens", sagt Buschmann. "Für mich bedeutet es Rückhalt, Korrektur und Ausrichtung zu bekommen von Gott, der mich durch und durch kennt und dem ich daher komplett vertrauen kann", ergänzt Opifanti. Ihm würde es vor allem helfen, im Gebet einen Weg zu finden, ehrlich vor Gott zu sein und ihm so "alles zu sagen, was mich belastet, was mich glücklich macht, wofür ich dankbar bin, aber auch was mich ankotzt."

Glauben im Alltag ankommen lassen

Ihr Engagement, darin sind sich alle einig, bringe den Glauben in den Alltag. Etwas das Kirche mehr denn je braucht, sind doch die meisten Kirchenbänke im Gottesdienst eher luftig besetzt. "Natürlich ist Gottesdienst feiern cool, aber das Leben findet meistens außerhalb der Kirchenmauern statt, und genau dort, mitten im Leben, gehört der Glaube hin, dort entfaltet er seine Kraft. Social Media ist für uns heute absoluter Bestandteil des Alltags und daher muss ein Glaube, der Alltagsrelevant sein möchte, auch dort präsent sein", sagt Opifanti.

Genau das macht Social-Media auch für Theolog:innen interessant, geht es doch um die direkte digitale Kommunikation auf einem Medium, auf dem noch dazu mehrheitlich 20- bis 39-Jährige unterwegs sind - sowohl Kirchenferne als auch Mitglieder.  Schon vor einem Jahr fragten sich deshalb Wissenschaftler:innen bei einer Tagung der Religionspädagogik und Mediendidaktik an der Frankfurter Goethe-Uni: Wie funktionieren diese Communities der religiösen Influencer:innen und was schätzen ihre Follower? 

Evangelische Vielfalt zeigen

Für Buschmann, der sich selbst als progressiver Theologe aus reformierter Tradition bezeichnet, ist es von Bedeutung, die evangelische Vielfalt zu bewerben und genau dies schätzen auch seine Follower:innen. "Gerade für Menschen, die bewusst in einer aufgeklärten, modernen Welt leben ist meine Art die Bibel zu lesen und den Glauben zu leben eine Möglichkeit, die Weisheit und Erfahrung der Bibel als etwas der Welt nicht entgegengesetztes zu verstehen, sondern durch bewusste Exegese und der Betrachtung vom Entstehen der Bibel und des kulturellen Kontextes Glaubensinhalte auch in einer modernen Welt wirksam werden zu lassen und so der Verkündigung Jesu vom Reich Gottes zu folgen."  

Vielfalt und Toleranz spiegeln auch das interreligiöse Ehepaar Fred und Marcel, das sich sowohl im jüdischen als auch im christlichen Glauben bewegt. Und sie denken nicht in kleinen Gemeindegrenzen, sondern sind auch darüber hinaus vernetzt. "Wir haben Heimatgemeinden, aber wir feiern auch mit anderen." Sie kämpfen mit ihrem Account darum, das  ihre Herzensthemen, auch solche, die nicht religiös sind, Gehör finden. "Wir können und dürfen aber nicht immer alles teilen, was uns bewegt oder was uns passiert. Wir hoffen, dass wir andere inspirieren können, Vorgaben zu hinterfragen, freier zu leben und sich selbst zu finden." Das Ergebnis ihrer Mühe sind zwar noch keine beeindruckenden Followerzahlen, aber ein lebhafter Austausch innerhalb ihrer Community.

 

"Viele, für die die Bibel und der Glaube weltfremd sind, können bei mir anknüpfen", ist sich Nico Bushmann sicher. Es seien Menschen, die am Rand stehen und kurz vorm Austritt sind - also Menschen, für die dogmatische Aussagen nicht mehr relevant seien.

Bei Nicolai Opifanti spiegelt die Followerschaft, dass sie es "feiert", einen besonderen Einblick in das Leben des Berufs Pfarrer zu bekommen. "Hey, der ist ganz normal, der hat Macken, der macht Fehler, der ist auch manchmal vielleicht ein bisschen verrückt, der ist wie ich", gibt der "Pfarrer aus Plastik" zu verstehen. Das würde untereinander verbinden und zeigen, "dass man als Christ:in nicht perfekt sein muss, sondern ehrlich vor Gott und anderen sein darf, und genau in diesen Schwächen und Macken sich Gottes Größe und Gnade zeigen kann."