Reichsforschungssiedlung Haselhorst
epd-bild/Rolf Zoellner
Bereits von 1930 bis 1935 herrschte in Deutschland große Wohnungsnot und Bauhaus-Architekt Walter Gropius erarbeitete deshalb lebenswerte Sozialbauten in der Hauptstadt. Auch heute sind wieder gezielte Maßnahmen gegen Wohnungslosigkeit nötig.
Tag der Wohnungslosen
Die Zahl der Obdachlosen steigt zunehmend
Anlässlich des Tages der Wohnungslosen am 11. September machen die Sozialverbände auf die Zunahme der Obdachlosigkeit aufmerksam. So fordern die Diakonie Deutschland, die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und weitere Organisationen die Bundesregierung auf, gezielte Maßnahmen zur Überwindung von Wohnungslosigkeit bis 2030 umzusetzen. evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone hat die verschiedenen Stimmen, Projekte und Forderungen zusammengefasst.

 "Wohnungslosigkeit ist die extremste Form von Armut in unserer Gesellschaft und stellt eine soziale Notlage dar. Wir dürfen nicht zulassen, dass immer mehr Menschen auf der Straße verelenden und insbesondere Familien mit Kindern mangels eigener Wohnung in Notunterkünften untergebracht werden müssen", erklärt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Der im April dieses Jahres verabschiedete Nationale Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit der Bundesregierung habe wichtige Leitlinien zur Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030 festgeschrieben. "Jetzt kommt es darauf an, diese Leitlinien in konkrete Maßnahmen zu übersetzen und sie schnellstmöglich umzusetzen. Das Recht auf Wohnen muss für alle Menschen in unserer Gesellschaft Wirklichkeit werden." 

Die BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W) fügt hinzu: "Die Leitlinien des Nationalen Aktionsplans sind durch die Bundesregierung in konkrete zielführende Maßnahmen zu überführen, die mit klarem Zeithorizont und messbaren Ergebnissen einhergehen müssen." Dazu würden ausreichende finanzielle Ressourcen sowie die verbindliche ressortübergreifende Zusammenarbeit aller Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene benötigt.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung fordern die Sozialverbände unter anderem präventive Maßnahmen, eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation und menschenwürdige Mindeststandards in Gemeinschaftsunterkünften. "Es braucht eine bundesweite Ausweitung von Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit. Das kann u. a. durch ein Förderprogramm zur Einrichtung von Zentralen Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten unter Beteiligung der Dienste der Freien Wohlfahrtspflege erreicht werden", heisst es. Menschen, die von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffen sind, benötigten einen regelhaften Zugang zum Gesundheitssystem.

"Wenn nicht unmittelbar eine eigene Wohnung zur Verfügung steht, brauchen wir Notunterkünfte, die menschenwürdige Bedingungen garantieren, d. h.: Schutz der Privatsphäre und Selbstbestimmung durch abgeschlossene Wohneinheiten, niedrigschwellige Beratung und Begleitung sowie wirksamen Gewaltschutz", heisst es weiter in der evangelisch.de vorliegenden Pressemitteilung. Der Verlust der Wohnung bedeute den Ausschluss aus allen Lebensbereichen. Wohnungslose Menschen seien besonders gefährdet, Gewalt und Diskriminierung zu erfahren. Ein sicherer, bezahlbarer Wohnraum biete den besten Schutz.

Steigende Wohnungslosigkeit ist "ein alarmierendes Signal"

Steigende Wohnungslosigkeit kann nach Auffassung der Präsidentin der Diakonie Bayern, Sabine Weingärtner, zu einer Gefährdung der Demokratie werden. Knapp 40.000 Menschen sind in Bayern laut Statistischem Bundesamt wohnungslos. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei das ein Anstieg um mehr als zwanzig Prozent, so Weingärtner. "Das ist ein alarmierendes Signal", sagt sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn es der Gesellschaft nicht gelinge, dieses Problem zu lösen, schwinde zunehmend das Vertrauen in die Politik. Weingärtner wies darauf hin, dass "Wohnen ein Menschenrecht ist".

Bezahlbarer Wohnraum ist in ganz Deutschland rar, die Zahl der Wohnungslosen steigt zunehmend. Junge Menschen stellen laut einer Studie einen hohen Anteil der wohnungslosen Menschen in Deutschland. Rund 16 Prozent der Betroffenen seien unter 25 Jahre alt, heißt es im am Montag in Berlin veröffentlichten Jahresbericht 2022 der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W). Besorgniserregend sei, dass knapp 13 Prozent der akut wohnungslosen jungen Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren die Nacht vor dem Aufsuchen einer Hilfeeinrichtung auf der Straße verbracht hätten.

Motto "WOHNUNG_LOS: Gemeinsam mehr erreichen"

Einige Städte steuern gegen: So werden in Hamburg jetzt Mikro-Appartements gebaut, mit 25 Quadratmeter Wohnfläche. In Hessen macht die Diakonie darauf aufmerksam, dass 3.000 Menschen dauerhaft auf der Straße leben. Einige von ihnen sind im Frankfurter Housing-Projekt untergebracht. Die Diakonie unterhält den Angaben nach mehr als 200 Angebote der Wohnungsnotfallhilfe in Bayern. An 26 Standorten in Bayern seien verschiedene Modellprojekte aus dem Aktionsplan "Hilfe bei Obdachlosigkeit" der bayerischen Staatsregierung zur Verhinderung oder Bekämpfung von Wohnungslosigkeit realisiert worden. 

Der Tag der wohnungslosen Menschen findet in diesem Jahr unter dem Motto "WOHNUNG_LOS: Gemeinsam mehr erreichen" statt. Er soll in diesem Jahr die grundlegende Bedeutung von Bündnissen, Netzwerken und Kooperationen innerhalb und außerhalb der Wohnungsnotfallhilfe hervorheben. Bundesweit wurde dazu aufgerufen, sich zu vernetzen, bestehende Bündnisse zu aktivieren und am heutigen Tag gemeinsam sichtbar zu werden.